METZINGEN. Seit 18 Jahren ist Frank Jaenke Pilot eines Rettungshubschraubers. Fast 10.000 Flugstunden sind in seinem Logbuch vermerkt. Sein Arbeitsplatz ist Pattonville bei Stuttgart, wo Christoph 51 von der DRF Luftrettung stationiert ist. Zu Hause ist der 51 Jahre alte Pilot im Metzinger Stadtteil Neuhausen.
Frank Jaenke wollte schon immer Pilot werden. Nach der Schule absolvierte er seinen Zivildienst im Rettungsdienst Calw im Schwarzwald. Im Anschluss blieb er dort zunächst einmal hängen, wie er selber sagt, absolvierte die Ausbildung zum Rettungsassistenten und lernte den bodengebundenen Rettungsdienst kennen. An seinem Berufsziel Berufspilot zu werden, hielt er fest, machte sich im wahrsten Sinne des Wortes auf zu neuen Ufern und absolvierte eine Ausbildung an der US-Westküste.
Ferngasleitungen überprüft
Erste Erfahrungen sammelte er im Anschluss als Fluglehrer, unter anderem auf Hawaii. Zurück in Deutschland führte kein Weg an der Umschulung auf den deutschen Pilotenschein vorbei. »Immerhin sind nur sieben der 14 damaligen Theoriefächer angeprüft worden«, erinnert sich der gebürtige Schwabe. Was folgten waren sogenannte Kameraflüge für zumeist private Fernsehsender. Gedreht wurden unter anderem Sequenzen für Serien wie »Alarm für Cobra 11.« Der nächste berufliche Schritt war die Arbeitsfliegerei. Mit dem Helikopter hat Frank Jaenke vor allem Ferngasleitungen überprüft. Das klingt zwar nicht sonderlich spannend, war aber letztlich das Ticket für die Luftrettung. »In dieser Zeit habe ich unheimlich viel gelernt«, so der Pilot. Im Jahr 2006 erfolgte letztlich der Wechsel zur DRF Luftrettung. Rund 4.500 Flugstunden konnte er zu diesem Zeitpunkt vorweisen. Inzwischen stehen mehr als 9.800 Stunden in seinem Logbuch. Tätig gewesen ist er seither in Zwickau, Göttingen und Villingen-Schwenningen. Seit 2016 ist er nunmehr an der Station in Stuttgart.
Wobei das mit Stuttgart so eine Sache ist. Die Zufahrt zur Luftrettungsstation befindet sich auf Gemarkung Kornwestheim im Landkreis Ludwigsburg. Die Hasen, die mit den Mährobotern scheinbar um die Wette hüpfen wollen, befinden sich dann aber auf Gemarkung der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Der Name Pattonville wiederum weist auf die ehemalige Liegenschaft der amerikanischen Streitkräfte hin, die – wie kann es anders sein, wieder im Landkreis Ludwigsburg liegt.
Wie dem auch sei. Disponiert wird der rot-weiße Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber von der Leitstelle Ludwigsburg. Der Einsatzradius für Primäreinsätze beträgt rund 60 Kilometer und reicht im Norden bis Osterburken im Odenwald, im Westen bis Karlsruhe, im Osten bis nach Schwäbisch Hall und im Süden bis auf die Schwäbische Alb bei Münsingen. Diese Ziele werden nach der Alarmierung in maximal 15 Minuten erreicht. Christoph 51 ist ein Intensivtransporthubschrauber. Das beschert ihm unter anderem Verlegungsflüge bis ins sächsische Kreischa, südlich von Dresden. Rund 40 Prozent der Einsätze sind für das Team planbar, bei den restlichen 60 Prozent handelt es sich um Primäreinsätze.
Umkreis von 100 Kilometer
Der in Stuttgart stationierte Hubschrauber der DRF Luftrettung leistete im vergangenen Jahr 1.010 Einsätze, davon 637 in der Notfallrettung und 373 zum Transport kritisch kranker oder verletzter Patienten zwischen Kliniken. Im Jahr 2022 wurde Christoph 51 insgesamt 1.152-mal alarmiert. Zur Ausrüstung des Rettungshubschraubers gehören seit Oktober 2021 Blutprodukte samt der zur Transfusion notwendigen Ausrüstung. Damit ist die Crew in der Lage, Unfallopfer in einem Umkreis von 100 Kilometer innerhalb von 30 Minuten mit Blutprodukten zu versorgen.
