METZINGEN. »Wer den Weltuntergang beschwört, hilft nur Extremgruppen«, meint Metzingens Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh, »jede Krise bietet auch die Möglichkeit zur Entwicklung. Lassen Sie uns tatkräftig, offen und mutig zur Sache gehen.« Und auch das Gute feiern. Dazu gehören »950 Jahre Metzingen«, die am Dienstagabend mit einem Festakt vor gut 100 geladenen Gästen im Rathaus gewürdigt wurden. »950 Jahre ist nicht nur eine beeindruckende Zahl, sondern auch ein starkes Zeichen für Kontinuität, Zusammenhalt und Identität«, rühmte die gebürtige Schwarzwälderin ihre langjährige Wahl- und Wirkungsstadt.
- Zurück in die Geschichte
Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier stieg in seinem halbstündigen Festvortrag auf gut elf locker bedruckten DIN-A-4-Seiten mit Hingabe und Liebe zum Detail in die Hintergründe des Jubiläums ein. Dieses bezieht sich auf die urkundliche Ersterwähnung des Ortes Metzingen, nicht auf dessen Existenz. »Der Ort ist wesentlich älter«, führt Bidlingmaier aus, »es gibt auf unserer Markung Besiedelungsspuren, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. Aus der Keltenzeit sind eine Anzahl Goldmünzen überliefert, und in der Römerzeit gab es im Bereich Ösch bereits einen römischen Vicus, also eine Siedlung. «
Am 9. Oktober 1075 indes bestätigte in Worms der Salierkönig Heinrich IV. in einer Urkunde die Wiederherstellung des Klosters Hirsau vor 17 namentlich genannten Zeugen und dem Volk. An siebter Stelle der Zeugenliste der Urkunde wird ein Dominus Eberhardus de Metzingen genannt. Ein »in Metzingen gesessener Edelfreier, der zum Gefolge des Achalmgrafen gehört haben wird«, schätzt Bidlingmaier, der den Festakt initiiert hat.

Und wie sah es im Jahr 1075 in Metzingen aus? »Es war damals ein Dorf«, erläutert der belesene Stadtarchivar, »und gruppierte sich um die Martinskirche, dem wesentlich kleineren Vorgängerbau der heutigen Martinskirche«. Dahinter, auf dem Gelände des heutigen Pfarrgartens, lag eine Wasserburg der damaligen Herren von Metzingen.
Und die Untertanen? »Die Menschen lebten von der Landwirtschaft und dem Weinbau, der bereits damals an den Südhängen des Ermstals betrieben wurde«, beschreibt Bidlingmaier, was er den raren Quellen entnommen hat. Die Entstehung des Ortes Metzingen datiert er im Frühmittelalter, in der Landnahmezeit zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert. »Der Ortsgründer könnte Matzo oder Matizzo geheißen haben.«

- Festgäste
Unter den Gästen im gut gefüllten Großen Sitzungssaal des Metzinger Rathauses: viel gesellschaftliche Prominenz. Die Landtagsabgeordneten Cindy Holmberg (Grüne) und Rudi Fischer (FDP, aus Metzingen stammend) haben sich genauso eingefunden wie Regierungspräsident Klaus Tappeser, Landrat Dr. Ulrich Fiedler, Grafenbergs Bürgermeister Volker Brodbeck und GEA-Verleger Valdo Lehari jr., der auch der Vorsitzende des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger ist. Gemeinderäte und Vertreter von Vereinen, Kirchen und sonstigen Einrichtungen, die das gesellschaftliche Leben Metzingens so vielfältig machen, sitzen ebenfalls im Publikum.
Tappeser tritt auch zum Grußwort ans Mikrofon und stellt die Vorzüge des historischen und des heutigen Metzingens in den Mittelpunkt: »Es ist hier gelungen, Alt und Neu zu verbinden«. Den schon immer gepflegten Weinbau mit der neuzeitlichen, modischen, gewinnbringenden Outletcity zu verbinden. In der er gelegentlich auch selbst shoppen geht. Wie OB Haberstroh setzt Tappeser auf Aufbruch statt Angst, trotz derzeitiger finanzieller Enge. »Die Investition in das Ganzjahresbad ist ein Zeichen der Zuversicht.« Der Regierungspräsident sieht im laufenden Jahr 2025 gar ein Doppeljubiläum für Metzingen: »Es ist auch seit 35 Jahren Große Kreisstadt.« Herausforderungen hier wie auch in vielen anderen Kommunen: »Die Bewahrung der Natur, die Weiterentwicklung von Bildung und Betreuung, der demografische Wandel«.
- Musik
Ein lyrischer, ruhig schwingender Anfang, später Sturm-und-Drang-Musik, fragendes Innehalten und schließlich ein heiterer, rhythmischer Schluss: Das Trio der unbekannten französischen Komponistin Louise Farrenc bietet alles, und Lina Hermann (Querflöte), Lilou Greger (Cello) und Jana Fitler (Klavier) tun es mit ihr, musizieren beim Festakt spannungsvoll. »Ganz große Klasse, die drei Damen!«, würdigt die Rathauschefin die drei Schülerinnen aus der studienvorbereitenden Klasse der Musikschule Metzingen. Nachmittags hat Haberstroh die drei jungen Frauen von ihrem Büro aus noch üben hören, da waren sie noch etwas aufgeregt. »Dazu gab es gar keinen Grund«, findet die OB.

- Goldenes Buch und goldene Tropfen
Das würdevolle Goldene Buch der Stadt Metzingen wartet zwischen Rednerpult und Ausgang auf weitere Einträge - mit viel Platz für alle, die sich hier bisher noch nicht verewigt haben. Draußen im Foyer reicht der Neuhäuser Kelternverein Schinkenhörnchen, Minipizzen, Saft von heimischen Streuobstwiesen ... und natürlich Metzinger Wein und Sekt. Dass die Ehrenamtlichen und nicht etwa ein Profi-Caterer die Tabletts mit den Häppchen und Schlückchen anbieten, mag für das vielfach gepriesene große Engagement und das reiche und aktive Vereinsleben in der Stadt sprechen.
- Weiterfeier
Hat die Stadt das jetzige Urkunden-Jubiläum öffentlich eher klein gehalten, wird es in sechs Jahren in Metzingen umso mehr abgehen. »Wir heben uns unsere Feierlaune auf für 2031«, kündigt Carmen Haberstroh an, »dann feiern wir 200 Jahre Stadterhebung.« Wie sich's gehört, mit einem großen Jubiläumsfest. (GEA)

