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Aktuell Kommunalpolitik

Reutlingen kreisfrei? Tübingen rückt in den Fokus

WANNWEIL. »Als ich vom Urlaub nach Hause kam, traf mich die Nachricht von einer möglichen Auskreisung Reutlingens wie ein Tritt von einem Pferd«, sagt Anette Rösch. Noch am Beginn dieser Woche, an ihrem ersten Arbeitstag, zeigte sich Wannweils Bürgermeisterin etwas fassungslos. Aber keineswegs sprachlos: »Wir hier in Wannweil sind ja jetzt schon in einer besonderen, nicht gerade guten Situation, am Rand zum Landkreises Tübingen, ohne andere selbstständige Gemeinden aus dem eigenen Kreis um uns herum.«

Die Kirche bleibt im Dorf, das ist sicher. Würde Reutlingen aus dem Landkreis Reutlingen rausgehen, wäre Wannweil – ebenso wie P
Die Kirche bleibt im Dorf, das ist sicher. Würde Reutlingen aus dem Landkreis Reutlingen rausgehen, wäre Wannweil – ebenso wie Pliezhausen und Walddorfhäslach – vom Rest-Kreis abgeschnitten. Foto: Norbert Leister
Die Kirche bleibt im Dorf, das ist sicher. Würde Reutlingen aus dem Landkreis Reutlingen rausgehen, wäre Wannweil – ebenso wie Pliezhausen und Walddorfhäslach – vom Rest-Kreis abgeschnitten.
Foto: Norbert Leister
Zwar grenzen der Reutlinger Stadtbezirk Betzingen und die selbstständige Kommune Wannweil fast direkt aneinander. Aber Betzingen ist nun mal Teil dieser Stadt Reutlingen und ist nicht unabhängig. »Für uns sind Kusterdingen und Kirchentellinsfurt außer Betzingen die nächsten Nachbarn«, beschreibt die Wannweiler Bürgermeisterin nicht allein die geografische Lage, sondern die Befindlichkeit der Wannweiler zwischen den Welten.

Genau aus diesem Grund gibt es ja auch bereits einige Kooperationen mit den Kommunen aus dem Tübinger Landkreis im Bereich Schule, Abwasser und Diakoniestation. Obwohl die Hürden über die Landkreisgrenzen hinweg nicht einfach zu nehmen waren, blieben Wannweil schlussendlich kaum andere Möglichkeiten.

»Die nächsten Nachbarn sind Kusterdingen und Kirchentellinsfurt«
Denn: Im Westen und Süden ist die Gemeinde umgeben von den Reutlinger Stadtteilen Degerschlacht und Betzingen sowie dem Industriegebiet Mark-West. Im Osten und Norden bilden Jettenburg, Kusterdingen und Kirchentellinsfurt einen Halbkreis um Wannweil – also Gemeinden im Kreis Tübingen.

Somit wäre Röschs Gemeinde bei einer Auskreisung Reutlingens vom Rest des verbleibenden Landkreises abgeschnitten. Die nächsten eigenständigen Gemeinden im Kreisgebiet Reutlingen, Pliezhausen und Walddorfhäslach, sind viel zu weit von Wannweil entfernt, um sinnvolle Kooperationen anzudenken.

»Wir sind hier in Wannweil ja schon sehr nach Reutlingen ausgerichtet«, sagt Anette Rösch. Würde es tatsächlich zu einer kreisfreien Stadt an der Achalm kommen, »wäre das für die Rest-Kommunen im Landkreis mit Sicherheit kein Vorteil«. Und Wannweil würde noch mehr an den Rand gedrängt. »Als kleine Gemeinde sind wir darauf angewiesen mit anderen zusammenzuarbeiten«, betont die Bürgermeisterin. »Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann müssten wir uns überlegen, ob eine Kreisreform nicht sinnvoll für uns wäre.«

Ob sie damit einen Wechsel in den Kreis Tübingen meint? »Wir sollten dann zumindest mal drüber nachdenken, ohne dass wir genau wüssten, wie solch ein Prozess vor sich gehen könnte«, betont Rösch.

Ob die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch mit ihrem Vorpreschen für eine kreisfreie Stadt nicht eine ganze Menge Porzellan bei den Gemeinden im Landkreis zerdeppert hat? »Nein«, sagt Anette Rösch. Der Gedanke an eine Auskreisung der großen Stadt sei »legitim«. Zumal, weil Bosch ja Städtetagspräsidentin sei. Dennoch hält Wannweils Bürgermeisterin nichts von der Umsetzung des Gedankens: »Da würden ja in vielen Bereichen Doppelstrukturen aufgebaut.« Unnütze Doppelstrukturen. »Ich glaube auch nicht, dass es heute für die Reutlinger Bürger eine Rolle spielt, ob sie in einer kreisfreien Stadt wohnen oder in einer nicht-kreisfreien.«

»Weshalb bislang bewährte Strukturen zerstören?«
Den Bereich der Finanzen sieht Anette Rösch nicht als Hauptargument gegen die Auskreisung: »Wenn vertraglich alles geregelt wäre, müsste eigentlich alles weiter funktionieren.« Der Landkreis würde zwar seinen größten Zahler verlieren, »die Reutlinger brauchen ja durch ihre vielen Einwohner auch viel Geld«.

Schwierig wäre, so Rösch, für den Rest-Landkreis aber dann wohl der Ausgleich »zwischen den Kommunen vor der Alb und auf der Alb. Weshalb sollte man also die bislang bewährten, gut austarierten und funktionierenden Strukturen zerstören? Die Zusammenarbeit klappt bisher doch hervorragend zwischen Stadt, Gemeinden und dem Landkreis«. (GEA)