WALDDORFHÄSLACH. Heute hat fast jeder, der Musik streamt, auch eine Playlist mit seinen Lieblingssongs. Solche Playlists lieferte jetzt auch der Walddorfer Liederkranz bei seinem Frühjahrskonzert in der proppenvollen Gemeindehalle. Diese Playlists, die Moderator Lukas Fischer sehr unterhaltsam vorstellte, beinhalteten klassische Chormusik ebenso wie Hits aus der älteren und jüngeren Popgeschichte. Damit das alles harmonisch klingt, muss die Gemeinsamkeit in den Chören stimmen. Doch bei aller Gemeinschaft - am Abend stand eine einzelne Person beim Frühjahrskonzert eindeutig im Vordergrund.
Der Männerchor des Liederkranzes steht seit vielen Jahren für die Tradition. Sein Repertoire hat er perfektioniert. Es ist die klassische Chormusik, der er sich verschrieben hat. So war es auch keine Überraschung, dass der Männerchor das Frühjahrskonzert in der Gemeindehalle mit »Veronika, der Lenz ist da« eröffnete.
Die Frauen haben die Männer überholt
Das getragene und recht emotionale »La Montanara« gehört ebenso schon lange zum Repertoire des Männerchors. Aber die Sänger können auch recht witzig und verschmitzt sein, wie der Song »La Strada Ferrata« bewies. Allerdings fehlt etwas der Mut zum Sprung in die Neuzeit. So ist der Männerchor inzwischen auf seinem musikalischen Weg etwas in die Jahre gekommen und kämpft um den Nachwuchs.
Diesen Mut zeigt eher der Frauenchor. Er wagt sich bei aller Chor-Tradition an Songs wie »Super Trouper« von ABBA, an dem Abend sehr erfrischend interpretiert werden. Oder an »Let it be« von den Beatles oder »Sound of Silence« von Simon & Garfunkel. Den Frauenchor verstärkt jetzt auch eine Band mit Fabian Bauer (Klavier), Manfred Link (Gitarre), Thomas Baisch (Bass) und Heinz Armbruster (Schlagzeug).
Der Liederkranz-Frauenchor ist im Altersschnitt wesentlich jünger und von der Anzahl deutlich stärker besetzt als das Pendant der Männer. Nun, zugegeben, die Beatles oder ABBA gehören nicht gerade zur aktuellen Gegenwartsmusik, auch wenn manche Jugendliche solche Songs immer noch oder schon wieder anhören.
Wird das bisher einmalige Chorprojekt weitergeführt?
Aber der Liederkranz sucht neue Wege, um jüngere Menschen für die Chormusik zu begeistern, zum Beispiel mit dem Projektchor »Stimmkraft mixed-up«. Im Januar startete dieses Projekt und am Samstag zeigten die Sängerinnen und Sänger, was sie innerhalb weniger Monate unter Leitung von Yvonne Nielitz schon stimmlich bewältigen können.
Das Gesangsvolumen war durchaus beachtlich und vor allem sah man, dass es dem Chor richtig Spaß macht, zu singen. Auf ihrer Playlist standen »Count on me« von Bruno Mars oder das sehr gelungene »Viva La Vida« von Coldplay. Die Begeisterung der Sängerinnen und Sänger, zu denen pure Anfänger wie auch gesanglich Fortgeschrittene gehören, griff schnell aufs Publikum über. Der Applaus war ihnen sicher.
Der Auftritt des Chores war aber gleich auch das Ende des von vorneherein zeitlich begrenzten Projekts. Allerdings, wenn man sich an dem Abend im Saal umhörte, viele, die bei dem Projekt dabei waren, wollen gerne weitermachen. Die gewonnene Lust am Chorgesang war bei ihnen zu spüren. Und auch die Liederkranz-Vorsitzende Dorothe Fischer kann sich ein weiteres Projekt dieser Art gut vorstellen.

Doch zur Hauptperson des Abends. Das war Dirigentin Rosi Hertl. Seit 40 Jahren leitet sie die Walddorfer Männer- und Frauenchöre. Als »junges Mädle« sei Hertl zum Liederkranz gekommen und manche hätten sie skeptisch beäugt und gezweifelt, ob sie sich gegen die gestandenen Sänger durchsetzen könne, erzählte Dorothe Fischer. Aber sie konnte und hob die Chöre auf ein deutlich höheres Level. Viele Preise und Auszeichnungen zeugen davon.
Das gesangliche Niveau, auf dem die Chöre heute sind, sei zweifellos Rosi Hertls Verdienst, betonte Fischer. Sie sei eine »geniale Dirigentin« und besitze ein »superfeines musikalisches Gehör«. Außerdem sei sie unglaublich zuverlässig, »sie ist immer da«.
Große kulturelle Bereicherung
»Wir haben Hochachtung vor Ihrer beruflichen und künstlerischen Leistung«, stimmte auch Bürgermeisterin Silke Höflinger in das allseitige Lob mit ein. Hertl sei eine »große kulturelle Bereicherung für uns alle«.
Rosi Hertl studierte Musik, Kirchenmusik und Gesang. Sie steht vielen Chören vor, dirigiert unter anderem den bekannten Polizeichor in Tübingen und setzt sich für soziale Gesangprojekte für Kinder und ältere Menschen in Kliniken und Pflegewohnheimen ein. Im Jahr 2007 wurde sie für ihre herausragende Leistung und den wertvollen Einsatz für die Chormusik mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. (GEA)