RIEDERICH. An der Straße zwischen Riederich und Grafenberg steigt Dampf auf, gewinnt an Höhe und verliert sich schließlich im Abendhimmel. Dieser Dampf soll am Montagabend den Rauch eines Feuers symbolisieren. Um den abzustellen, müsste nicht mal die Feuerwehr ausrücken. Es würde reichen, der Nebelmaschine draußen vor dem Stall des Aussiedlerhofs Hacker den Stecker aus der Dose zu ziehen. Dann würde das imaginäre Feuer erlöschen. Doch an diesem Montagabend soll es ruhig weiterhin dampfen. Schließlich will die Feuerwehr Riederich gemeinsam mit den Wehren aus Grafenberg, Metzingen und Reutlingen die Wasserversorgung testen, falls es mal auf dem oberhalb von Riederich gelegenen Hof brennen sollte.
Am Rande der abgesperrten Grafenberger Straße steht am Montagabend der Feuerwehrkommandant Harald Hacker und schaut in Richtung Tal. Von dort werden demnächst die Feuerwehren mit Blaulicht kommen - aber nicht mit Martinshorn. »Sonst hätten wir hier viel zu viele Schaulustige«, erklärt Hacker seine Entscheidung. Noch hat er etwas Zeit, die Übung zu erläutern: »Wir wollen die Wasserversorgung hier für den Brandfall testen.« Er habe nämlich den Eindruck, dass die schlecht aufgestellt sei. Die Schwierigkeit ist die Lage des Hofes - etwa 300 Meter vom Ort entfernt und oberhalb davon. Hacker zeigt auf den Asphalt am Rande der Straße. »Dort ist ein Hydrant mit einer 80er-Leitung und von dahinten bekommen wir Wasser mit einer 150er-Leitung«, sagt Hacker und deutet schräg den Hang hoch.
Ein paar Minuten später fahren die ersten beiden Feuerwehrwagen den Berg hoch und halten quer über dem Fußweg. Es sind die Einsatzleitwagen, von denen aus die Übung gesteuert werden soll. Ein paar Minuten später kommt das Riedericher Iveco Löschfahrzeug 1/46 an. Dessen Mannschaft rollt die ersten Schläuche aus, verbindet sie und legt sie auf dem Hof zwischen dem Wohnhaus und dem Stall aus, sodass neun Schlaufen entstehen. »Diese vielen Schläuche sind die Reserve. Sie dringen nämlich so weit wie möglich ins Gebäude an den Brandherd vor«, erklärt der Truppführer Lars-Michael Stiefel. Der Schlauch dient bei einem wirklichen Feuer nicht nur dem Löschen, sondern bei auch der Eigensicherung. »Wenn die Sicht innen eingeschränkt ist, brauchen sie zurück nur dem Schlauch folgen und finden raus«, sagt Stiefel.
Mittlerweile füllen sich die Schlauchwindungen mit Wasser. Ein Teil liegt noch leer auf dem Boden, andere wölben sich bereits unter dem Wasserdruck. Auf der Straße hält derweil ein Mercedes-Lastwagen der Metzinger Feuerwehr mit einer Drehleiter. Der Fahrer rangiert den Wagen rückwärts in den Hof, fährt die Seitenstützen aus und setzt sich auf die Bedienplattform neben der Leiter, die begleitet von einem hellen Ton sich gen Abendhimmel reckt. Vom Drehleiterkorb wird später ein Feuerwehrmann Wasser nicht etwa auf Flammen spritzen, sondern auf die umliegenden Wiesen.
350 Schafe als Bewohner
Im Halbdunkel des Schafstalls, der nach dem Übungsszenario brennt, hocken zwei Feuerwehrleute mit Schläuchen auf dem Boden. Vor ihnen blöken die etwa 350 Schafe. Eines beginnt, ein anderes antwortet. Dann laufen sie los, weg von den Feuerwehrleuten hin zum Licht auf der anderen Stallseite.
Nicht nur der Mann auf der Drehleiter hat einen Überblick über die Lage, sondern auch Harald Hacker, der nicht mit den Hofeigentümern namens Hacker verwandt ist. Der Feuerwehrkommandant steht weiter vom Hof entfernt und schaut auf sich bewegende Bilder, die über den Abendhimmel surrende Drohnen liefern. »Die Aufstellung ist perfekt«, sagt Hacker und zeigt auf eines der Videobilder. »Die Wagen stehen alle koordiniert, und auch die Leitungen liegen gar nicht schlecht«, lobt er. Dann geht er die ansteigende Straße hoch - zurück dem Aussiedlerhof.
7.000 Liter Wasser in drei Minuten
Unterwegs läuft Wasser in kleinen Wellen die Straße herunter. Irgendwo passt eine Schlauchleitung nicht 100-prozentig. Links davon steht ein Container der Metzinger Feuerwehr. »Da sind 7.000 Liter Wasser drin.« Aber an diesem Abend verschieben sich Dimensionen. »In drei Minuten war der 7.000 Liter-Tank leer«, sagt Hacker später. Danach pumpt der Motor Wasser aus dem Ort den Berg hoch.
Nach etwa anderthalb Stunden Übung zieht Jörn Weiser, der Einsatzleiter der Riedericher Feuerwehr, eine vorläufige Bilanz: »Wir dürfen seit Samstag kein Wasser mehr an der Saugstelle aus dem Hochbehälter abpumpen. Darum konnten wir nur das Wasser aus den Hydranten nehmen.« Sonst hätte es sein können, dass dort Luft in die Leitung gekommen wäre. »Dann wäre Riederich ohne Wasser gewesen.« Der Nachteil war, dass zwei Fahrzeuge trocken standen. Aber auch mit dem Wasser ohne dem aus der Saugstelle hätte die Feuerwehr löschen können, wobei die Strategie wäre, dass ein mögliches Feuer nicht auf das Wohnhaus und die Maschinenhalle übergreift. Weiser ordnete den Einsatz ein: »Wir haben hier drei Objekte, bei denen es Probleme mit der Wasserversorgung gibt: den Hof hier, das Sportheim und das Bahnwärterhäuschen, das mal abgebrannt ist, aber wieder aufgebaut wurde.«
Etwas abseits steht Marianne Hacker in der Hofeinfahrt und unterhält sich. »Alle paar Jahre kommen die Feuerwehrleute hier hoch und üben«, sagt sie und ergänzt: »Ich bin froh darüber.« Schließlich lebt sie mit ihrer Tochter und deren Familie auf dem Hof, auf dem die Feuerwehrleute gerade zusammenpacken. »Ich finde es spannend, das zu sehen.« So bekommt sie nämlich einen Eindruck von den Abläufen bei einem Brand. »Ich weiß dann schon, wo die anfangen«, sagt Marianne Hacker. Doch nun hören die Feuerwehrleute auf. Gerade fährt einer von ihnen die Drehleiter herunter, auf deren Plattform niemand mehr steht. Dass jemand von dort Wasser nach unten gespritzt hat, ist noch gut zu sehen. Von dort fallen nämlich Tropfen um Tropfen auf den Boden der Hofeinfahrt und zerplatzen dort. Immer wieder. (GEA)