METZINGEN. Jeden Tag laufen tausende Passanten an dem Grundstück vorbei: Menschen aus Metzingen oder Outletbesucher, die vom Bahnhof kommen und zu ihrer Wunschmarke wollen. »Was passiert hier eigentlich?«, fragen sich viele kurz vor dem Marktplatz. Dort erinnert nur noch ein kleiner Haufen Schutt an das einstige denkmalgeschützte Haus von 1680, in dem lange die Weinstube »Zum Rad« residierte, zuletzt das vietnamesische Restaurant Michio Gäste empfing und im Obergeschoss immer schon Wohnungen waren.
Ende November 2024 wurde das alte Gebäude, dessen Wände teilweise noch aus Lehm und Stroh bestanden, bei einem Brand schwer beschädigt. So schwer, dass es im Februar seinen Denkmalschutz-Status verlor: Zu viel historische Bausubstanz war dem Feuer zum Opfer gefallen. Der Schaden lag im niedrigen einstelligen Millionen-Bereich. Bei der Ursache gingen die Ermittler von einem technischen Defekt aus.
Eigentümerin: »Abbruch hat in der Seele weh getan«
Die Eigentümerin, die Immobilien- und Automaten-Firma Seibold, hat die Haus-Ruine im Mai abreißen lassen. »Dies wurde umgesetzt, auch wenn es mir in der Seele weh tut«, sagt Geschäftsführerin Brigitte Seibold. Sorgsam trennte das Personal eines blauen Baggers ohne Firmenaufschrift die Materialien: Stein zu Stein, Holz zu Holz, Metall zu Metall. In Containern, auch sie inkognito, wurden sie abtransportiert. Arbeiten, die wochenlang dauerten.
Die Fläche liegt mitten in der Innenstadt, keine 100 Meter vom Marktplatz entfernt. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass eine Bebauung dort ungemein lukrativ sein dürfte. Aber was genau wird gebaut? Wer sich heute nach der Zukunft der Alt-Metzinger Fläche erkundigt, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Bei der Eigentümerin, weil sie nichts sagen möchte, und bei der Stadtverwaltung, weil sie nicht darf.
Die Grenzen der Auskunftspflicht
»Bitte sehen Sie von weiteren Anfragen ab«, hat Seibold der Metzinger GEA-Redaktion, die nach den baulichen Plänen der Firma gefragt hatte, geschrieben, ohne etwas zu den Plänen zu sagen. Letzteres muss ein privates Unternehmen gegenüber den Medien auch gar nicht.
Anders sieht es bei der Stadtverwaltung aus, die grundsätzlich eine im Landespressegesetz verankerte Auskunftspflicht trifft. Doch auch die hat Grenzen. Zum Beispiel den Datenschutz. »Die Entwicklung/Bebauung des Grundstücks liegt im Ermessen des Eigentümers«, teilt Metzingens Pressesprecherin Susanne Berger mit, »Bauanträge unterliegen dem Datenschutz. Alle Bebauungen in Metzingen werden gemäß den Bauvorschriften geprüft.«
Zweigeschossig mit Satteldach
Entsprechen sie denen, muss die Stadt der Firma die Baugenehmigung erteilen. Zu den zu prüfenden Vorschriften gehört der Bebauungsplan Innenstadt I. Der sieht für einen Neubau auf dem Brandgrundstück vor, dass er zweigeschossig sein und ein Satteldach enthalten muss und somit zu den Umgebungsbauten passt. Zudem müssen im Erdgeschoss ein Ladengeschäft oder Gastronomie Platz finden. Wie der Neubau konkret aussehen wird, wie viele Wohnungen enthalten, Platz für welches Gewerbe und ob es eine Tiefgarage geben wird, wird nicht publik gemacht.
So bleibt den GEA-Redakteuren nur, regelmäßig am Brandgrundstücken in der Pfleghofstraße 4 und 6 vorbeizulaufen und zu beobachten, was sich dort so tut. Das Absperrgitter hat an einer Seite noch Sichtlücken, an der anderen ist es seit Kurzem mit großflächigen Transparenten der Metzingen Marketing und Tourismus GmbH behängt.
Enge Abstimmung mit Fachbereich Stadtplanung
Fakt ist, dass auch die Stadtverwaltung ein verstärktes Augenmerk auf das Baugesuch haben wird. »Aufgrund des städtebaulich historischen Standortes ist generell eine enge Abstimmung mit dem Fachbereich Stadtplanung und dem Fachbereich Baurecht der Stadt Metzingen erforderlich«, sagt Berger weiter.
Ein historisches Gepräge hätte zumindest nach außen hin erhaltenbleiben können, wenn die beiden Seitenwände mit den Sprossenfenstern, den Laternen und dem Schriftzug »Weinstube Zum Rad« stehengeblieben wären - ein Wunsch, den Stadtplanungs- und -bauamtsleiter Konrad Berger geäußert hatte. Doch sie sind dem Zahn des anonymen Abbruchbaggers zum Opfer gefallen. (GEA)