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Riedericher Lehrschwimmbecken wird nicht umgebaut

Die Kosten für eine Sanierung des 1965 eröffneten Bades sind explodiert und können von der Gemeinde finanziell nicht mehr gestemmt werden. Gemeinderäte sprechen von einer Vernunftentscheidung mit Blick auf die vielen Pflichtaufgaben, die zu erledigen sind

So wird's wohl nie wieder sein: Das Riedericher Lehrschwimmbecken wird nicht saniert, weil die Kosten explodiert sind.
So wird's wohl nie wieder sein: Das Riedericher Lehrschwimmbecken wird nicht saniert, weil die Kosten explodiert sind. Foto: Kirsten Oechsner
So wird's wohl nie wieder sein: Das Riedericher Lehrschwimmbecken wird nicht saniert, weil die Kosten explodiert sind.
Foto: Kirsten Oechsner

RIEDERICH. Seit 23. April ist das Riedericher Lehrschwimmbecken wegen eines Fliesenschadens geschlossen, das 20-Meter-Becken wird sich auch nicht mehr mit Wasser füllen. Der Gemeinderat sprach sich bei der jüngsten Sitzung am Mittwoch mit einer Gegenstimme von Bettina Löffler gegen eine Sanierung aus. »Mir blutet das Herz«, erklärte Ulrich Sensbach. Er könne es aber nicht verantworten, dass sich die Gemeinde finanziell in die Enge treiben lasse. »Im 16. Jahr als Gemeinderätin habe ich mich noch nie so schwergetan mit einer Entscheidung«, erklärte Petra Bäuerle mit sichtlich bewegter Stimme. »Aber ich sehe, dass wir im Moment diese Investition nicht schaffen.«

Damit folgte sie mit 13 ihrer Ratskollegen der persönlichen Empfehlung von Tobias Pokrop: »Ich sage vom Herz ganz klar Ja, die Vernunft sagt aber Nein«, resümierte er. »Es ist gefährlich, eine solche Investition anzugehen, weil die Gemeinde dadurch in eine Schieflage geraten kann.« Zuvor hatte der Bürgermeister detailliert die Entwicklung des Projekts »Sanierung Lehrschwimmbeckens« und dessen steter Verteuerung aufgedröselt. Mit »Feuer und Flamme« habe man sich seit 2018 mit dem Thema beschäftigt, da das 1965 gebaute Lehrschwimmbecken in allen Bereichen längst nicht mehr den Standards entspricht und die Technik so marode ist, dass man kaum noch Firmen für eine Wartung findet. Die Gemeinde hatte bei einem Bundesprogramm einen Förderantrag gestellt und bekam als eine von 180 Gemeinden die Zusage: Mit 1,2 Millionen sollte die Sanierung unterstützt werden, laut einer Machbarkeitsstudie wurde der Umbau auf 4,3 Millionen Euro angesetzt. Im Rahmen einer Bürgerumfrage sprachen sich 87 Prozent für die Durchführung des Projekts aus. Groß war auch das Interesse an der Sitzung, rund 60 Bürger waren zur Sitzung ins Rathaus gekommen.

Zunächst war die Erweiterung des Beckens und die Einrichtung eines Nichtschwimmerbeckens angedacht, aus finanziellen Gründen wurde erstmals abgespeckt – die Rahmenbedingungen hatten sich durch den Ukraine-Krieg und die Verteuerungen im Bausektor erheblich geändert: Das zweite Becken wurde gestrichen, es sollte ein Kinderplanschbereich entstehen. Im Juni dieses Jahres erhielt das Büro Richter und Rausenberger nun den Auftrag, weitere Varianten zu untersuchen und die stellte Julia Leibiger am Dienstag vor: Zum einen soll das Becken auf 25 Meter erweitert werden, dazu wäre ein Anbau notwendig. Bei der zweiten Variante entfällt der, denn das Becken wird auf 16,66 Meter verkürzt.

Die Kostenschätzungen für die vier Varianten reichen von 8,1 bis 5,5 Millionen Euro – das sei, so Pokrop, realistisch gesehen finanziell nicht stemmbar. Als die Gemeinde ins Projekt Sanierung eingestiegen war, sollte die Sanierung mit zwei Millionen Euro Eigenkapital und den 1,2 Millionen Euro Fördermittel und einer Kreditaufnahme von einer Million Euro gestemmt werden. Dieser Rahmen sei laut Bürgermeister längst gesprengt, selbst bei den neuen und deutlich abgespeckten Varianten liege das Kreditvolumen bei 3,25 beziehungsweise 2,5 Millionen Euro. »Wir haben heute eine Nullverschuldung«, unterstrich Pokrop, die Verschuldung würde ad hoc auf 575 oder 747 Euro steigen. Angesichts der unsicheren politischen und wirtschaftlichen Lage, sinkender Gewerbesteuereinnahmen und einer langen Liste an Pflichtaufgaben sei die Sanierung seiner Ansicht nach nicht realisierbar: »Ein herzgesteuertes Ja ist mir zu riskant.«

Das sah auch Doris Hagemann so, ihr Herz schlage zwar für eine Sanierung. Aber: »Unsere Pflicht ist es, finanziellen Schaden von der Gemeinde abzuwenden.« Er könne mit dem Kopf nicht zustimmen, so schwer es ihm auch falle, erklärte André Brunkau: »Das Geld ist in die Schule und in die Kindergärten erst einmal besser investiert.« Für ihn sei als ehemaliger DLRG’ler eines klar gewesen, so Ulrich Büttel: »Das Bad muss erhalten werden.« Das könne er nicht mehr mittragen: »Man muss nach den Prioritäten schauen und die Pflichtaufgaben abzuarbeiten gehört dazu.« Bettina Löffler sah indes die Möglichkeit den über 25 Jahre hinweg zu erwartenden jährlichen Abmangel von etwa 380.000 Euro erwirtschaften zu können, indem die Grundsteuer-Hebesätze deutlich erhöht werden und ein Filet-Grundstück in der Industriestraße verkauft wird: »Ich sage Ja zur Sanierung, weil ich nicht mit guten Gewissens dagegen stimmen kann.«

Auch Gemeinderats-Neuling Marc-Michael Drexler hat die Finanzen im Blick, aber vielleicht würden sich die Rahmenbedingungen ja verbessern und dann könne man auf die Vorentwürfe zurückgreifen: »Das Nein ist nicht ein Nie-Wieder.« (GEA)