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Falkensteiner Höhle: GEA-Redakteur über die Welt tief im Berg

Die Falkensteiner Höhle an einem trockenen Sommertag: Eindrücke von einer sportlichen Tour zwei Wochen vor dem Unglück.

In der Falkensteiner Höhle wechseln sich auf der Seenstrecke felsige Passagen und solche durch Wasser ab. An diesem trockenen So
In der Falkensteiner Höhle wechseln sich auf der Seenstrecke felsige Passagen und solche durch Wasser ab. An diesem trockenen Sommertag steht das Wasser dort nicht hoch. Es kann durchwatet werden. Foto: Coyote Outdoor Events
In der Falkensteiner Höhle wechseln sich auf der Seenstrecke felsige Passagen und solche durch Wasser ab. An diesem trockenen Sommertag steht das Wasser dort nicht hoch. Es kann durchwatet werden. Foto: Coyote Outdoor Events

BAD URACH/GRABENSTETTEN. Unten im Berg sehe ich die Hand nicht mehr vor Augen. So dunkel ist es hier das ganze Jahr über. Und genau das genieße ich im Moment. Nur meine Ohren liefern mir Informationen über meine Umwelt – die Falkensteiner Höhle in der Karstlandschaft der Schwäbischen Alb zwischen Bad Urach und Grabenstetten. Irgendwo fällt ein Tropfen und fällt platschend auf den wasserbedeckten Höhlenboden. Dann fällt der nächste – etwas weiter weg. Wie weit, kann ich nicht sagen. Denn dafür müsste ich etwas sehen können. Was ich aber sagen kann: Die Tropfen sind weiter hinten und es sind viele. Jeder von ihnen hallt einen Moment nach. Dann fällt der nächste.

Ein paar Minuten sitze ich gemeinsam mit Jochen Hintz in der Goldgräberhalle der Höhle im Dunkeln. Dass ich nichts sehe, stört mich nicht. Im Gegenteil: Ich hatte ja die Idee, in die Höhle hinein zu hören, ohne etwas zu sehen. Es ist richtig meditativ und für mich die Krönung unserer Tour in die Falkensteiner Höhle.

Schnitt durch die Falkensteiner Höhle: In der Reutlinger Halle saßen die Höhlengänger am Sonntag fest. Unser Reporter war bis zur Goldgräberhalle im Berg. Grafik: Arge Höhle & Karst Grabenstetten
Schnitt durch die Falkensteiner Höhle: In der Reutlinger Halle saßen die Höhlengänger am Sonntag fest. Unser Reporter war bis zur Goldgräberhalle im Berg. Grafik: Arge Höhle & Karst Grabenstetten

Der 49-jährige Jochen Hintz kennt sich in dieser anderen Welt im Berg aus. Er betreibt gemeinsam mit seiner Freundin Constanze Krauß die Firma Cojote Outdoor Events, die geführte Touren mit Versicherungsschutz in die Falkensteiner Höhle anbietet. Wir sind uns vor gut einem Jahr am Portal der Falkensteiner Höhle begegnet. Ich war dorthin gewandert. Er kam gerade mit einer Gruppe aus der Höhle. So kamen wir auf die Idee, dass wir die Falkensteiner Höhle bis zum ersten Siphon gemeinsam befahren – wie es in der Fachsprache heißt. An diesem Abend im Juli, zwei Wochen vor dem Unglück am Sonntag, sind wir dort etwa 400 Meter im Berg.

»Es gibt hier nur eine wasserdurchflossene Höhle auf der Alb«

»Schalten wir die Lampen wieder ein und gehen zurück«, sagt Jochen Hintz. Er ist an diesem Tag für mich nur Jochen. Denn Höhlengänger duzen sich. Und so drücken wir wieder auf die Knöpfe der wasserdichten Stirnlampen an unseren Helmen. »Du hast es lange im Dunkeln ausgehalten«, sagt Jochen. Andere würden schnell wieder das Licht anschalten.

In Neoprenanzüge gekleidet und mit Helmen auf dem Kopf machen wir uns auf den Weg zurück zum Ausgang. In der Falkensteiner Höhle ist es kalt und nass. Die Luft hat eine Temperatur zwischen zehn und zwölf Grad und das Wasser ist sechs bis acht Grad kalt.

Rückblende: Gegen 18.30 Uhr stehen Jochen und ich im Portal der Falkensteiner Höhle. Kinder spielen mit Steinen an einer Pfütze. Dabei sind deren Mutter und der Großvater. »Gehen Sie weit in die Höhle?«, will die Frau wissen. Das kann man so oder so sehen. »Nein, wir gehen nur bis zum ersten Siphon rein«, sagt Jochen. Danach muss man tauchen. Für mich ist das eine ordentliche Strecke.

Bisher war ich in der Todtsburger Höhle bei Mühlhausen im Täle mit meinem Bruder. Aber die ist mit 110 Metern kürzer. In den Tagen vorher habe ich mir Videos von der Falkensteiner Höhle angeschaut. Ich freue mich sehr auf dieses Abenteuer und Jochen ist ja dabei. »Es gibt hier nur eine wasserdurchflossene Höhle auf der Alb. Es ist ein Geschenk, dass wir die vor der Haustür haben«, sagt er. Wir schalten die Stirnlampen an und gehen gebückt an einer Lehmwand entlang. Es ist der Demutschluff.

