PLIEZHAUSEN. Morgens um neun ist die Welt schwer in Ordnung im Schönbuchstadion. Der Himmel hält besser dicht als vorhergesagt, die Stimmung ist fröhlich und konzentriert zugleich und auf den Tartanbahnen rund um den Rasen knallen die ersten Startschüsse. Über 700 Kinder aus 44 Schulen sind beim 50. Leichtathletik-Kreisfinale von »Jugend trainiert für Olympia« dabei, organisiert von der Gemeinschaftsschule Pliezhausen. Sie starten in 25 Jungen-, 24 gemischten und 21 Mädchenteams mit jeweils zehn Sportlern und einem Ersatzmitglied.
»Die Zahlen sind rückläufig«, berichtet Uli Singer, der im vierköpfigen Orga-Team für die Zusammenstellung der Ergebnisse verantwortlich ist, »in Spitzenjahren waren es fast doppelt so viele, rund 1.300.« Ein Grund für den kleinen Einbruch: Corona-Vorsicht. Ein zweiter: Erst im März bekamen die Ausrichter das O. K. vom Regierungspräsidium Tübingen, dass sie das 50. Kreisfinale machen dürfen. Die Bedenk- und Anmeldezeit für die Schulen war daher viel kürzer also sonst. Deshalb gibt es diesmal nur zwei statt drei Wettkampftage. Nach den Grundschulen sind am heutigen Mittwoch die weiterführenden Schulen vereint.
Disziplinen. Nach Geschlechtern getrennt oder in gemischten Teams messen sich die Schüler im 50-Meter-Sprint, im Weitsprung und auf dem Hartplatz im Weitwurf mit dem 80-Gramm-Ball. Mit jeder Menge Energie in den Beinen geht’s immer zu sechst auf der Haupt- und der Gegengeraden ab, angefeuert von Mitschülern am Rand: »Hopp, hopp, hopp!« – »Ju-li-an, Ju-li-an!« Im Ziel: gespannte Stille. Wer war der Erste? Für viele zählt nicht das Gewinnen, sondern das Mitmachen. »Das Beste ist, dass wir jetzt keine Schule haben«, gesteht ein Mädchen. »Die Emelie ist 3,66 Meter weit gesprungen«, sagt eine Schülerin. »Die hat ja auch große Beine«, erwidert eine andere. Nicht jede wächst gleich schnell.Top-Ergebnisse gibt Sportlehrerin Doris Völker am Mikro durch, die selbst schon ein Jugend-trainiert-Urgestein ist, seit fast 20 Jahren mitorganisiert und kommentiert: »Enna Causevic von der Grundschule Mittelstadt ist 3,79 Meter weit gesprungen – ein tolles Ergebnis!« Später reißt ein Viertklässler gar die vier Meter – »hervorragend!«. Zum bunten Abschluss wirbeln jeweils acht Klassenstaffeln parallel über den Rasen. Danach gibt’s neun Pokale für die Sieger – und den Wanderpokal für die punktbeste Schule.
Kreisfinale »Jugend trainiert für Olympia« – Ergebnisse erster Tag
Wettkampf V/Jungen: 1. Freie Evangelische Schule Reutlingen 8.056 Punkte, 2. Sieben-Keltern-Schule Metzingen
7.736, 3. Hermann-Kurz-Schule Reutlingen 7.508.
Wettkampf V/Mädchen: 1. Freie Evangelische Schule Reutlingen 7.926 Punkte, 2. Grundschule Pfrondorf 7.777, 3. Hermann-Kurz-schule Reutlingen 7.711.
Wettkampf V/Gemischt: 1. Gustav-Werner-Gemeinschaftsschule Walddorfhäslach 6.924, 2. Grundschule Rommelsbach 6.876, 3. Römerschanzschule Reutlingen 6.838.
Der Wanderpokal wandert diesmal nicht, sondern bleibt in Pliezhausen: Die jungen Wettkämpfer der Grundschule sammelten mit 19.744 die meisten Punkte. (a)
Bewegung und Entspannung. Auch außerhalb der Wettkämpfe sind die Kinder häufig auf Achse. Im Dauerlauf geht’s zur Picknickdecke vieler Schulklassen unter Bäumen, zum Eiswagen vor dem Sportheim, zum Verpflegungshaus. Dort serviert der Förderverein der Schulen in Pliezhausen zusammen mit älteren Schülerinnen Maultaschenburger, Hotdogs, die heiß gefragt sind, und die ebenso begehrten Waffeln. Immer wieder bilden sich lange Schlangen.
Rolli-Selbsterfahrung. Wie es ist, in einem Rollstuhl vom Fleck zu kommen, können die bewegungsbegeisterten Kinder in einem kleinen Parcours an der Stabhochsprunganlage erfahren. Angeleitet von zwei erwachsenen Rollstuhlfahrern, geht es über schiefe Brett-Ebenen und durch eine Slalom-Passage.
