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Aktuell Jubiläum

Metzinger Unternehmen Hugo Boss ist 100: Von der drohenden Pleite zu Weltruf

Am 2. Januar 1924 war das Unternehmen gegründet worden. Erfolgsbringer Uwe Holy erzählt, wie es, knapp vor der Pleite stehend, zu Weltruf kam.

Blick in die Produktion von Hugo Boss in der Kanalstraße 6 im Jahr 1938.
Blick in die Produktion von Hugo Boss in der Kanalstraße 6 im Jahr 1938. Foto: Stadtarchiv Metzingen
Blick in die Produktion von Hugo Boss in der Kanalstraße 6 im Jahr 1938.
Foto: Stadtarchiv Metzingen

METZINGEN. Naomi Campbell trägt Kostüme von Hugo Boss, David Beckham Anzüge, früher hatte auch Don Johnson in »Miami Vice« welche an, im Weiß der Achtziger. Das Mode-Unternehmen aus Metzingen ist weltweit bekannt und erfolgreich. Das war nicht immer so. Vor 100 Jahren wurde es gegründet, am 2. Januar 1924. Am 19. Juli wird das Jubiläum gefeiert - aber nur intern.

Die Anfänge

Betriebsgründer Hugo Ferdinand Boss wurde am 8. Juli 1885 in Metzingen geboren. Seine Eltern betrieben ein Wäsche- und Aussteuergeschäft. Er besuchte die Realschule, verließ sie nach vier Jahren ohne Abschluss und begann eine dreijährige kaufmännische Ausbildung in Urach. Auch die Lehre beendete er ohne Abschluss. Anschließend arbeitete er zwei Jahre bei einer Metzinger Weberei. 1908 übernahm Hugo Boss das Geschäft seiner Eltern, im gleichen Jahr heiratete er. Am Ersten Weltkrieg nahm er von 1914 bis 1918 als Obergefreiter teil.

Nach dem Krieg stand Boss wie viel Geschäftsleute auf Grund der Hyperinflation 1923 vor großen Problemen. Daher wechselte er vom Verkauf zur Produktion und gründete mit Hilfe zweier Metzinger Gesellschafter im Januar 1924 eine Kleiderfabrik. Das Unternehmen startete mit zehn Nähmaschinen und beschäftigte in der Anfangszeit 20 bis 30 Näherinnen. Die Firma produzierte Windjacken, Wäsche und Oberhemden, später auch Arbeitskleidung, Sportartikel und Regenmäntel.

Das dunkle Kapitel

Während der Weltwirtschaftskrise ab 1929, die sich in Deutschland besonders verheerend auswirkte, ging es der Firma immer schlechter. 1931 stand Boss vor dem Konkurs, doch ihm gelang ein Vergleich mit seinen Gläubigern. In diesem Jahr trat er in die NSDAP ein und später in andere NS-Organisationen. »Sein Eintritt in die Partei hatte wohl neben ideologischer Nähe vor allem wirtschaftliche Gründe«, sagt Rudolf Renz vom Arbeitskreis Stadtgeschichte, der zur Boss-Firmengeschichte vertieft recherchiert hat, »denn jetzt bekam er Aufträge über die Produktion von Braunhemden für die Partei und deren Organisationen.«

Uwe Holy, einer der Erfolgsbringer der Hugo Boss AG, bei der Eröffnung des Boss-Museums.
Uwe Holy, einer der Erfolgsbringer der Hugo Boss AG, bei der Eröffnung des Boss-Museums. Foto: Outletcity Metzingen AG
Uwe Holy, einer der Erfolgsbringer der Hugo Boss AG, bei der Eröffnung des Boss-Museums.
Foto: Outletcity Metzingen AG

Ab 1933 profitierte die Firma vom allgemeinen Wirtschaftsaufschwung, der weitgehend von der Rüstungskonjunktur getragen wurde. 1938 zählte Hugo Boss in der Uniformindustrie zu den Großbetrieben, die Firma produzierte in dieser Zeit allerdings nicht nur Uniformen. 1944 erreichte sie die höchste Beschäftigungszahl von 330 Mitarbeitern. Von 1940 bis Kriegsende arbeiteten 140 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Firma, ein halbes Jahr lang auch 40 französische Kriegsgefangene. »Sie wurden den Umständen entsprechend ordentlich, wenn auch eintönig und knapp ernährt«, wertet Renz.