»Wir erweisen der Höhle unsere Demut und verneigen uns vor ihr«, sagt Jochen und schiebt noch hinterher: »Das ist nur eine kleine Strecke. Danach können wir aufrecht gehen.« Jochen geht voraus. Er setzt seine Füße, die wie meine in Wanderschuhen stecken, in das flache Wasser des Höhlenbachs. Mit jedem Schritt spüre ich einen Widerstand. Es ist die Luft in den Schuhen, die für einen Auftrieb sorgt. Komisch ist, dass ich nicht weiß, wohin ich meine Füße setze. Denn ich sehe keinen Grund. So trübe ist das Wasser. »Heute Vormittag war eine Schulklasse in der Höhle.«

Vor uns liegen nun große Gesteinsbrocken. Jochen steigt auf, und ich folge ihm. »Du brauchst keine Sorge zu haben. Sie sind nicht glitschig.« Trotzdem gehe ich bedächtig und überlege mir nach jedem Schritt, wo ich meinen Fuß als Nächstes hinsetze. So geht es über die Steinquader hoch und wieder runter. »Wie viel Steigung hat die Höhle?«, will ich wissen. Denn ich habe das Gefühl, dass wir hochklettern. Doch das ist gar nicht so. »Wir gehen relativ eben. Die Höhle hat auf 3,5 Kilometern, die sie ohne Tauchausrüstung befahrbar ist, nur eine Steigung von 50 Metern.« Jochen sagt, was es mit den Steinquadern auf sich hat: »Das Wasser ist von der Alb in den Boden gesickert und hat Kalk gelöst. Dann sind die Steine herunter gefallen.«

Weiter geht es. Dieses Mal läuft mir das Wasser von oben in die Wanderstiefel. Für einen Moment ist es kalt. Dann wärmen die Neoprensocken meine Füße. Wir waten durch das Wasser. Bei jedem unserer Schritte rauscht es, und ich frage mich, wie es wohl im Stillen und Dunkeln in der Höhle ist. Darum werden wir später in der Goldgräberhalle das Licht löschen.

Wir kommen gut voran und biegen in einen Teil, in dem das Wasser etwas tiefer ist. Es geht mir bis zum Bauch. Erst ist es mir unangenehm. Doch dann wärmt mich der nasse Neoprenanzug.

Als es wieder trocken wird, kommen wir zu einem spektakulären Platz: dem sogenannten Weißen Riesen. Kalkhaltiges Wasser hat helle Spuren hinterlassen.

Nach gut anderthalb Stunden erreichen wir den Pausenplatz vor dem ersten Siphon, einem auch bei normalem Wasserstand überfluteten Teil der Höhle, durch den die Höhlengänger etwa vier Meter tauchen müssen, ehe sie zur Reutlinger Halle gelangen. Ich bin etwas enttäuscht, dass wir nun wieder umdrehen, so gut gefällt es mir hier tief unten im Berg. Doch der Rückweg hat noch ein paar Überraschungen parat.

»Da kannst Du Dich durchzwängen, wenn Du magst«

Als wir vor einem der Felsquaderberge stehen, hat Jochen eine Alternative für mich zum Hochsteigen: »Du kannst auch da vorne durchkriechen«, sagt er. Erst bin ich skeptisch. Denn ich muss mit dem Oberkörper ins Wasser. Einen Moment später spüre ich kaltes Wasser am Bauch und komme dann schon wieder auf der anderen Seite raus.

Jochen kennt die Höhle von zig Befahrungen in den vergangenen Jahren. Der gelernte Sanitätsassistent hat berufsbegleitend Sportwissenschaft studiert und sich dann mit seiner Freundin Constanze, die als Musiktherapeutin gearbeitet hat, selbstständig gemacht. »Ich weiß genau, wo ich hintreten muss«, sagt Jochen. Und dennoch ist jede Tour für ihn anders. »Es ist immer unterschiedlich, wie die Leute drauf sind.« Doch die Höhle ist für ihn nicht nur ein besonderer Arbeitsplatz, sondern auch ein Kraftort, an dem er der Natur nahe ist. »Wenn ich in der Höhle oder auch nur am Portal bin, lade ich auf wie ein Elektroauto an der Tankstelle.« Neben dem körperlichen, sportlichen Aspekt möchte er seinen Kunden die Höhlenwelt zeigen, in der schon Steinzeitmenschen unterwegs waren. »Ich möchte ihnen die einzigartige Natur zeigen. Denn nur was man kennt, schützt man auch.«

Dann gibt es noch eine besondere Stelle: einen Spalt zwischen zwei Lehmwänden. »Da kannst Du Dich durchzwängen, wenn Du magst.« Genau das mache ich. Dass es eng ist, stört mich nicht. Überhaupt habe ich keine Furcht so tief im Berg. Im Gegenteil. Ich merke, wie ich nicht mehr nur einen Schritt mache und dann überlege, wohin mich der nächste führen könnte. Ich denke in Schrittfolgen. »Du gehst routinierter. Am Anfang warst Du sehr vorsichtig«, sagt Jochen.

Gegen 21 Uhr gehen wir beide vorn übergebeugt den Demutschluff zurück nach draußen. Ich bin sprachlos von dem Erlebten. Das kenne ich so gar nicht von mir. Diese andere Welt im Inneren der Alb hat mich sehr beeindruckt. Draußen sehe ich das üppige Grün der Laubbäume, das einen Gegensatz zur Höhle bildet. Die Sonne steht tief. Bald wird es am Albtrauf dunkel. Doch im Gegensatz zum Inneren der Höhle wird es hier am nächsten Morgen wieder hell. (GEA)

www.arge-grabenstetten.de