Orga-Team. »Jugend trainiert« steht und fällt mit den Köpfen und dem Herzblut seiner Macher. Je zwei Frauen und Männer haben den langjährigen Kreisbeauftragten Joachim Gommlich, der 2016 zurückgetreten war und 2019 verstorben ist, beerbt: Doris Völker, Martin Beck, Susanne Sterr und Uli Singer, der vor 50 Jahren noch selbst im Kreisfinale wettkämpfte, später Sportlehrer wurde und seit Jahrzehnten die Ergebnisse zusammenträgt. »Im Augenblick läuft’s – wir sind froh!«, sagt Völker am Vormittag. Uli Singer hat »durchweg positive Rückmeldungen von Teilnehmern. Sie sind froh, dass endlich wieder etwas stattfindet.« Die Kreisfinal-Macher hatten wegen der lange bestehenden Pandemie-Beschränkungen und der vergleichsweise späten Genehmigung des RP weniger Zeit zum Planen als sonst, konnten erst im März damit beginnen, in Normaljahren geschieht das im November. Doris Völker ist auch ihrer Schulleitung und dem Kollegium von der Gemeinschaftsschule Pliezhausen dankbar, sind doch für »Jugend trainiert« zehn bis zwölf Lehrkräfte abgestellt, die im normalen Schulbetrieb genauso fehlen wie die rennenden oder helfenden Schüler.
Besondere, aufgesetzte Highlights braucht das 50er-Kreisfinale nicht. In Uli Singers Computerraum verarbeiten zehn Schüler die laufend hereingereichten Ergebnisse mit. Durch die geringeren Anmeldezahlen konnten die Veranstalter nach der Corona-Pause mit ihren großen Unsicherheiten schonender wieder hochfahren, als wenn gleich wieder über 1 000 Kinder und Jugendliche gemeldet worden wären.
Flitzis und Schülerhelfer. Ohne die über 100 Acht- bis Zehntklässler ginge gar nichts an Wettkampftag eins, eingeteilt sind sie in zwei Schichten von 7 bis 11.45 Uhr und von 12 Uhr bis Veranstaltungsende. Die Flitzis sind zusammen mit dem Bauhof der Gemeinde Pliezhausen für Auf- und Abbau der Wettkampfanlagen zuständig, Startblöcke etwa. Die Schülerhelfer werfen Bälle zurück zum Start, geben Wecken und Getränke aus, leiten aber auch Autofahrer auf Parkplätze weiter weg von der gesperrten Stadionzufahrt. Alles ist durchorganisiert, und im Zweifel haben die Leiter lieber ein paar Helfer mehr als einen zu wenig. Zum Glück gibt’s genug Engagierte.
Wettkampfrichter. An der Startpistole, und bei der Zeitnahme der Sprints sowie bei den Weitenmessungen der Sprünge und Würfe finden sich Lehrer genauso wie ehrenamtliche Kampfrichter aus Vereinen. Auch ohne sie alle ginge nichts. »Jugend trainiert für Olympia« bleibt ein Spektakel vieler gemeinsam zupackender Hände.
Bestleistungen. Zwar geht’s bei den Grundschülern noch nicht so leistungsbetont zu wie bei den Jugendlichen der weiterführenden Schulen, aber wer liegt nicht gerne vorne? Reuel Nyanga von der Freien Evangelischen Schule (FES) Reutlingen schafft die 50 Meter in 7,83 Sekunden, Maria Gherman von der Hermann-Kurz-Schule Reutlingen braucht als bestes Mädchen 8,05 Sekunden dafür. Im Weitsprung sind Tim Widmaier von der FES (4,44 Meter) und Enna Causevic (3,79) von der Grundschule Mittelstadt nicht zu schlagen, den Ball werfen Mohamad Baratian von der Grundschule Kleinengstingen (40 Meter) und Oriana Bolano (29,50) von der Grundschule Mittelstadt am weitesten.
Rotes Kreuz. Zehn Frau und Mann stark ist das Team des DRK um seinen Leiter Gerd Haug, das am Rand der Wettkämpfe mit Zelt, Know-how und Equipment einsatzbereit ist. Zu tun haben sie am ersten Wettkampftag wenig, allenfalls ab und zu wunde Glieder zu kühlen, nachdem Kinder hingefallen sind. »Das Wetter kommt uns entgegen«, sagt Gerd Haug. Die Temperaturen schwanken zwischen 17 und 20 Grad, es bleibt trocken, die Sonne zeigt sich hin und wieder, aber brennt und sticht nicht, ein leichtes Lüftchen weht – optimale Leichtathletik-Bedingungen. So kann es heute, am zweiten und letzten Wettkampftag weitergehen. (GEA)