WALDDORFHÄSLACH. »Ich bin mit dem Namen von Gustav Werner groß geworden«, sagt Roswita Decker-Röckel. Und es stimmt: Der so sozial eingestellte Pfarrer und Begründer der Bruderhaus Diakonie hat in Walddorfhäslach, wo er von 1834 bis 1840 lebte und wirkte, viele Spuren hinterlassen, die bis heute bei vielen Menschen nachwirken. Es gibt ein Gustav-Werner-Seniorenstift und eine Gustav-Werner-Schule in Walddorf. Um seinen Einfluss auf den kleinen Ort in Erinnerung zu halten, hat sich Gemeinderätin Decker-Röckel am Sonntag mit rund dreißig Interessierten auf eine Spurensuche begeben.
Die erste Station war das heutige Pfarrhaus in Walddorf. Dort an der Hauswand hängt eine Gedenktafel, die an Gustav Werners Zeit in Walddorf erinnert. Doch wie war sein Weg, ehe er in den Ort im Unteramt kam? Decker-Röckel berichtet: »Gustav Werner hat in Tübingen Theologie studiert, mit dem Ziel Pfarrer zu werden«. Doch er sei nicht gleich in den Pfarrdienst gegangen, er sei »ein Suchender« gewesen, so Decker-Röckel.
Der Einfluss Oberlins auf Gustav Werner
Gustav Werner arbeitete zuerst als Privatlehrer in Straßburg. In der dortigen Gegend lernte er den Pfarrer, Pädagogen und Sozialreformer Johann Friedrich Oberlin kennen, der als einer der Väter der Kindergärten gilt. Dort habe Gustav Werner gelernt, was Bildung bedeute und wie man sich damit ein Auskommen schaffen könne, erklärt Decker-Röckel.
Mit der Straßburger Erfahrung sei Gustav Werner nach Walddorf gekommen. Er trat dort die Stelle als Vikar an, um den dortigen Pfarrer Philipp Landerer zu entlasten. »Es war keine einfache Zeit«, erzählt Decker-Röckel. Neben den Bauern, die ihr Auskommen hatten, habe es auch viele Tagelöhner im Ort gegeben, mit wenig Einkommen und vielen Kindern.
Auf dem Weg zur »Anstalt«
Mit seinen neuen Ideen habe Gustav Werner in Walddorf »alles durcheinander gebracht«. Und der damalige Bürgermeister Johann G. Heim habe deshalb auch einmal gesagt »So hent mehr no koin ghet.« Um die Außergewöhnlichkeit des neuen Vikars zu illustrieren, geht Decker-Röckel mit ihren Zuhörern weiter zur Kirche und zum CVJM-Zentrum. Dort stand bis 1972 die sogenannte »Anstalt«. Mit Unterstützung der Krämerin Charlotte Nagel, der das Haus gehörte, eröffnete Gustav Werner dort in zwei Zimmern eine Kleinkinderschule für Kindergartenkinder und eine Industrieschule für Mädchen.
Das einschneidende Datum sei aber der 11. August 1838 gewesen. Eine Tagelöhnerfrau war gestorben und hatte sechs Kinder hinterlassen. Zwei der Kinder wurden in dem Gebäude untergebracht, »es war die Geburtsstunde der Kinderrettungsanstalt«, so Decker-Röckel. Das Gebäude sei zu einem Haus für bedürftige Kinder geworden.
Es gab auch Kritik und Neider
Gustav Werner habe damals sehr viel Unterstützung im Ort erfahren. Aber wie bei jeder Sache gebe es natürlich Kritiker und Neider, erzählt Decker-Röckel weiter, »das ist leider normal.«
Doch zuerst baute Gustav Werner seine Arbeit weiter aus. Als in Walddorf ein Backhaus gebaut wurde, gelang es ihm mit Spenden noch ein zweites Stockwerk auf dem Gebäude errichten zu lassen. Damit erhielt er zusätzliche Räume für seine Kleinkinder- und Industrieschule. Produkte, die die Kinder in der Schule fertigten, wurden in der Umgebung gewinnbringend verkauft.
Vikar soll seine Arbeit machen
Das ehemalige Backhaus war die fünfte Station auf dem Rundweg. Doch mit dem Erfolg von Gustav Werners Einrichtungen seien auch die Neider auf den Plan gekommen, meint Decker-Röckel. Seine Arbeit sei einigen ein Dorn im Auge gewesen: »Sie wollten, dass er sich mehr auf seine Arbeit als Vikar konzentriert.«
Doch Gustav Werner wollte nicht von seinen Ideen lassen »und deshalb musste er schließlich gehen«. Am 14. Februar zog Gustav Werner mit zwei Mitarbeiterinnen und zehn Kindern nach Reutlingen. Dort rief er später die Bruderhaus Diakonie ins Leben.
Gottesdienste in der Scheune
Der Kontakt zu Walddorf sei aber nie abgebrochen, betont Decker-Röckel. Sie führt die Zuhörer am Sonntagvormittag noch zu zwei weiteren Stationen. Die erste ist eine alte Scheune, in der Gustav Werner später Gottesdienste abhielt, um auch Spenden für sein Werk zu sammeln. Von diesen Ereignissen gibt es sogar ein Gemälde, das in der Stuttgarter Staatsgalerie hängt. Und die siebte und letzte Station war ein großer Birnbaum. Dort auf der Wiese hinter dem Gaiser`schen Haus hielt Gustav Werner Vorträge, die »von seiner Anhängerschaft aus nah und fern besucht wurden«. (GEA)