REUTLINGEN/ERMSTAL. Vor dem Reutlinger Amtsgericht kommt der Angeklagte ins Plaudern, über sich, seine mit ihm nach islamischem Recht verbundene Partnerin und einen ausstehenden Vaterschaftstest für den jüngsten Sohn. Seine Partnerin, die mit ihm in Trennung lebt, habe ihm verweigert, dass er mit seinem Sohn redet. Der sei nämlich nicht sein Kind. Der Angeklagte fragt sich nun, ob er dem wirklichen oder vermeintlichen Sohn sein Land in Iran vererben soll. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagt der Mann Anfang 40. Der Vorsitzende Richter Eberhard Hausch fragt ihn über den Dolmetscher: »Weiß er, warum er hier ist?«
»Wegen der Nacht«, antwortet der. Im Mai soll der Angeklagte, so wirft es ihm die Staatsanwältin Lisa Schall vor, seine von ihm getrennt lebende Partnerin aufgesucht und mit einem Beil die Terrassentür eingeschlagen haben. Er soll dann seine Partnerin geschlagen und versucht haben, mit dem Werkzeug die Tür des Kinderzimmers einzuschlagen, in das sich der neue Freund der Partnerin und deren jüngster Sohn geflüchtet hatten. Schall wirft dem Mann Bedrohung und Misshandlung vor. Angeklagt ist er wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung.
Mit Beil die Terrassentür zerschlagen
Richter Hausch fragt den Mann, ob er etwas falsch gemacht habe. »Verdienen Sie eine Strafe, wegen der Sie angeklagt wurden? Und warum?« Der Angeklagte räumt ein, Fehler gemacht zu haben: »Ich bin zur Wohnung gefahren und habe die Scheibe eingeschlagen.« Doch wenn es nur das wäre, würde Hausch den Fall nicht vor dem Schöffengericht verhandeln lassen, sagt dieser. Stattdessen gehe es nun darum, ob der Angeklagte seine Partnerin gewürgt und mit einem Beilstiel geschlagen habe oder nicht. Der Angeklagte sagt, das habe er nicht getan.
Er und die Partnerin seien seit 13 Jahren ein Paar, wohnten aber nicht mehr zusammen. In der Pause der Nachtschicht habe ihm ein Kollege ein Tik-Tok-Livevideo gezeigt, auf dem seine Frau und ihr Freund zu sehen sind. Was im Video sichtbar gewesen sein soll, darüber gab es unterschiedliche Angaben. »Sie saß bei ihm auf dem Schoß. Er berührte ihre Brüste. Sie tauschten Zärtlichkeiten aus. Als ich das sah, hat in mir ein Feuer gebrannt«, sagt der Angeklagte.
Stark blutende Wunden
Die Frau dagegen sagt aus, sie sei ganz zu sehen, ihr Freund aber nur halb. Sie habe nicht auf seinem Schoß gesessen, sondern neben ihm. Ihr Freund sagt aus, er habe während der Aufnahme seinen Arm um sie gelegt. Einig sind sich alle, dass der Angeklagte zur Wohnung der Frau ins Ermstal gefahren, mit einem Beil die Terrassentür eingeschlagen und sei durch die Scherben ins Wohnzimmer gekommen sei. Dabei habe sich der Mann stark blutende Wunden zugezogen.
Im Wohnzimmer der Frau habe der Freund der Partnerin ihn mit einem Stuhl geschlagen, sagt der Angeklagte. Die Frau habe ihren Freund zu ihrem jüngsten Sohn ins Zimmer geschickt. Dort schlossen sie sich ein. Einmal habe er mit dem Beilstiel nach seiner Partnerin geschlagen. Weil er so viel geblutet habe, habe er seine Tat abgebrochen. Dann hätten ihn seine Partnerin, ihr älterer Sohn und ihr Freund angegriffen.
Durch die Schläge zerbricht das Beil
Die Partnerin sagt aus, sie hätten sich durchaus getrennt und der Angeklagte habe ihr eine neue Beziehung verboten. Nachdem er in die Wohnung gekommen sei, habe der Angeklagte mit dem Beil auf die Kinderzimmertür eingeschlagen, sie gewürgt, den dazugekommenen älteren Sohn angegriffen und sie geschlagen. Darum habe sie eine Wunde an der Lippe und einen geschwollenen Finger gehabt und nach dem Würgen eine Woche nicht essen können.
Der Prozess wird am 7. Januar 2025 ab 16 Uhr im Reutlinger Amtsgericht fortgesetzt. Dann soll ein Gerichtsmediziner zu den Verletzungen und zur Wirkung der Medikamente aussagen, die der Angeklagte täglich nimmt und dies auch am Tattag getan hatte. Er selbst sagt dazu: »Die sechs Tabletten sind viel schlimmer als Alkohol. Man kann damit die Kontrolle verlieren.« (GEA)
Im Gerichtssaal
Vorsitzender Richter: Eberhard Hausch. Schöffen: Annette Jung, Thomas Hirsch. Staatsanwältin: Lisa Schall. Verteidiger: Urs-Gunther Heck. Nebenklage: Eva Wagner-Tietz. Dolmetscher: Ali Safie. (GEA)