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Reutlinger Anwalt erklärt: So gibt's nach dem Tod keinen Streit

Der Tod eines nahen Angehörigen belastet die Hinterbliebenen. Fachanwalt Dr. Stefan Seyfarth gibt Tipps, wie sich ein Streit über die Güter von Verstorbenen vermeiden lässt, und nennt Beispiele für drohende Konflikte. Der Notar Friedrich Reisser spricht über gültige Testamente.

Jemand schreibt mit Tinte ein Testament. Das ist eine Möglichkeit, rechtssicher den Nachlass zu regeln.  FOTO: ADOBE STOCK
Jemand schreibt mit Tinte ein Testament. Das ist eine Möglichkeit, rechtssicher den Nachlass zu regeln. Foto: ADOBE STOCK
Jemand schreibt mit Tinte ein Testament. Das ist eine Möglichkeit, rechtssicher den Nachlass zu regeln.
Foto: ADOBE STOCK

REUTLINGEN. Wenn die Mutter oder der Vater stirbt, können alte Konflikte in der Familie wieder aufbrechen. Diese Erfahrung hat Dr. Stefan Seyfarth in seinem Berufsleben immer wieder gemacht. Darum rät der Fachanwalt für Erbrecht und zertifizierte Testamentsvollstrecker der Reutlinger Kanzlei Voelker & Partner den Vererbenden, sich im Vorfeld intensiv Gedanken zu machen und ein Testament aufzusetzen. So könnten sie einen mitunter langjährigen Streit zwischen den Nachkommen vermeiden. »Solange die Eltern noch leben, brechen die Konflikte in der Regel nicht offen aus. Wenn diese dann aber verstorben sind, kann das passieren«, sagt Seyfarth und ergänzt: »Dabei spielen oft auch die Schwiegerkinder eine Rolle.«

Seyfarth und seine Kollegen beraten einerseits Mandanten zur Testamentsgestaltung. Andererseits vertreten sie auch die Erbenden bei Streitfällen. Wobei Seyfarths Schwerpunkt die Beratung künftiger Erblasser ist.

»Wenn ich mit den Eltern spreche und sie berate, beschreiben mir die meisten, dass sie zu allen Kindern ein gutes Verhältnis haben.« Aber auch bei solchen »allerbesten Familienverhältnissen«, kann es zum Streit kommen. »Es ist zutiefst menschlich, dass Konflikte aufbrechen – und zwar nicht nur in Familien, in denen vorher schon vieles im Argen lag.«

Am einfachsten sei es, wenn es nur ein Kind gibt, das alles erbt. »Insbesondere in diesen Fällen geht es dann allerdings häufig um die Erbschaftssteuer. Übersteigt der Wert des Erbes des Kindes den Freibetrag von 400 000 Euro, kann Steuer fällig werden«, sagt Seyfarth und ordnet ein: »Bei der Entwicklung, die gerade die Immobilienwerte in der Vergangenheit genommen haben, ist das schnell der Fall.«

Wenn mehr als ein Kind erbt und eine Immobilie vorhanden ist, werde es problematisch. Seyfarth nennt ein Beispiel über abweichende Pläne der Erben: »Ein Kind will das Haus verkaufen, eines will es vermieten, das Dritte erst mal renovieren und das vierte Kind möchte selber dort einziehen.« So etwas komme besonders häufig dann vor, wenn die Verstorbenen kein Testament gemacht haben und alle Erben eine Erbengemeinschaft bilden. Die Erben müssen sich dann darüber verständigen, was mit dem Erbe geschehen soll. »Wenn es keine Einigung gibt, was mit einem Haus geschehen soll, kann es passieren, dass sich niemand mehr um das Haus und das Grundstück kümmert, sodass der Zustand immer schlechter wird.« Häufig gipfelt der Ärger unter den Beteiligten einer Erbengemeinschaft dann in einer Teilungsversteigerung. »Einer kann sie erzwingen. Dann wird das Haus wie bei einer Zwangsversteigerung versteigert.« Die anderen könnten das letztlich nicht verhindern. Wenn sie das Haus aber haben möchten, müssten sie mitsteigern.

