METZINGEN-NEUHAUSEN. Monika Frischknecht verschwindet fast hinter ihren Weideruten. Sorgfältig und mit der richtigen Portion Kraft flechtet sie die nächste Reihe für einen Weidekorb. Langsam wächst er in die Höhe. Monika Frischknecht ist die einzige Korbmachermeisterin im Reutlinger Landkreis. Die Neuhäuserin ist somit die einzige, die hier mit ihrer Manufaktur für Weidengeflechte eine jahrhundertealte Tradition am Leben hält.
Dafür hat sie 2002 den Bayerischen Staatspreis verliehen bekommen. Aber Frischknecht hält nicht an der Vergangenheit fest, sie möchte sich auch kreativ ausprobieren. Mit einem Innovationspreis der Industrie- und Handelskammer und der Kreissparkasse wurde sie für einen Sarg ausgezeichnet, den sie gemeinsam mit einem Zimmerer angefertigt hat. Bewusst ganz nachhaltig - ohne Lack, Leim oder Metall. Regelmäßig verschönert sie Urnen mit ihren Flechtungen, die in Friedwäldern ihre letzte Ruhe finden. Die Urnen müssen aus organischen Materialien sein, meist sind sie aus Maisstärke, und optisch, wie die 57-Jährige meint, nicht so ansprechend.
Ihre Weiden pflanzt Frischknecht überwiegend selbst an. Die Farbpalette reicht von rot, violett, grün über braun bis zu fast schwarz. Das liegt sowohl an der Weideart als auch an der Jahreszeit. Frischknecht verwendet sowohl ungeschälte als auch geschälte Weide. In den Sommermonaten flechtet sie im Freien, sonst in einer Werkstatt eines Freunds in Dettingen. Nicht nur das Material ist vielseitiger einsetzbar, als man es auf den ersten Blick vermuten könnte, es gibt auch unterschiedlichste Flechttechniken. Denn das Flechten ist eine Tradition, die bereits in der Steinzeit praktiziert wurde und zwar weltweit.
Interesse für Tradition
Bis die Weidenrute verarbeitet werden kann, geht einige Zeit ins Land. Die Ruten werden im Winter, in der Saftruhe, geschnitten und gebündelt und danach über ein Jahr lang getrocknet. Frischknecht sortiert sie nach Länge und Stärke. Vor der Verarbeitung werden die Ruten mehrere Wochen lang in Wasser gelegt. Den Geruch der Gerbsäure kann man an den Fingern zu riechen. »Die Weidenrinde kann man zum Beispiel als Mittel gegen Kopfläuse einsetzen«, sagt Frischknecht. Zeit ist auch bei der Verarbeitung ein wichtiger Faktor. »Ich kann einen Korb nicht wochenlang liegen lassen. Die Weidenruten werden je nach Jahreszeit schon nach ein paar Tagen zu trocken. Sie sind schließlich ein lebendiger Rohstoff.« In ihrer Arbeit kommen neben den Händen auch Werkzeuge wie das Schlageisen, mit dem das Geflecht dicht stabilisiert wird, Messer und der Pfriem, mit dem das Flechtwerk auf dem Brett fixiert wird, zum Einsatz.
Ursprünglich wollte Frischknecht Schreinerin werden, begann dann aber eine Ausbildung als Floristin, die sie wegen einer Allergie gegen Spritzmittel abbrechen musste. Acht Monate lang arbeitete sie für den Metzinger Korbmacher Walter Keyser. »Er war in meiner Kindheit eine Instanz. Bei ihm im Laden gab es auch Spielwaren und Scherzartikel wie Stinkbomben«, sagt die 57-Jährige. Keyser riet ihr zunächst vom Beruf ab. Seine Worte: »Lern was Gescheites, womit Du Geld verdienst.«
12 Jahre lang arbeitete Frischknecht zunächst im kaufmännischen Bereich. Der Wunsch aus ihrer Leidenschaft zum Korbflechten einen Beruf zu machen, blieb. »Jedes Jahr habe ich gedacht, ich muss was verändern«, sagt sie. Mit 29 Jahren wagte sie es schließlich. Sie begann ihre Ausbildung bei Keyser. Ihren Meister machte sie an der Korbfachschule in Lichtenfels.
Frischknechts Portfolio ist breit gefächert: Einkaufs- und Brotkörbe, Kinderschaukelkörbe, Rucksäcke oder Umhängetaschen und noch einiges mehr. Alles aus Weideruten. Der traditionelle Kirschen-Erntekorb, der vor etwa 150 Jahren im Ermstal zum Standard eines Obstbauers gehörte, sieht nicht nur besonders aus, er erfüllt auch seinen praktischen Zweck. Der Korb wird am Gürtel befestigt. Somit hat der Kirschpflücker die Hände frei. Die Körbe haben eine ergonomische Form, sind also tragefreundlich gebogen, dass sie direkt am Körper anliegen, und mit handgefertigten Lederriemen eines Sattlers versehen.
Die Neuhäuserin stellt jedoch nicht nur Eigenkreationen her, sie repariert unter anderem auch alte Stühle. Bei ihren Reparaturen hat sie mit unterschiedlichen Materialien von Peddigrohr bis Papierschnur zu tun.»Manche von ihnen haben einen Wert von mehreren hundert Euro. Viele sind auch Erbstücke, die die Kunden sehr wertschätzen.«
Das Wissen über eine jahrhundertealte Tradition soll erhalten bleiben. Folglich bietet Frischknecht unterschiedliche Flechtkurse an. Dekoartikel, Flechtstehlen oder Rankgerüste können auch Laien selber herstellen. In letzter Zeit sei das Interesse sogar gestiegen. Von jungen Leuten bis zu Rentnern. (GEA)