Im Oktober 1945 gab Hugo Ferdinand Boss aus gesundheitlichen Gründen die Geschäftsführung an seinen Sohn Siegfried ab. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er 1946 als »Belasteter« eingestuft. Nach dem Revisionsverfahren stufte ihn jedoch die Spruchkammer im März 1948 nur noch als »Mitläufer« ein. Wenige Monate später, am 9. August 1948 starb er.

Im Juni 2000 ist die Hugo Boss AG der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft zur Entschädigung der Zwangsarbeiter beigetreten.

Weltweiter Aufschwung

Entscheidend an der Wende von der Ende der 1960er-Jahre erneut drohenden Pleite zum weltweiten Aufschwung des Unternehmens beteiligt waren die Brüder Uwe und Jochen Holy, Enkel des Gründers Hugo Boss. Die beiden hatten gerade in München fertigstudiert, als sie ein Hilferuf aus der Heimat ereilte. »Wenn du jetzt nicht kommst, fährt die Firma an die Wand«, gibt Uwe Holy ihn wieder. Der Diplom-Kaufmann und Betriebswirt, der schon als kleiner Bub gebügelt und parallel zum Studium bei dem Modegeschäften Haux in Reutlingen und Breuninger in Stuttgart »Klamotten verkauft« hatte, stieß in Metzingen auf ein Familienunternehmen, das sich mit der Produktion von Konfi-Anzügen so gerade über Wasser hielt.

Zusammen mit seinem Bruder Jochen, der Anfang 2020 verstorben ist, übernahm er 1967 den Betrieb von ihrem Vater Eugen Holy. Sie schafften den Turnaround. Mit Zwölfstundentagen, an denen Uwe Holy von Leonberg, wo er mit seiner Frau damals lebte, um 5 Uhr losgefahren und um 20 Uhr dorthin zurückgekehrt ist. Viel Fleiß und zündende neue Ideen haben den Unternehmens-Erfolg gebracht, freilich auch einige Neider: etwa aus dem regionalen Einzelhandel, der mit dem 1972 gegründeten Boss-Fabrikverkauf am Stammsitz in der Kanalstraße 6 teilweise nicht klar kam.

»Wir haben überlegt, wie kann es weitergehen?«, blickt Uwe Holy auf die prekäre Boss-Zeit zurück. Antwort: »Wir müssen vom Einzelhandel unabhängiger werden.« Also ging man direkt an die Kunden heran, verkaufte ihnen im Backsteinbau in der Kanalstraße Anzüge und mehr zum günstigen Preis. Es war die Keimzelle der späteren Outletcity Metzingen, die maßgeblich der frühere Boss-Angestellte Wolfgang Bauer vorangetrieben hat.

Zweites Erfolgsrezept der Holy-Brüder für Boss: Sie ließen Kontakte spielen. »Mein Bruder war ein guter Kommunikator. Er hat Verbindungen zu wichtigen Leuten gesucht«, sagt Uwe Holy. Gesucht und gefunden. Zu Formel-1-Star Niki Lauda genauso wie zum damaligen deutschen Vorzeigegolfer Bernhard Langer und zur PR-Abteilung von Mercedes-Benz. Derart vernetzt, drehte sich die Spirale um Hugo Boss aufwärts, wenn auch nicht in allen Unternehmensjahren.