Wenn in solchen Fällen das Haus verkauft und das Geld da sei, müsse das noch immer nicht heißen, dass dann automatisch Friede einkehre. »Manche streiten sich noch, wer mal der Mutter ein Darlehen gegeben hat oder den Eltern das Auto repariert hat und darum einen größeren Teil des Versteigerungserlöses bekommen müsse.«

Eine besonders ungünstige Situation kann die Erbengemeinschaft für den hinterbliebenen Ehepartner bedeuten. Stirbt zum Beispiel der Mann und die Witwe lebt weiter im Haus, müsste diese nicht nur eine Nutzungsentschädigung zahlen, sondern laufe auch Gefahr, dass eines ihrer Kinder die Teilungsversteigerung betreibt. Dann würde das Haus versteigert und sie müsste womöglich ausziehen – selbst wenn es zur Hälfte ihr gehört hat.

Eine Möglichkeit, solchen Streit zu verhindern, ist das sogenannte Berliner Testament. »Das bedeutet, dass der länger lebende Ehegatte zunächst Alleinerbe wird. Erst nach deren oder dessen Tod erben die Kinder.«

Schenkungen als Alternative

Auch für die Zeit nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten sollten sich die Eltern intensiv Gedanken machen. Dabei bilde die konkrete Zuteilung einzelner Vermögenswerte in den wenigsten Fällen eine taugliche Lösung. »Wenn es zum Beispiel drei Kinder gibt und alle drei vergleichbare Wohnungen erhalten sollen, ist es einfach.« Wenn aber beispielsweise eines von mehreren Kindern das Elternhaus bekomme, führe dies selbst bei einem wirtschaftlichen Ausgleich häufig zu Streit. »Kinder haben da ein sehr feines Gespür und empfinden das als Zurücksetzung«, sagt Seyfarth. Eine Lösung, um Konflikte zu vermeiden, bilde in diesen Fällen häufig die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, »jedenfalls dann, wenn sie ordentlich geregelt ist«. Dabei regele im besten Falle eine neutrale Person den Nachlass.

Eine weitere Möglichkeit, Streit zu vermeiden und auch Steuern zu sparen, seien Schenkungen – gerade wenn es um große Vermögen geht. »Dabei kann jeder Elternteil alle zehn Jahre bis zu 400 000 Euro steuerfrei an die Kinder verschenken.« Seyfarth rät generell dazu, sich anwaltlich beraten lassen. »Sie sollten die Weitergabe Ihres Vermögens sauber regeln.« Dies gelte sowohl für Testamente als auch für Schenkungen.

Seyfarth schätzt an seinem Beruf, dass es neben den juristischen Aspekten immer auch darum gehe, einen Beitrag zur Sicherung des Familienfriedens oder aber zur Lösung bereits schwelender Konflikte innerhalb der Familie zu leisten."

Eine Frage, die der Reutlinger Notar Friedrich Reisser immer stellt, ist: »Wissen Sie, wie die gesetzliche Erbfolge aussieht?« Damit sollten sich die Erblasser auseinandersetzen. Dann nämlich bekäme der Ehepartner die Hälfte und die Kinder die andere Hälfte. »So ist das, wenn es kein Testament gibt.« Auch der Notar rät dazu, den Nachlass zu regeln. »Ein Testament lässt sich handschriftlich formulieren. Wenn es dann unterschrieben ist, ist es voll wirksam«, sagt Reisser von der Kanzlei Notare am Bürgerpark. Bei Ehegatten reiche es, wenn einer schreibt und beide unterschreiben.

Eine Alternative sei ein Testament in einer notariellen Form. »Das ist auch bei zwei Unverheirateten möglich.« Reisser hat in seinem Berufsleben die Erfahrung gemacht, dass Bürger oft überfordert sind, wenn sie ein Testament gestalten sollen. Auch er spricht das Berliner Testament an, bei dem der länger lebende Ehegatte alles erbt: »Der kann das Testament später nicht mehr ändern.« (GEA)

SO GEHT’S WEITER

Die Reutlinger Eheleute Gudrun Mehlo und Joachim Gohr-Mehlo haben sich 1985 dafür entschieden, ohne eigenes Auto auszukommen. Was als Versuch begann, hat bis heute kein Ende gefunden. Denn die Reutlinger betrachten den Verzicht aufs Heilig’s Blechle als Gewinn: an Geld, Zeit, Fitness und Lebensqualität. www.gea.de/familienzeit