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Kleintierzüchter siegen im Neuhäuser Gockel-Streit

Kleintierzüchter und ein Anwohner in Metzingen-Neuhausen streiten jahrelang über krähende Hähne. Die Tiere sollen nachts eingesperrt werden, laut Amtsgericht sei das jedoch nicht passiert. Warum das Landgericht das jetzt anders sieht.

Sind die Hähne des Kleintierzuchtvereins Neuhausen nachts schon wieder zu laut?
Sind die Hähne des Kleintierzuchtvereins Neuhausen nachts schon wieder zu laut? Foto: Markus Pfisterer
Sind die Hähne des Kleintierzuchtvereins Neuhausen nachts schon wieder zu laut?
Foto: Markus Pfisterer

METZINGEN-NEUHAUSEN. Jetzt ist der Knopf dran. Bis auf Weiteres. Das Landgericht Tübingen hat dem Kleintierzuchtverein Neuhausen in zweiter Instanz Recht gegeben: Die Züchter müssen ihre die Hähne doch nicht durch eine Art Nachtwächter in fünf Ställe einschließen lassen, aus denen sie frühmorgens wieder herausdürfen.

Solches hatte ein Beschluss des Amtsgerichts Bad Urach am 6. Juni angeordnet, nachdem der beklagte Verein angeblich nicht seiner aus einem mit den Klägern ein Jahr zuvor geschlossenem Vergleich nachgekommen sei. Der hatte die Züchter verpflichtet, selbst dafür zu sorgen, dass die Göckel zwischen 23 und 5 Uhr hinter Schloss und Riegel ihrer Ställe sind. Kläger war eine wenige hundert Meter von den Ställen entfernt im Wohngebiet Kies lebender Mann mit seiner Familie. Deren Haus wurde später gebaut als die Anlagen der Kleintierzüchter, die hinter dem Parkplatz und Jugendverkehrsübungsplatz an der Hofbühlbrücke liegen.

Thilo Reusch - hier mit Tochter Emmi und einem Lakenfelder-Hahn - ist der Vorsitzende des Neuhäuser Kleintierzuchtvereins.
Thilo Reusch - hier mit Tochter Emmi und einem Hahn - ist der Vorsitzende des Neuhäuser Kleintierzuchtvereins. Foto: Kirsten Oechsner
Thilo Reusch - hier mit Tochter Emmi und einem Hahn - ist der Vorsitzende des Neuhäuser Kleintierzuchtvereins.
Foto: Kirsten Oechsner

Straße und Kicker machen die Tiere unruhiger

Die im Juli 2015 in Betrieb gegangene Brücke war es auch, die zusammen mit dem ebenfalls erst später entstandenen Sportplatz, auf dem der FC 80 Neuhausen kickt, die Hähne im Lauf der Jahre lebhafter werden ließ. »Es ist ein Mehrpersonenbetrieb, durch den die Tiere nicht mehr so ruhig sind wie früher«, erläutert Thilo Reusch. Der Vorsitzende der Neuhäuser Kleintierzüchter freut sich über den juristischen Sieg seines Vereins. Das Landgericht Tübingen hat den Beschluss des Amtsgerichts Bad Urach am 8. November aufgehoben.

Das zweitinstanzliche Gericht liegt auf derselben Linie wie der beklagte Kleintierzuchtverein. »Wir haben den Vergleich eingehalten«, sagt Thilo Reusch. Das belege ein Einschließprotokoll, das die noch zwölf Züchter des 65 Mitglieder starken Vereins seit gut einem Jahr führen. »Morgens um sechs sperre ich auf, um 22 Uhr wieder zu«, beschreibt der Vorsitzende. Seine ebenfalls züchtenden Mitstreiter tun es nicht anders. Sie haben eine WhatsApp-Gruppe gebildet, halten sich gegenseitig auf dem Laufenden.

