WALDDORFHÄSLACH. Ursula Lembeck steckt das Buch in einen Metallrahmen. Danach öffnet sie eine Seite, schiebt das Blatt einer Excel Tabelle ins Buch und knickt sorgfältig nach Vorlage »Eselsohren« in die Seite, einmal, zweimal. Manchmal schneidet die Walddorfhäslacherin auch mit der Schere leicht und sehr genau in eine Seite hinein. Diese Technik wiederholt sie immer und immer wieder, bis sie das Buch durch hat. Und am Ende hat sie ein Orimoto-Kunstwerk geschaffen.
Orimoto? Origami kennt man, aber Orimoto? Nun, beide Techniken haben eines gemeinsam: das Falten. Bei Orimoto ist es aber allein das Falten von Büchern. Und hier kommt die zweite Besonderheit dazu: Orimoto ist im Gegensatz zu Origami keine japanische Erfindung. Diese Falttechnik geht auf zwei Deutsche zurück, auf Anja Schachtner aus Ingolstadt und vor allem auf Dominik Meißner aus Merzig. Von ihm stammt die erste Publikation über diese Technik, ein Buch mit dem Titel: »Wir lieben Papier«.
Power Point und Excel als Hilfen
In diesem Buch werden genau die unterschiedlichen Faltarten beschrieben, um Schriftzüge und Grafiken in die Sichtkanten eines Buches zu falten. Und dieses Buch von Meißner bekam Ursula Lembeck in die Hände, als Geschenk zum Geburtstag. Sie war sofort begeistert: »Das muss ich wissen, wie das geht. Das fasziniert mich.«
Und dann hat sie angefangen mit dem Falten. Zuerst besorgte sie sich Vorlagen von Dominik Meißner. Doch das wurde für sie »mit der Zeit zu teuer«. Jetzt gestaltet sie ihre Vorlagen selbst. Sie sucht sich ein Motiv aus, bearbeitet es mit Power Point und überträgt es in eine Excel-Tabelle. Am Rand der Tabelle stehen dann die Seitenzahlen des Buches. Das Blatt schiebt sie in jede aufgeschlagene Seite, die sie danach faltet.
»Das ist ein Geduldsspiel«, sagt Lembeck. Dieses Hobby eigne sich für sie besonders »bei schlechtem Wetter, wenn es regnet und man sonst nichts machen kann. Eine wirklich nette Beschäftigung«. Sie sitzt Stunden am Tisch und faltet und faltet. Oder sie schneidet sehr behutsam in die Seite, denn sie muss aufpassen, dass sie nicht schräg schneidet oder gar eine kleine Stelle heraustrennt, denn: »Es wird nichts weggeschnitten.« Und: »Man muss schon sehr genau arbeiten, sonst gibt es Wellen«, betont Lembeck.
Sechs bis sieben Stunden braucht Ursula Lembeck ungefähr, bis sie ein Buch durch hat. Dazu kommt dann noch die Zeit der Vorarbeit. Wenn sie fertig ist, gestaltet ihr Mann noch das Brett, auf dem ihr Buch aufgestellt wird.
Flohmarkt als Bücherquelle
Und fertig ist das Kunstwerk. So sieht man zum Beispiel auf der Vorderseite des Buches die Umrisse eines Fiat 500, ein Motiv, das sie für eine Pizzeria angefertigt hat. Oder ein Pfau mit seinem Federn hebt sich von den Seiten ab, übrigens ein Geschenk für eine Freundin. Oder man erkennt einen VfB Stuttgart-Schriftzug, den sie als eines der wenige Motive koloriert hat.
Und wie kommt sie an ihr Material? »Ein Flohmarkt ist ein dankbarer Ort für Bücher«, erzählt Lembeck. Oder sie sieht in der Zeitung ein Inserat mit »Bücher zu verschenken.« Oder Bekannte bringen die Bücher vorbei.
Aber nicht jedes Buch eignet sich für Orimoto. Es muss einen festen Einband (Hardcover) haben. Die Seitenzahl sollte, wie Lembeck erklärt, zwischen 400 und 600 liegen, »je nach Größe des Motivs«. Das Buch mit dem VfB-Logo hat sogar 720 Seiten.
Ideales Hochzeitsgeschenk
Mit der Zeit hat sie ihre Technik »verfeinert und verbessert«. Aber es kommt auch schon mal vor, dass sie ein Motiv »dreimal macht, bis es mir gefällt«. Denn, »ich verschenke kein Buch, wenn es mir nicht gefällt.« Und manchmal hört sie dabei auch auf ihren Mann. »Er ist mein größter Kritiker«, sagt sie und schmunzelt.
Seit acht Jahren geht sie bereits ihrem Hobby nach. Und es soll genau das auch bleiben: ein Hobby. Manchmal erhält sie etwas Geld, das in erster Linie die Unkosten abdeckt, aber es soll »kein Geschäft werden«. Oft sind die Orimoto-Bücher auch ein ideales Geschenk für eine Hochzeit oder für einen Geburtstag. (GEA)


