TÜBINGEN/BAD URACH. Nicht mal einen Kaugummi habe er in Deutschland geklaut. Der vermeintliche Drahtzieher einer Räuberbande aus dem Kosovo beteuerte seine Unschuld, nachdem er sich bisher im Prozess vor der zweiten großen Strafkammer am Landgericht Tübingen in Schweigen gehüllt hatte. Die rege Reisetätigkeit seiner Komplizen von und nach Deutschland sei dem Im- und Export mit Gebrauchtwagen geschuldet, sagte der 29-Jährige, der in der Jugendvollzugsanstalt Tübingen in Untersuchungshaft sitzt.
Ihm und seinen vier Landsleuten wird vorgeworfen, im Herbst vergangenen Jahres in 30 Wohnhäuser im Raum Reutlingen und Tübingen eingebrochen zu haben. Gewaltsam hebelte das Quintett Terrassen- oder Haustüren auf und entwendete Schmuck und Bargeld im Wert von rund 160.000 Euro.
»Ich habe damit nichts zu tun«, ließ der frühere Chef einer Trockenbaufirma in Bad Urach den Dolmetscher übersetzen. Er sei zu einhundert Prozent unschuldig. Das gelte auch für die anderen Männer, die alle um die 30 Jahre alt sind und in verschiedenen JVAs einsitzen. Sie seien lediglich nach Deutschland gekommen, um in seiner Autowerkstatt zu helfen und aufbereitete Fahrzeuge in den Kosovo zu überführen.
Richter und Staatsanwalt sehen das anders. Er soll seine Mittäter aus der Heimat eingeflogen, vom Flughafen abgeholt und so eine schlagkräftige Einbrecherbande zusammengestellt haben. Seine Trockenbaufirma habe ihm die Möglichkeit eröffnet, Objekte auszuspähen. Er soll zudem Fahrzeuge und Handys besorgt und die Männer im Hotel in Bad Urach untergebracht haben.
Die Hotelbetreiberin im Zeugenstand stammt aus Estland und spricht ebenfalls nur gebrochen Deutsch, sodass ihre Aussagen schwerlich zu verstehen sind. Anders als in früheren Vernehmungen war sie vor Gericht darauf bedacht, den Rädelsführer nicht zu belasten. Dass er ihr eingeschärft hatte, »mit diesen Leuten nichts zu tun zu haben«, wollte sie plötzlich nicht mehr gehört haben - anders als in früheren Vernehmungen. Auch sonst war alles sehr lange her (ein halbes Jahr): Wer bezahlte die Hotelrechnung, wer nahm die Zimmerschlüssel entgegen, wer lieferte die Männer vor dem Hotel ab? Die Dame vermied jede konkrete Aussage und konnte sich im Zweifelsfall an nichts erinnern.
Schriftliche Abrechnungen hatte sie nicht, außer einer Pauschalrechnung über 1.100 Euro für 30 Tage, die sie aber nur für ihre eigene Buchführung erstellt und der Polizei nach Aufforderung übergeben habe. Der Frau fehlte komplett der Überblick, wann wer bei ihr übernachtete und generell ohne Frühstück aus dem Haus ging. »Das war alles ganz ganz komisch.« Nach den Festnahmen sei auch noch die Ehefrau des Drahtziehers vorbeigekommen und habe ihr verdeutlichen wollen, was ihr Mann für ein guter Mensch sei.
Die Arbeitskollegin des guten Menschen, eine entfernte Verwandte, führt die Trockenbaufirma unter neuem Namen weiter, nachdem am Tag der Festnahme sämtliche Konten gesperrt wurden. Die Firma sei sehr gut gelaufen und tue das weiterhin. Als Buchhalterin koordiniert sie Großaufträge in der Umgebung. Der Angeklagte habe stets auf der Baustelle mitgearbeitet, ebenso drei der vier Mitangeklagten. Von einer Autowerkstatt, wie sie der Drahtzieher beschrieben hatte, wusste sie nichts. Wohl aber von einem Lagerraum, in dem eine Art Reifenhandel betrieben und teilweise an Autos geschraubt wurde - mehr nicht.
Denn die Männer hatten laut Staatsanwalt anderes zu tun. Mal schlugen sie in Urach zu, mal in Mössingen, Rottenburg oder Reutlingen. Einer der Täter legte gleich am ersten Prozesstag ein Geständnis ab, nachdem Richter Christoph Kalkschmid der ganzen Bande erklärt hatte, dass nur ein Geständnis zu einem frühen Zeitpunkt eine gewichtige Strafminderung zur Folge haben könne.
Die Einbruchserie dauerte vier Monate. Im Dezember 2024 flog die Bande auf. Die Details dieser Einbrüche sind Gegenstand von zehn Sitzungen, in denen die zweite große Strafkammer am Landgericht die Taten aufrollt. Ein Urteil fällt voraussichtlich am 14. August.

