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Krämermarkt in Pliezhausen: Eine vom Aussterben bedrohte Tradition?

Nur 15 Stände und wenige Besucher sind am Mittwoch auf dem Marktplatz. Das liegt für einige Händler nicht nur am Regen. Andere Verkäufer zeigen sich zuversichtlich.

Sandra Neitzke ist mit ihrem Wollhandel von Krämermärkten abhängig.
Sandra Neitzke ist mit ihrem Wollhandel von Krämermärkten abhängig. Foto: Emanuel Chatzis
Sandra Neitzke ist mit ihrem Wollhandel von Krämermärkten abhängig.
Foto: Emanuel Chatzis

PLIEZHAUSEN. Die regionalen Krämermärkte sind längst nicht mehr die einzigen Anlaufstellen für Textilien und Haushaltswaren: Die Konkurrenz für die Händler auf den Märkten steigt immer weiter durch Online-Anbieter wie »Shein«, die mit Kleidung zum Spottpreis Kunden aus aller Welt für sich gewinnen. Dennoch bauen in Orten wie Pliezhausen jährlich Beschicker wieder die Verkaufsstände auf dem Marktplatz auf. Am Mittwochvormittag bieten hier 15 Händler aus der Region ihre Waren beim traditionellen Krämermarkt an. »Sonst sind es doppelt so viele Stände«, erzählt Silke Walker von der Gemeinde Pliezhausen. Das regnerische Wetter schreckt nicht nur Verkäufer, sondern auch mögliche Besucher ab. Gegen elf Uhr stöbern nur wenige Menschen an den Ständen.

»In kleinen Gemeinden sind Märkte vom Aussterben bedroht«

Für Wolle-Händlerin Sandra Neitzke ist das kein neues Bild - auch bei besserem Wetter: »In kleinen Gemeinden sind solche Märkte schon vom Aussterben bedroht«, sagt die Stuttgarterin. Das liegt zum einen an der Konkurrenz durch den Onlineverkauf, aber auch an der wirtschaftlichen Situation der Menschen. Immer weniger Leuten sei es möglich, für hochwertige Ware zu zahlen, »aber die Menschen, die hier noch herkommen, suchen genau das und machen die Märkte noch lohnenswert«, so Neitzke.

Dazu gehört auch das Glemser Ehepaar Ehmann, die extra für den Krämermarkt angereist sind. »Gute Sachen findet man oft nur auf Märkten«, erzählen die beiden. Bei der Suche nach einem neuen Pullover ist es ihnen wichtig, die Kleidung anfassen und anprobieren zu können. Im Internet ist das nicht möglich »und außerdem können das die älteren Leute doch gar nicht«, meinen die Glemser.

»Märkte gab es schon immer und wird es auch immer geben«

"Wir leben von den älteren Menschen", berichtet auch Textilhändler Joachim Burger. 90 Prozent seiner Verkäufe gehen an Stammkunden, unter ihnen kaum junge Leute. Ob ihm das Sorgen für die Zukunft bereitet? »Märkte gab es schon immer und wird es auch immer geben«, meint der Haigerlocher, "vielleicht sehen sie in Zukunft mal anders aus, aber sie werden gefragt bleiben." Doch nicht nur die Besucher, sondern auch die Verkäufer seien laut Burger häufig im höheren Alter. "Viele haben in den vergangenen Jahren aufgehört." Das Angebot vor Ort sinkt. Seit drei Generationen verkauft die Familie Burger regionale Textilien, Joachim Burger wird der Letzte sein. Vorbei ist es für ihn aber noch lange nicht: Nächste Woche bietet er seine Textilien in Reutlingen an.

In Pliezhausen neigt sich der Markt um 12 Uhr dem Ende. Die ersten Händler beginnen, ihre Waren eine Stunde vor der offiziellen Schlusszeit zusammenzupacken. Nur wenige Fußgänger bleiben noch lange an den Ständen stehen, ein paar Schüler schlendern in ihrer Mittagspause über den Marktplatz, aber zeigen kaum Interesse an den ausgelegten Produkten. Einzig Wurst- und Süßigkeitenstände locken immer wieder hungrige Gäste zu sich.

»Bei gutem Wetter sind mehr Leute unterwegs«

»Wir haben natürlich den Vorteil, dass man hier bei schlechtem Wetter nichts anprobieren muss und unsere Ware direkt verzehren kann«, sagt Daniela Högele. Seit mehreren Jahren gehört sie mit ihrem Süßwarenstand zu den Stammverkäufern in Pliezhausen. Über das mögliche Aussterben von Krämermärkten macht sie sich keine Sorgen. Der Anlauf sei in den letzten Jahren gleich geblieben, vor allem die Möglichkeit, sich persönlich mit den Verkäufern und anderen Besuchern austauschen zu können, werde die Menschen weiterhin reizen. »Und bei gutem Wetter im Sommer sind sowieso mehr Leute unterwegs«, sagt sie zuversichtlich.

Für Sandra Neitzke geht es im Sommer in die Pause. Ihre Wollkleidung wird zur heißen Jahreszeit kaum gefragt sein. Bis dahin wird sie weiterhin den Weg zu den zahlreichen regionalen Märkten auf sich nehmen. Allein die Vielzahl an Krämer- und Flohmärkten in der Umgebung zeigt aber, dass sie noch lange nicht ausgestorben sind. Doch alle Händler in Pliezhausen sind sich am Mittwoch einig: Ein sonnigeres Wetter in den nächsten Wochen würde den Überlebenschancen helfen. (GEA)