METZINGEN. »Wir sind gekommen, um Ihnen zu erklären, warum es sich lohnt, in Metzingen zu leben.« Leicht augenzwinkernd führte Martin Wurz, der Leiter des Metzinger Polizeireviers, in das ernste Thema Kriminalitätsbelastung in der Stadt ein. Sein erster Satz im Gemeinderat am Donnerstag war erst auf den zweiten Blick zu verstehen.
Denn von den Straftat-Zahlen 2023 her liegt die Sieben-Keltern-Stadt auf Großstadtniveau und auf dem unrühmlichen ersten Platz im Kreis Reutlingen: 1.620 Taten hat die Polizei im vergangenen Jahr erfasst, 18,6 Prozent mehr als im noch teilweise von den Corona-Einschränkungen geprägten Vorjahr. »Die Zahlen 2023 sind vergleichbar mit den Jahren vor Corona. Wir sind in der Normalität angekommen«, hielt Wurz fest. Im Zehnjahresvergleich liegt man von der Deliktbelastung her noch unter dem Schnitt.
Outlet-Diebstähle treiben Belastungszahl hoch
Der Revierleiter hat den Bürgervertretern über die Entwicklung von Vergehen wie Diebstahl, Körperverletzungen oder Wohnungseinbruch berichtet, also nicht der ungleich schwerer wiegenden Kapitalverbrechen oder Staatsschutzdelikte, für deren Ermittlung die Kriminalpolizei zuständig ist. Erfreulich: »In Metzingen ist uns keine extreme Szene bekannt.« Einzelne schwere Taten dagegen gab es schon.
Bedenklich: 137 der 835 Tatverdächtigen 2023 waren Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, 44 mehr als im Vorjahr. »Was ist der Grund und was kann man tun?«, fragte Robert Schmid (FWV). »Ihnen fehlt oft das Unrechtsbewusstsein«, antwortete der Revierleiter. Durch die sozialen Netzwerke sind schnell und anonym Beleidigungen rausgehauen. Über spezielle Projekte mit den Schulen, etwa zum Thema Hass und Hetze, will die Polizei die Teenies mehr erreichen.
220.000 Euro an Haustür übergeben
Aber auch ausländische Kriminalität war 2023 verstärkt ein Thema: 503 oder 47,1 Prozent der Tatverdächtigen waren nichtdeutsch, gegenüber 342/25,7 Prozent im Vorjahr. Gründe dafür können in der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen und in deren oft vergleichsweise schwacher Finanzlage liegen, denen die ständigen Verlockungen der deutschen Konsum- und Outletwelt gegenüberstehen; das gilt allerdings auch für Inflationsgeplagte gleich welcher Nationalität.
Die Outlets tragen mit über vier Millionen Besuchern im Jahr zur außergewöhnlich hohen Kriminalitätsbelastungsziffer Metzingen auch sonst einen großen Teil bei: Jeden Tag wird geklaut und betrogen in den weit über 100 Shops und Stores. Die Überwachungstechniken werden immer besser, auch setzen die Betreiber eigene Leute ein, um Straftätern auf die Spur zu kommen - und liefern der Polizei dadurch viel Arbeit für die folgenden Ermittlungsverfahren.
2023 wurden 399 der stadtweit 912 Diebstähle in den Outlets begangen, also ein gutes Drittel. Die Outlet-Taten aus der Statistik herausgerechnet, läge Metzingen im Durchschnitt der Kreiskommunen. Besser als im eigenen Schnitt liegt man bei den Wohnungseinbrüchen, die das Sicherheitsgefühl der Bewohner stark beeinträchtigen: Zehn Taten wurden bekannt, fünf weniger als 2022. Zwei davon blieben im Versuchsstadium stecken.
»Wenn Sie einen Einbrecher antreffen, stellen Sie sich ihm nicht in den Weg«, riet der diensthöchste Revierpolizist der Stadt. Weitere Tipps für Hausbewohner: »Türen auch bei kurzzeitiger Abwesenheit immer abschließen, Fenster und Balkontüren schließen, keine Schlüssel draußen deponieren - die Täter kennen alle Verstecke!« Während Trickbetrüger oft rhetorisch überzeugen zu vermögen. Dennoch zahlt sich die Präventionsarbeit der Polizei offenbar aus: »Letzte Woche sind zwar 220.000 und 55.000 Euro an der Haustür übergeben worden, doch es gibt lange nicht mehr so viele derartige Fälle wie früher.«
Neun Wohnungsverweise
»Gab es Fälle von häuslicher Gewalt?«, wollte Isabelle Wohlauf (FDP) von Martin Wurz wissen. Es gab sie mit 36 (2022: 19) nicht zu knapp. Neunmal bekamen die Gewalttätigen Wohnungsverweise erteilt. 28 Sexualdelikte (2022: 33) hat die Polizei 2023 verzeichnet, meist wurden dabei über soziale Medien verbotene pornografische Bilder weitergegeben.
Gewalt ist in Metzingen verbreitet ein privates Phänomen und wird nur selten im öffentlichen Raum ausgeübt. Von 134 auf 152 ist die Zahl der Rohheitsdelikte zwischen 2022 und 2023 gestiegen, 108 davon waren Köperverletzungen. Bleibt noch der virtuelle Raum, nach dem Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Georg Bräuchle fragte: »Gewaltvideos werden teilweise schon von Zehnjährigen geteilt. Kommt das bei Ihnen an?« - »Meist im Zusammenhang mit anderen Taten«, gab der Polizeirevierleiter Auskunft, »manchmal wird es von Schulen angezeigt. Das Dunkelfeld dürfte aber groß sein.«
Aufklärungsquote besser als im Land
Die Polizei erfasst in ihrer Kriminalitätsbelastungsstatistik aber nur das Hellfeld, also die Taten, die bekannt und häufig auch aufgeklärt worden sind. Gute Nachrichten zum Schluss: Die Aufklärungsquote liegt mit 64,7 Prozent überdurchschnittlich hoch (Vorjahr: 58,5 Prozent; Landesschnitt; 63,5 Prozent), und es gab 2023 viel weniger Sachbeschädigungen als 2022: 107 gegenüber 135. Bleibt Martin Wurz' Fazit: »Um das Sicherheitsgefühl in Metzingen ist es gut bestellt.« (GEA)