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Aktuell Tourismus

Gibt's Rostbraten in der Region bald erst ab 30 Euro?

Verein Mythos Schwäbische Alb sieht Lockdowns nachwirken und diskutiert, wie’s besser werden kann.

Foto: H.Leitner/AdobeStock
Foto: H.Leitner/AdobeStock

BAD URACH. Eigentlich hätte Wolfgang Schütz schon viel Ruhestandszeit haben sollen, in der er sich Zwiebelrostbraten mit geschabten Spätzle und Gemüse hingeben könnte: Zum 1. Juni sollte Schluss mit Beruf sein. Doch der Geschäftsführer des Tourismus-Vereins Mythos Schwäbische Alb hat um drei Monate verlängert, bis Ende August, um seiner Nachfolgerin und bisherigen Stellvertreterin Sarah Reinhardt den Weg ins Amt zu ebnen. Und so kann er auf seiner mutmaßlich letzten Pressekonferenz im Uracher Rathaus prognostizieren, dass »es Zwiebelrostbraten mit Beilagen bald nicht mehr unter 30 Euro geben dürfte«. Wohingegen hier und dort Lokale wegen Personalmangel mehr Ruhetage als früher haben.

Schuld an allem sind die Auswirkungen der Pandemie und Lockdowns, genauso aber die hohen Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs, die Gastronomen über kurz oder lang genauso treffen können wie Otto Normalmensch. Der könnte sich bald doppelt und dreifach überlegen, wie oft er noch essen geht.

Zwiebelrostbraten mit Beilagen für unter 30 Euro – wie lange noch?  FOTO: PFISTERER
Zwiebelrostbraten mit Beilagen für unter 30 Euro – wie lange noch? FOTO: PFISTERER
Zwiebelrostbraten mit Beilagen für unter 30 Euro – wie lange noch? FOTO: PFISTERER

Eigentlich geht’s im Pressegespräch, an dem auch Bad Urachs Bürgermeister Elmar Rebmann als Vorsitzender des Vereins Mythos teilnimmt, um positive Aussagen wie »Der Tourismus ist ein wichtiger Standortfaktor im Kreis Reutlingen«. Überschattet und verunsichert von den Krisen eben, die viele Beschäftigte in andere, sicherere Arbeitsbereiche abwandern lassen haben. Aber inzwischen wieder erstarkend. Im Jahresvergleich 2021/22 schnellten die Zahlen hoch, doch das hat nichts zu bedeuten, denn vor einem Jahr mussten Hotels und Restaurant zuhaben.

Über 8.000 Beschäftigte im Kreis

»Im Vergleich zu April 2019 im letzten Vorcorona-Jahr kamen 16 Prozent weniger Tagestouristen und gab es 12,7 Prozent weniger Übernachtungen«, gibt Schütz Zahlen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (dwif) an der Uni München wieder. Mit dem 1950 gegründeten Marktforschungsinstitut lässt Mythos schon seit 2006 die touristische Lage im Landkreis Reutlingen im Fünfjahresabstand beleuchten. 2021 zählte das dwif 10.9 Millionen Tagesreisen und 2,4 Millionen Übernachtungen. Der Brutto-Umsatz lag bei 511 Millionen Euro, das touristische Einkommen bei 222 Millionen Euro – was 2,3 Prozent des Gesamteinkommens im Landkreis Reutlingen entspricht. 6.760 Vollzeitarbeitsplätze waren in der Branche (noch) zu verzeichnen. Tatsächlich beschäftigt – oft arbeiten die Menschen im Hotel- und Gastro-Bereich in Teilzeit oder auf Minijobbasis – dürften in der Branche über 8.000 Frauen und Männer sein. »In Hoch-Zeiten im Jahr 2016 waren es weit über 10.000«, blickt Elmar Rebmann zurück.

Doch es nimmt nicht Wunder, dass von 2016 zu 2021 alle touristischen Eckzahlen zurückgegangen sind. Corona lässt grüßen. Und die daraufhin von der Politik verhängten, bis zu halbjährigen Schließungen, die aus Wolfgang Schütz’ Sicht im touristischen Bereich so nicht nötig gewesen wären: »Die Vorgaben etwa zur Hygiene oder Luftfiltern wurden in Hotels und Gastronomie sofort umgesetzt, dort gab es nie einen Hotspot«, blickt der Noch-Geschäftsführer von Mythos zurück, »ich kann bis heute nicht nachvollziehen, dass man dort den Stecker gezogen hat.« Vereinsvorsitzender Elmar Rebmann zieht mehr in den Fokus, dass die Corona-Finanzhilfen von Bund und Land gegriffen haben, was Wolfgang Schütz auch nicht in Abrede stellt. Er ist froh, dass so gut wie kein touristischer Betrieb im Kreis wegen Corona aufgeben müssen hat.

Wolfgang Schütz:  »Kann nicht nachvollziehen, dass man in Hotels und Gastronomie den Stecker gezogen hat« FOTO: FINK
Wolfgang Schütz: »Kann nicht nachvollziehen, dass man in Hotels und Gastronomie den Stecker gezogen hat« FOTO: FINK
Wolfgang Schütz: »Kann nicht nachvollziehen, dass man in Hotels und Gastronomie den Stecker gezogen hat« FOTO: FINK

Wie kann die Lage nachhaltig besser werden? Der Verein Mythos hat seiner Geschäftsführung 30 000 Euro für zusätzliches Marketing regionaler gastronomischer Angebote vor allem in Social Media bereitgestellt. Mit Erfolg: »Wir haben positive Rückmeldungen bekommen. Verschiedene Betriebe haben nach der Kampagne mehr Nachfrage gespürt«, sagt Schütz. Könnten Flüchtlinge aus der Ukraine Joblücken in der Branche schließen helfen? Die Lage ist zweischneidig. »Die meisten wollen, so schnell es geht, wieder zurück in ihre Heimat«, weiß der Mythos-Geschäftsführer, doch auch: »Sie wollen sich hier einbringen.« Rebmann ergänzt: »Für die Branche braucht man einen gewissen Level an Deutschkenntnissen. Das ist eine Herausforderung.« Würde eine dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent Besserung verschaffen? »Das wäre begrüßenswert, wird aber mittelfristig nicht reichen«, glaubt Wolfgang Schütz.

Es wird ihn zumindest beruflich nicht mehr tangieren. Der Mann mit dem markanten Schnauzbart wird auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung von Mythos Schwäbische Alb e.V. am 28. Juli in der Reha-Klinik von Eva Rühle tatsächlich in den Ruhestand verabschiedet. Und hat dann endlich viel Zeit für den Schwäbischen Rostbraten. Noch gibt’s ihn der Kurstadt Bad Urach für 28,50 Euro. Mit Beilagen. (GEA)

Der Rutschenfelsen mit seinem grandiosen Ausblick über die Waldberge und manchmal auch Wolken bei Bad Urach gehört zu den touris
Der Rutschenfelsen mit seinem grandiosen Ausblick über die Waldberge und manchmal auch Wolken bei Bad Urach gehört zu den touristischen Top-Zielen der Region. FOTO: FODOR
Der Rutschenfelsen mit seinem grandiosen Ausblick über die Waldberge und manchmal auch Wolken bei Bad Urach gehört zu den touristischen Top-Zielen der Region. FOTO: FODOR