Gericht: Verein hält Vergleich ein

Reusch verhehlt nicht, dass die Kläger in der Folge behauptet hätten, das männliche Hühnervieh sei anschließend noch lauter geworden. Nur: »Sie haben ihre Behauptung nicht fristgerecht begründet.« Das habe das Landgericht Tübingen in seinem Beschluss auch festgestellt. Sebastian Wiest, Richter am Landgericht, der die Pressestelle der Abteilung für Zivilsachen betreut, gibt wieder, warum das Landgericht den Amtsgerichts-Beschluss aufgehoben hat: »Das von den Beklagten entwickelte System gewährleistet mittlerweile die Einhaltung der Verpflichtung aus dem Vergleich, in dem mehrere Vereinsmitglieder sich um den morgendlichen Aufschluss und den abendlichen Einschluss der Hähne kümmern und hierzu ein Schließprotokoll anfertigen.«

Schon seit 2019 hatte der Streit zwischen Anwohnern und Züchtern geschwelt, war die Sache zu Anwälten und schließlich zu den Gerichten gegangen. Das Uracher Amtsgericht schaltete zur Lärmmessung vor den Geflügelhäusern einen Gutachter ein. Vor Gericht kam es zur Verhandlung, der kein Urteil, aber ein Vergleich folgte, also ein von beiden Seiten ausgehandeltes und tragbares Ergebnis. Dieser sah nicht nur das vereinsverantwortliche zeitweise Einschließen der Hähne vor, sondern verpflichtete die Züchter auch zur Zahlung von 3.000 Euro »Vorschuss« für einen professionellen Schließdienst, falls die Vereinsmitglieder nicht selbst die Stalltüren zugemacht hätten.

Kein Rechtsmittel mehr möglich, aber neues Verfahren

Dieses Geld bekommt der Verein jetzt zurück. Dessen Vorsitzender ordnet ein: »Der Vergleich betraf nur fünf der zwölf Geflügelhäuser.« Die nämlich, deren Freibereich zum Parkplatz und dem Wohngebiet hin gelegen sind. Und: »Die Hähne dürfen weiterkrähen.« Nachts drinnen in diesen fünf Häusern, auch draußen rund um die sieben anderen.

Wo sonst Sportler des FC Neuhausen 80 kicken, hat ein Aufnahmegerät  das Krähen der gut 60 Meter entfernten Hähne des Kleintierz
Wo sonst Sportler des FC Neuhausen 80 kicken, hat ein Aufnahmegerät das Krähen der gut 60 Meter entfernten Hähne des Kleintierzuchtvereins Neuhausen gemessen. Diese Hör-Beweise sollten den jahrelangen Gockelstreit befrieden. Foto: Malte Klein
Wo sonst Sportler des FC Neuhausen 80 kicken, hat ein Aufnahmegerät das Krähen der gut 60 Meter entfernten Hähne des Kleintierzuchtvereins Neuhausen gemessen. Diese Hör-Beweise sollten den jahrelangen Gockelstreit befrieden.
Foto: Malte Klein

Ist es mit der tierischen Stille also in Übereinstimmung mit dem Recht nur begrenzt weit her, herrscht juristisch jetzt erstmal Ruhe: Gegen den Beschluss des Landgerichts können die Kläger nichts mehr machen. »Es kann ja wieder von vorne losgehen«, warnt Thilo Reusch allerdings trotzdem. Dann nämlich, wenn der Verein seine Hähne nicht so hält, wie im Vergleich beschlossen. Die klagenden Anwohner sind rechtsschutzversichert. Sollte die tierische Geräuschkulisse indes unverändert bleiben, stellt sich die Frage, warum die Gerichte künftig anders entscheiden sollten als heute.

Im Herbst und Winter ruhiger

Die Neuhäuser Hähne lärmen ohnehin nicht immer gleich. In der Winterkälte müssen sie den Hennen draußen weniger imponieren als in wärmeren Jahreszeiten. Das Krähen der aus der Rasse der Lakenfelder stammenden Vögel dient allerdings auch der Kommunikation und Warnung untereinander.

Im Frühjahr schlüpfen die Jungtiere. Die reißen bis August die Schnäbel auf und der Kamm schwillt ihnen, danach wird die Tierschar schon wieder weniger beeindruckend. »Viele Hähne werden weggeschlachtet«, macht der Chef der Neuhäuser Kleintierzüchter klar. (GEA)