METZINGEN. Hitler kam durch ihn letztendlich an die Macht, doch zuvor auch Heinrich Brüning, der keine Katastrophe über die Welt brachte: Paul von Hindenburg war als einstiger Reichspräsident und Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg eine politische Reizfigur. Metzingens Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier nennt ihn »zwielichtig«. Dem früheren partei- und fraktionslosen Stadtrat Michael Breuer war die Hindenburgstraße derart ein Dorn im Auge, dass er sie gerne umbenannt haben wollte. Schon vor fünf Jahren holte er die Grünen mit ins Boot.
Doch die Straße, eine der längsten in der Sieben -Keltern-Stadt, heißt weiter, wie sie im Dritten Reich getauft wurde. Allerdings ganz frisch mit ausführlichen Hinweistafeln auf den Namensgeber und seine politische Mitverantwortung versehen. Die hängen unter den eigentlichen Straßenschildern. Die Hinweise auf Hindenburg hatte der Metzinger Gemeinderat Ende 2022 beschlossen.
Vor allem die kritischen Seiten
Kurzsichtig darf man nicht sein, um die in rund zweieinhalb Meter Höhe hängenden sechs eng beschriebenen Zeilen zu entziffern. Wer es schafft, liest den Text, den eine Kommission aus Gemeinderats- und Stadtverwaltungsvertretern ausformuliert hat und der vor allem auf die kritischen Seiten des Ex-Präsidenten hinweist: »Er trägt Mitverantwortung für die nachfolgende Errichtung der NS-Diktatur«, heißt es da unter anderem.
In einer früheren Hinweis-Version hatte Bidlingmaier Hindenburg sehr viel neutraler beschrieben: »Hindenburgstraße, benannt nach Paul von Hindenburg (1847–1934), Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg, Politiker und Reichspräsident 1925–34«, lautete sie. Das stieß im Gemeinderat auf teils deutliche Kritik. »Die Hinweise regen wenig zum Nachdenken an. Da braucht’s mehr«, befand etwa Grünen-Sprecher Dr. Georg Bräuchle. »Die Straße muss zeigen, dass Hindenburg keine ehrwürdige Person mehr ist, auch wenn er’s in der damaligen Zeit war«, legte Robert Schmid (FWV) nach. Daraufhin wurde Ende 2023 die Schildtextfindungskommission ins Leben gerufen.

»Mit diesem Kompromiss kann ich leben«, sagt Michael Breuer, der die schlanken Hinweistafeln zusammen mit Bidlingmaier, Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Eckart Ruopp am Donnerstag vorgestellt hat. »Eine Umbenennung wäre mit der Gemeinderatsmehrheit nicht machbar gewesen«, blickt Ruopp zurück und erwähnt dabei ausdrücklich auch das Votum des im August 2022 verstorbenen langjährigen FWV-Fraktions- und Arbeitskreis-Stadtgeschichte-Vorsitzenden Peter Rogosch.
»Hindenburg war Teil der deutschen Geschichte, die man nicht schönreden kann«, macht Ruopp deutlich und deckt sich damit mit Bidlingmaier. »Deshalb ist eine Erinnerungsmöglichkeit in der Stadt gut«, sagt der Stadtarchivar. Die Rathauschefin argumentiert mit der Sicht der Anwohner: »Eine Umbenennung hätte für sie eine andere Adresse bedeutet.« Was besonders bei Geschäftsleuten und ihren Kunden ein erheblicher Eingriff sein könnte, »Es ist ein guter Kompromiss, das Straßenschild mit einer Zusatztafel zu versehen.«
QR-Codes für die Generation Smartphone
Fünf davon stehen entlang der Straße, die sich vom Marktplatz bis zum Bahnhof-Vorplatz schlängelt, zwei Tafeln sind doppelseitig beschriftet, weil aus zwei Richtungen lesbar. Einen Meter weiter unten an den Hindenburgstraßenschildstangen hängen Aufkleber mit QR-Codes. Die fallen auch der Generation Smartphone auf, die das Dritte Reich nicht mehr selbst erlebt hat, die die Kommunalpolitiker und Verwaltungsbeamte von heute aber ausdrücklich ansprechen und mahnend erinnern wollen.
Wer an den Straßenschildern stehen bleibt und die Codes abscannt, bekommt mehr Infos über den heute umstrittenen damaligen Reichspräsidenten Paul Hindenburg. Dass die ehemalige Bahnhofstraße vom gleichgeschalteten Metzinger Gemeinderat 1933 in Hindenburgstraße umbenannt wurde, steht auch auf den eng beschriebenen Tafeln unter den Straßenschildern. (GEA)