PLIEZHAUSEN. Zehn Jahre können eine lange Zeit sein - oder das Gegenteil. Es kommt drauf an. Ein Säugling kann in der Zeit zum Schulkind heranwachsen und geht nach zehn Jahren in die vierte Klasse. Im Zeitalter des Waldes tut sich in zehn Jahren nicht so viel. Und doch sind es diese Dekaden, in denen Förster planen und Ziele formulieren. Das wird jüngst beim Waldumgang im Pliezhäuser Wald deutlich. Tobias Traber, ein Forsteinrichter des zuständigen Regierungspräsidiums Freiburg, Michael Herb als Forstbezirksleiter Nord des Kreises Reutlingen und Thomas Vorwerk als Leiter des Forstreviers Reutlingen zeigen dazu Stationen. Sowohl Gemeinderäte als auch Ortschaftsräte schauen sich den Wald westlich des Hauptorts zwischen der Greutstraße und dem Unteren Hauweg an.
»Zehn Jahre sind sehr wenig in einem Waldgefüge«, sagt Tobias Traber. In der Zeit gebe es »keine Erdrutschveränderungen«. Sein Kollege Michael Herb ordnet ein: »Eine Eiche kann mehr als 200 Jahre oder auch 500 Jahre alt werden.« Alle zehn Jahre planen Traber und der lokale Förster, in diesem Fall Thomas Vorwerk, die Zukunft des Waldes: »Es ist ein langer Prozess, bei dem wir Tage und Wochen unterwegs sind«, sagt Vorwerk. Denn sie schauen sich nicht nur die einzelnen Waldareale in Pliezhausen, sondern auch in anderen Gemeinden des Reviers an.
Nadelholzanteil arg dezimiert
Traber geht auf die lokalen Ergebnisse ein: Demnach sind die dominierenden Bäume in Pliezhausen Eichen mit einem Anteil von 30 Prozent. »Das ist erfreulich. Sie sind klimawandelresistenter, so dass ihnen der Temperaturanstieg nicht so sehr etwas ausmacht.« Am zweithäufigsten wachsen Buchen in Pliezhausen, während die Zahl der Kiefern über die Jahrzehnte abgenommen hat. Betrug ihr Anteil 1956 noch 16 Prozent, waren es 2014 nur noch elf und heute neun Prozent. Außerdem ist der Bestand der Fichten von 1956 von 21 auf fünf Prozent im Jahr 2014 und nun drei Prozent noch deutlicher zurückgegangen. »Unser Ziel ist, den Nadelholzanteil im Wald bei den etwa zehn Prozent zu halten. Durch den Klimawandel wird es trockener und wärmer«, sagt Traber.
Abgenommen hat auch der Anteil der Eschen im Pliezhäuser Wald. »Hatten wir 2014 elf Prozent Eschen, sind es jetzt nur noch vier Prozent. Der Anteil hat sich durch eine Pilzerkrankung mehr als halbiert«, zieht Traber Bilanz. Vermutlich sei das nicht das Ende: »Wir werden noch durch das Tal der Tränen gehen.« Durch das Eschentriebsterben seien die Bäume so krank, dass sie gefällt werden müssten, um nicht umzustürzen. Aktuell steht die Exkursions-Gruppe am Oberen Hauweg in der Nähe der Straße im Greut, wo eine Esche wächst. »Auch sie wird früher oder später absterben«, prognostiziert Traber. Die Pilzsporen des Triebsterbens würden über das Laub übertragen. Die Krankheit stammt aus Asien.
Fokus auf eine schöne Eiche
Nach einem Gang durch das Unterholz steht die Gruppe in einem Gebiet mit gleichaltrigen Laubbäumen von 26 Jahren im Durchschnitt. Der Orkan Lothar hatte 1999 hier Schäden verursacht. Traber erklärt hier seine Aufgabe als Förster: "Die Eichen sind hier eng gesetzt. Sie müssen sich selber qualifizieren." Das heißt, dass die stärkeren Bäume weiter wachsen dürfen und andere nicht. "Wenn ich eine schöne Eiche habe, lege ich den Fokus darauf und entscheide mich, die zu fördern und andere Bäume zu fällen, die der Eiche gefährlich werden.
Michael Herb ergänzt: »Hier kann man was formen. Die Bäume sind jung und wachsen schnell - wie Kinder.« Zur Forsteinrichtung gehört, den Bestand zu kartieren. Gerade an dieser Stelle sei eine großflächige Holzernte nicht möglich, sagt Herb. »Wenn ich hier Tabula rasa machen würde, käme der Hang ins Rutschen und es käme zu Erosion.«
Klima wie früher in Karlsruhe
Herb geht auch auf den Zustand des Waldes generell ein: »Durch die Klimaerwärmung um 1,5 Grad Celsius verrutschen wir hier um ein bis zwei Klimazonen.« Damit bekomme Pliezhausen ein Klima wie früher Karlsruhe in der Rheinebene. »Das treibt uns um. Aber wir doktern an den Symptomen rum, dabei müssten wir umdenken. Das geht nicht anders.« Es gehe darum, wie der Verkehr und Mobilität gestaltet werde. »Das ist das Kriegsentscheidende.« Früher belächelt, würden heute Kollegen ernst genommen, die sich Gedanken um die Bewässerung von Eichen machten. Im Landkreis Pforzheim gebe es Bäume, die im Wald aus Wassermangel vertrockneten.
Traber ist beim letzten Standort des Rundgangs angekommen. Dort wurde Holz geerntet. »Das sieht hier wild aus, ergibt aber einen Sinn.« Die früheren Eichen seien im Mittel 215 Jahre alt gewesen. Der Standort eigne sich durch den tonigen Boden gut für diese Bäume. Unten auf dem Boden wachsen schon einige junge Bäume. Damit nicht Rehe, die Eicheln liebten, dort fressen würden, soll ein Zaun die werdenden Bäume schützen. Weil sich dort auch andere Bäume aussäen, müssten diese herausgezupft werden. »Das ist ein hoher Aufwand«, sagt Herb. Und doch sei das natürliche Aussäen ideal, ergänzt Vorwerk: »Hier haben die Eichen schon das genetische Material des Standorts von mehr als 200 Jahren.« Woanders, etwa in einer Baumschule, gewachsene Bäume hätten das nicht. Außerdem sei das Umpflanzen für sie Stress. (GEA)
