METZINGEN-NEUHAUSEN. »Die Leute sehnen sich - vor allem die älteren«, sagt Elke Preusch, und: »Die Stimmung ist weiterhin schlecht.« Die Neuhäuser wollen und brauchen einen Supermarkt. Fünf Jahre schon hat der größte Metzinger Teilort keinen mehr. Neuhausen wächst, zählt inzwischen über 5.000 Einwohner. An der Ortsdurchfahrt lag bis Herbst 2019 der Nahkauf-Markt. Ein breites Schild auf einer Stele am Parkplatz kündet bis heute davon. Doch im sanierungsbedürftigen Gebäude findet sich seit Jahren nur noch eine Becka-Beck-Filiale.
Die Stadt Metzingen hat das 5.000 Quadratmeter große Grundstück Ende 2022 von einer Erbengemeinschaft erwerben können. Damals haben Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh und Neuhausens Ortsvorsteher Günter Hau fürs Foto lachend die Hände abgeklatscht. Es war ein langer Weg zu diesem erfolgreichen Schritt: Die früheren Eigentümer hatten mit der Supermarktkette Rewe einen Mietvertrag. Der lief aus. Jetzt hat die Stadt das Sagen über das verkehrsgünstig gelegene Areal. Hat allerdings mit dem Bäcker auch einen Mietvertrag.
»Die Verantwortlichen der Stadt konnten die Projektentwicklung im Jahr 2024 weiter vorantreiben«
Und sie ist seit fast zwei Jahren im Gespräch mit möglichen Investoren. Hatte OB Haberstroh im Herbst 2023 gehofft, dass »bald ein Knopf dran kommt«, ist in der Antwort auf eine GEA-Anfrage Anfang November jetzt davon die Rede, dass »die Verantwortlichen bei der Stadt Metzingen die Projektentwicklung auf dem Nahkauf-Areal im Jahr 2024 weiter vorantreiben konnten. Dazu gehört insbesondere, das Areal für eine Neubebauung vorzubereiten bis hin zur Abbruchgenehmigung«.
Also wird ein Neubau angestrebt. Der könnte zeitaufwendiger sein als eine Sanierung des Ex-Nahkauf-Markts, aber einem neuen Verbrauchermarkt auch komfortablere räumliche Verhältnisse und den Kunden eine Tiefgarage bieten, sind rund ums Haus doch nur begrenzt Parkplätze verfügbar. Wäre ein auf zwei Etagen verteilter Markt denkbar? Solche gibt es andernorts, etwa in Reutlingen oder Tübingen. Für Neuhausen sind konkrete Planungen noch nicht öffentlich - so es sie denn überhaupt gibt,
»Ich finde, es ist eine Farce, was die Politik hier abzieht. Jahrzehntelang guckt man weg, dann macht man nichts«
Doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Baubranche sind derzeit (Pressesprecherin Susanne Berger) »nicht einfach. Diese haben beispielsweise zu zahlreichen Verzögerungen und Projektstopps im Großraum Stuttgart geführt«. Bei den Plänen für die Umsetzung in Neuhausen »wünschen sich die Verantwortlichen der Stadt, dass es nächstes Jahr losgeht«. Ein eher weiches Bekenntnis. »Alles in allem sind wir auf einem guten Weg«, sagt Haberstroh und hofft mit der Verwaltung auf das Verständnis der Einwohner. »Bestimmte Themen erfordern weiterhin eine sorgfältige Bearbeitung und damit Geduld, um die notwendigen Zwischenziele zu erreichen.«
Marco Reichhardt hat so langsam kein Verständnis mehr für den seit fünf Jahren fehlenden Supermarkt in Neuhausen. »Es ist eine Farce, was die Politik hier abzieht«, meint er, der zusammen mit Elke Preusch, Monika Frischknecht und Kerstin Engel im Jahr 2019 die »Aktion Noikauf« aufgezogen hatte, »jahrzehntelang hat man weggeguckt, dann macht man nichts.« Oder es gelangt seiner Ansicht nach zu wenig in die Öffentlichkeit.
»Je länger ein Supermarkt in Neuhausen fehlt, desto eher orientieren die Leute sich woandershin um «
Jahrzehntelang war der Nahkauf allerdings auch in privater Hand und damit dem direkten, rechtlichen Einfluss der Stadt nicht zugänglich. Der ehemalige Minimal-Markt trug sich zunächst. Später wurde es schwieriger. Die Kauffrau, die ihn betrieben hat, musste aus Kostengründen das Sortiment ausdünnen und gab schließlich ganz auf.
Reichhardt und Co. demonstrierten auf der Straße für eine wieder bessere Nahversorgung. Der Name »Noikauf« besagte, dass es kaum noch etwas zu kaufen gab im Supermarkt. In der Folge kam die Diskussion um einen Dorfladen auf, dem aber ein passendes Gebäude fehlte. Mit der Übernahme des Nahkauf-Areals macht die Stadt wieder die große Lösung möglich. Nur bis wann?
»Der Markt fehlt vor allem älteren Menschen schmerzlich. Sie sind oft nicht mehr sicher beim Autofahren «
Die Zeit ist für Elke Preusch ein entscheidender Faktor. »Je länger ein Supermarkt fehlt, desto eher orientieren sich die Leute um«, glaubt sie, die schon seit 1998 in Neuhausen wohnt und einst noch ihre fünf- und sechsjährigen Kinder zum Einkaufen beim Minimal geschickt und damit erste kleine Schritte in die Selbstständigkeit machen lassen hat. »Ich hab ihnen einen Zettel in die Hand gedrückt.«
Von den Älteren ganz zu schweigen. »Der Markt fehlt ihnen schmerzlich.« Denn sie sind oft auf kurze Wege in ihrem Wohnort angewiesen. Manche fühlen sich beim Autofahren - etwa zu den Supermärkten nach Dettingen oder Metzingen - nicht mehr sicher, andere sind wackelig auf den Beinen.
»Wir sind auf einem guten Weg. Unser gemeinsames Ziel ist die möglichst schnelle Wiederherstellung der Nahversorgung«
Auch ihnen wollen die Metzinger Stadtverwaltung und ihre Chefin im neuen Jahr einen leichteren Weg zu einem breiten Lebensmittel-Spektrum bahnen. »Erfreulicherweise ist es gelungen, bis zum Jahresende konkrete und vertiefende Gespräche mit Projektentwicklern zu führen.« Der »weiterhin gute Austausch mit den Investoren, das Einverständnis des Ortschaftsrates und des Gemeinderates sowie die Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage« sieht man indes als Voraussetzungen für den erfolgreichen Weg zum Ziel an.
Die Lage auf dem Nahkauf-Areal bleibt also vorerst weiter eine Hängepartie. »Es herrscht eine Unzufriedenheit und ein Gefühl von Machtlosigkeit«, sagt Monika Frischknecht, eine der »Aktion Noikauf«-Aktiven, »die Mühlen mahlen sehr langsam.« Marco Reichhardt ist froh darüber, in Glems zu wohnen. »Hier sind wir jetzt zufrieden.« Sichert doch der Tante-M-Laden im Rathaus die Nahversorgung der gut 1.000 Einwohner, auch Kunden aus anderen Kommunen fahren ihn immer wieder an. Hergezogen ist er dank der Initiative von OB Carmen Haberstroh. Schafft sie auch in Neuhausen den Durchbruch? (GEA)