Christoph 51 ist als erstes Luftrettungsmittel in Deutschland seit Kurzem mit einem Messgerät zum Erkennen von Hirnblutungen ausgestattet. Das innovative Verfahren, das von einem Forscherteam um Professor Dr. Christian Förch, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie im RKH Klinikum Ludwigsburg, entwickelt wurde, basiert auf einem Protein-Bluttest. Nach einer ersten erfolgreichen klinischen Studie sollen im Rahmen eines Versuchs auf dem Hubschrauber weitere Erfahrungen gesammelt werden, um den Nutzen im Rettungsdienst nachzuweisen.
Der große Vorteil des Rettungshubschraubers ist der Faktor Zeit. Staus und kurvenreiche Straßen mit Steigungen und Gefälle gibt es nicht. Luftlinie ist nun mal der kürzeste Weg. Und das mit einem Tempo von bis zu 250 Kilometer pro Stunde. Grenzen sind der Crew aber trotzdem gesetzt. Da sind zunächst einmal die Widrigkeiten des Wetters, wie Nebel, niedere Wolken und überfrierende Feuchtigkeit. Was Blitzeis fürs Auto, sind vereiste Rotorblätter oder die Scheiben beim Hubschrauber. Das Auto rutscht in den Graben, die Heli ist nicht mehr flugfähig. Im Hochsommer ist die Hubschrauber-Welt auch nicht stets Quell eitler Freude: In Ermangelung einer Klimaanlage ist die Temperatur im Cockpit in der Regel gut und gerne zehn Grad höher als die Umgebung. »40 Grad mit Helm auf dem Kopf und langen Hosen sind extrem anstrengend«, so der 51-Jährige.
Das Thema Nachtflug ist ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Thema: Im Gegensatz zu Verkehrsmaschinen fliegen Rettungshubschrauber nach wie vor auf Sicht! Mit Wind kommt Christoph 51 dagegen grundsätzlich ganz gut klar. Bis zu einer Windgeschwindigkeit von 50 Knoten hat Airbus den H 145 zugelassen, was rund 90 Kilometer pro Stunde entspricht. Was freilich nicht heißen mag, dass Fliegen bei diesen Verhältnissen Spaß macht. »Das ist ein sehr unangenehmes Auf und Ab«, vermeldet Notfallsanitäter und HEMS-TC (Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member) Patrick Bierherr über den Bordfunk. Obwohl die Böen »nur« circa 30 Knoten erreichen, wird die rund 3,7 Tonnen schwere Maschine durchgerüttelt, wie ein kleines Segelboot im Skagerrak bei Windstärke zehn. Ein schonender Patiententransport wird da durchaus zur Herausforderung. Glücklicherweise sind solche Extrembedingungen aber die Ausnahme. Bei normalen Verhältnissen spielt der Helikopter seine großen Vorteile aus: Schnell, direkt und patientenschonend.
Bis zu 15 Stunden am Tag
Für Pilot und Notfallsanitäter/HEMS-TC gelten zudem strikte Zeiten. Die maximale Arbeitszeit pro Tag beträgt 15 Stunden und 30 Minuten. Zudem kommt eine Flugdienstzeit, die vergleichbar ist, mit denen von Lastwagenfahrern. Die beträgt 10 Stunden und sollte nicht überschritten werden. Wie beim Lkw werden sie im Hubschrauber digital erfasst und können vom Luftfahrtbundesamt jederzeit ausgelesen worden. »Das Zeitfenster muss man an den langen Tagen vor allem im Sommer immer im Blick haben«, erklärt Jaenke. Im Winter arbeitet der Pilot in der Regel sieben Tage am Stück. Im Sommer sind es maximal vier Tage am Stück. Unterm Strich kommen so rund 13 bis 16 Tage Dienst pro Monat zusammen.
Für einen reibungslosen Betrieb sorgen am Standort Stuttgart drei Piloten, fünf Notfallsanitäter/HEMS-TC und elf Notärzte. (GEA)