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Mädchen missbraucht: Mann aus dem Ermstal in Haft

Ein Jahr und neun Monate Haftstrafe für einen 73-Jährigen aus dem Ermstal, der wiederholt ein Mädchen sexuell missbraucht hat.

Der Fall wird im Reutlinger Amtsgericht verhandelt.
Der Fall wird im Reutlinger Amtsgericht verhandelt. Foto: Frank Pieth
Der Fall wird im Reutlinger Amtsgericht verhandelt.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN/ERMSTAL. Wie sollte man der Öffentlichkeit eine Bewährungsstrafe erklären, wenn ein Wiederholungsstraftäter immer wieder bei jungen Mädchen übergriffig wird, ihnen sexuelle Avancen macht und ihnen sogar einen Kuss auf den Mund drückt? Diese Frage stellte sich Richter Eberhard Hausch im Amtsgericht Reutlingen.

Mann erneut vor Gericht

Angesprochen hatte er damit aber nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch den 73-jährigen Angeklagten aus dem Ermstal. Der Mann saß nach 2007 und 2018 nun erneut vor einem Gericht. Wieder hatte er ein Kind sexuell missbraucht, einmal mit und einmal ohne Körperkontakt. Dieses Mal war die 13-jährige Tochter einer bekannten Familie das Opfer, Tattag war der 20. März dieses Jahres.

Der Angeklagte traf das Mädchen auf der Straße, umarmte sie, drückte ihr einen Kuss auf den Mund und sagte: »Liebe ist schön« und »Wenn meine Frau nicht zu Hause ist, rufe ich dich an«. Damit nicht genug – nur einen Tag später ging er ins Café der bekannten Familie. Die Tochter war allein im Lokal. »Er bestellte einen Eistee und fragte sie, ob sie noch Jungfrau sei und einen Freund habe«, zitierte Staatsanwältin Carolina Braun aus der Anklageschrift.

»Wenn ich dich mal alleine sehe, schiebe ich dir einen rein«

Der Angeklagte setzte noch einen drauf: »Wenn ich dich mal alleine sehe, schiebe ich dir einen rein«, hat er anschließend gesagt, verbunden mit der Frage, ob sie mit zu ihm kommen wolle. Unglaublich? Wohl wahr. Der 73-Jährige stritt jedoch alles ab. Alles erstunken und erlogen, behauptete er in einem Schreiben, das sein Anwalt Achim Unden verlas. Der Angeklagte habe mit der ganzen Familie der 13-Jährigen immer »ein herzliches Miteinander« gepflegt.

Geküsst habe er das Mädchen nicht und auch nicht nach ihrer Telefonnummer gefragt. »Ich bin vielleicht etwas distanzlos«, gestand er immerhin. Das Ganze müsse aber ein Missverständnis sein. Seine Frau sah das offensichtlich anders – sie war zur Polizei gegangen und hatte ihren eigenen Mann angezeigt. Sie hatte wohl die Faxen ihres Gatten dicke.

Kaum Einsichtsfähigkeit 

Richter Eberhard Hausch zitierte anschließend aus den Gerichtsakten zu den beiden länger zurückliegenden Taten des Mannes. Damals war der Angeklagte auch schon zu »diagnostischer Abklärung und therapeutischer Begleitung« verurteilt worden. »Was aber offensichtlich nicht zu einem dauerhaften Erfolg geführt hat«, so Hausch. Die Einsichtsfähigkeit scheint bei dem Mann stark gestört zu sein. Schuld seien immer nur die Anderen, bemerkte Carolina Braun.

Eine längere Pause folgte, in der Verteidiger Unden auf den 73-Jährigen einredete. Danach gestand der Angeklagte. »Mein Mandant räumt die Taten ein«, so der Anwalt. Wenn auch ganz offensichtlich sehr widerwillig. Immer wieder versuchte der Mann, den Richter in seinen Ausführungen zu unterbrechen, wenn ihm etwas nicht passte. Und sein letztes Wort nach den Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger klang alles andere als einsichtig.

Haftstrafe von drei Jahren gefordert

Carolina Braun forderte eine Haftstrafe von drei Jahren, Achim Unden hoffte hingegen nochmals auf eine Bewährungsstrafe. »Was soll es bringen, wenn er in Haft kommt?«, so die fast schon verzweifelte Frage des Anwalts. In Freiheit habe der Angeklagte die Möglichkeit, noch einmal – und dieses Mal ernster – an sich zu arbeiten.

Das sah das Schöffengericht jedoch anders: Das Richtergremium blieb zwar mit einem Jahr und neun Monaten deutlich unter den drei Jahren der Staatsanwaltschaft, aber: Gründe für eine Bewährungsstrafe konnte das Gericht beim besten Willen nicht finden. Eine positive Prognose für den 73-Jährigen sei einfach nicht vorhanden – schließlich habe er schon zweimal Strafen auf Bewährung erhalten. »Und vielleicht bringt die Haft ja doch was – nämlich die Erkenntnis, dass er so nicht weitermachen kann und jetzt nicht mehr mit einem blauen Auge davonkommt«, so Hausch. (GEA)