1985 ging Boss an die Börse, am 20. Dezember wurde die Aktie erstnotiert. »Es war richtig, dass die Firma unabhängig von der Familie wurde«, betont der mittlerweile 84-jährige, geistig hellwache und körperlich vitale Uwe Holy, dessen Mutter eine geborene Boss war. Die AG konnte mehr Geld generieren. Unter dem 2021 eingetretenen Vorstandsvorsitzenden Daniel Grieder steht sie derzeit erfolgreich da. »Ich freue mich, dass es der Hugo Boss AG heute so gut geht«, sagt Uwe Holy im Gespräch mit dem GEA.

Die Bedeutung für die Stadt

»Die Entwicklung der Stadt Metzingen ist eng verbunden mit der Entwicklung der Hugo Boss AG«, würdigt Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh den größten Arbeitgeber der Stadt. Über 2.500 Jobs und Ausbildungsplätze für alle Bevölkerungsgruppen bietet das Unternehmen in Metzingen; regionweit, also zusammen mit den Firmenstandorten Bad Urach, Filderstadt und Wendlingen zählt Boss 4.000 Mitarbeiter.

Wer bei Boss arbeitet, bringt auch Kaufkraft in die Stadt. »Daneben profitieren wir über die Gewerbesteuereinnahmen mittelbar am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens«, wertschätzt Haberstroh. »Diesen Einnahmen haben wir es unter anderem zu verdanken, dass wir viel dafür tun konnten, dass der Wohn- und Arbeitsstandort Metzingen attraktiv ist und bleibt.« Trotz einer vom Gemeinderat beschlossenen mehrstufigen Gewerbesteuererhöhung 2024/25 hält Boss seinem Stammsitz die Treue.

Mit der 2023 eröffneten Kita »Little Boss Times« mit 50 Betreuungsplätzen trägt die Hugo Boss AG selbst zu attraktiven Rahmenbed
Mit der 2023 eröffneten Kita »Little Boss Times« mit 50 Betreuungsplätzen trägt die Hugo Boss AG selbst zu attraktiven Rahmenbedingungen in Metzingen bei. Foto: Frank Pieth
Mit der 2023 eröffneten Kita »Little Boss Times« mit 50 Betreuungsplätzen trägt die Hugo Boss AG selbst zu attraktiven Rahmenbedingungen in Metzingen bei.
Foto: Frank Pieth

Und hat dort auch selbst in die Rahmenbedingungen investiert: ab 2006 durch die Mitfinanzierung der Kita im Park beim Altenzentrum des Evangelischen Diakonissenrings, die überwiegend mit Kindern von Betriebsbeschäftigten belegt war; seit April 2023 mit der eigenen Betriebs-Kita »Little Boss Times« mit 50 Betreuungsplätzen auf dem Firmencampus - die von städtischen Erzieherinnen und Erziehern geleitet wird.

Der Global Player betont die von der OB genannten Akzente im Stadtgeschehen ganz ähnlich. "Man kann sicher sagen, Hugo Boss hat einen Anschub für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt gegeben", sagt Sprecherin Carolin Westermann. Sie streicht aber auch den Glamourfaktor heraus, den Boss in die Kelternstadt gebracht habe: "Schon seit Jahrzehnten bringen wir prominente Gäste nach Metzingen: zuletzt Ex-Fußballstar David Beckham und Model Naomi Campbell, früher die boxenden Klitschko-Brüder.

Die Feier

Mit einer Party für die Belegschaft feiert die Hugo Boss AG ihr großes Jubiläum, nicht aber öffentlich. Am Freitag, 19. Juli, wird auf dem Firmen-Campus bei Livemusik und Leckerem viel Zeit zum Tanzen und für den Austausch sein. Auch zwischen den Boss-Generationen: Mitarbeiter von heute können mit Uwe Holy ins Gespräch kommen. Das Motto der Feier heißt »Miami Vice« und erinnert an die ersten Filmausstattungen mit der Marke Boss in den 80ern. Talkmaster Kai Pflaume ist ebenso zu dem lockeren Come-Together eingeladen wie OB Haberstroh. Große Festreden werden nicht geschwungen, aber ein paar feierliche Worte von Vorstandschef Daniel Grieder gehören natürlich dazu. (GEA)