BAD URACH. Ben Drysdale wusste genau, auf was er sich einlässt, als er am Samstag kurz vor 9 Uhr am Grünen Weg auftauchte: Der 24-jährige Londoner nahm in seiner Heimat bereits an zahlreichen Parkruns teil, in Bad Urach mischte er sich erstmals unter die Läufer und war gleich willkommen in der Runde der Sportler – auch wenn er niemanden kannte. Denn bei den Parkruns handelt es sich um eine weltweites Laufangebot, das immer nach demselben Prinzip funktioniert: Die Strecke geht über fünf Kilometer, Start ist auf der ganzen Welt samstags um 9 Uhr und mitlaufen kann jeder – ob sportlich ambitioniert, gemütlicher Freizeitläufer, Walker, Spaziergänger, ob ganz jung oder schon älter. Es gibt keine Grenzen.
Bei seiner Premiere sorgte der junge Brite, der seit Anfang Februar in Reutlingen als Au-pair arbeitet, jedenfalls für Aufsehen bei einem ganz besonderen Lauf: Der nunmehr zweihundertste Parkrun war’s. Als dritter lief Ben Drysdale über die Ziellinie, bejubelt von den Zuschauern und Helfern – Applaus gab’s übrigens immer für alle Mitlaufenden, Anerkennung und Respekt für die Leistung wurde allen gezollt. Beim Jubiläumslauf ganz vorne war Ahmad Bayram, der Michael Wetzel noch kurz vor Ende der fünf Kilometer überholt hatte. »Ich musste dem jüngeren den Vorrang lassen«, meinte der 41-jährige Spitzenläufer und -triathlet aus dem Ermstal. An den Bedingungen sei’s jedenfalls nicht gelegen, die seien perfekt und die Strecke wie immer nicht allzu schwer, aber dennoch anspruchsvoll.

Michael Wetzel nimmt regelmäßig am Bad Uracher Parkrun teil, als Trainingslauf sozusagen: »Es ist ein ganz guter Test bevor die Triathlon-Saison wieder losgeht.« Ultraläuferin Pamela Veith hat sich ebenso unter die Starter gemischt wie Bernd Weis, ein Mitläufer der ersten Stunde. Das gilt auch für das Ehepaar Traub aus Bad Urach, seit 2019 haben sie kaum einen Parkrun-Termin sausen lassen. Ob bei Schnee, Eis, Regen oder Kälte, sie seien fast immer dabei gewesen: »Wir waren auch schon nur zu dritt«, erinnert sich Werner Traub, der dieses Mal die Laufschuhe nicht geschürt hatte, sondern als Helfer mit dabei war. Anders Ehefrau Margret Linßen-Traub, die ein bekennender Parkrun-Fan ist: Man treffe viele nette Leute und starte gut in den Samstag. »Danach ist man richtig zufrieden.«
Wie viele Läufer tatsächlich mitmachen, sei laut Achim Braig jedes Mal eine Überraschung. Die Pakrun-Gemeinschaft sei eine lose ohne Verpflichtung und feste Bindung. Zum harten Läuferkern gehören in Bad Urach um die zehn Personen. Und wer sich wo auch immer auf dieser Welt registriert hat, kann unkompliziert bei einem örtlichen Parkrun mitmachen. So hatten sich unter anderem bereits Südafrikaner, Neuseeländer oder Holländer auf dem Grünen Weg unter die Läufer gemischt. Achim Braig, der die 2004 in Großbritannien initiierte Parkrun-Idee nach Bad Urach brachte und am 30. November 2019 zum ersten Lauf eingeladen hatte, erinnert sich an viele interessante Begegnungen. Einmal sei’s regelrecht über Eisplatten gegangen, mittendrin in der Gruppe ein Engländer. Und der habe über diesen Schneelauf später in seinem Podcast berichtet: »Wir hatten ein riesen Feedback«, erzählt Braig.
Prinzipiell heißt die Devise »Saftey First«. Trotz aller Unverbindlichkeit und Lässigkeit sind einige Regeln einzuhalten: Eine ausreichende Zahl an Helfern ist zu garantieren, ein Rennleiter zu benennen und inzwischen muss sogar ein Defibrillator vor Ort sein. Und dann sind da auch noch die Rituale, die auch in aller Welt eingehalten werden: Premieren-Mitläufer und solche, die die Strecke noch nicht kennen, werden in die Besonderheiten der Route eingewiesen. Vor dem Startschuss werden alle Teilnehmer begrüßt und abgefragt, wer von wo kommt. Unter den rund 60 Jubiläumsläufern waren Vertreter von Parkrun-Gruppen aus Esslingen, Ludwigsburg, Schwäbisch Hall und Kassel. Auch Sigrid Heistermann von der IGL Reutlingen hat sich unter die Mitläufer gemischt, die Werbung für den Jubiläumslauf habe sie dazu animiert: »Ich war schon einmal beim 99. Lauf mit dabei«, meint sie lachend.
Den Streckenrekord hält Markus Heinkel aus Dettingen mit 16:47 Minuten, der Sieger am Samstag brauchte 18:06 Minuten. Aber die Zeiten seien laut Achim Braig zweitrangig, es gehe um den Spaß und in gewissem Sinne auch um den gesundheitlichen Aspekt – das unterstrich auch Bürgermeister Elmar Rebmann bei seiner Jubiläums-Ansprache. Für den ein oder anderen Freizeitsportler sei der fixe Termin am Samstag laut Braig übrigens sehr wichtig: Dann hätten sie einen Grund, den inneren Schweinehund zu überwinden. (GEA)