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Fahrdienst »Metzingen chauffiert« war im vergangenen Jahr über 4.000-mal im Einsatz

Die vom Haus Matizzo aus startenden 27 ehrenamtlichen Fahrer haben pro Halbtagesschicht neun Fahrten bewältigt. Was zuverlässig läuft und wo es Luft nach oben gibt.

Dietmar Scholz (orangefarbene Jacke) vom Fahrdienst »Metzingen chauffiert« holt die Rolllatortänzerinnen  Irmgard Henzler (links
Dietmar Scholz (orangefarbene Jacke) vom Fahrdienst »Metzingen chauffiert« holt die Rolllatortänzerinnen Irmgard Henzler (links von ihm), Doris Romberg und Marianne Ruff (im Auto) von der VHS Metzingen ab. Links Johannes Kiuntke, Ulrich Sensbach und Birgit Mezger, die ebenfalls bei dem fast komplett ehrenamtlich wirkenden Fahrdienst aktiv sind. Foto: Markus Pfisterer
Dietmar Scholz (orangefarbene Jacke) vom Fahrdienst »Metzingen chauffiert« holt die Rolllatortänzerinnen Irmgard Henzler (links von ihm), Doris Romberg und Marianne Ruff (im Auto) von der VHS Metzingen ab. Links Johannes Kiuntke, Ulrich Sensbach und Birgit Mezger, die ebenfalls bei dem fast komplett ehrenamtlich wirkenden Fahrdienst aktiv sind.
Foto: Markus Pfisterer

METZINGEN. Dietmar Scholz hat es gut. »Ich habe eine Dame an der Hand«, sagt er und lächelt. Gemeint ist Doris Romberg, die der Fahrer gerade von der VHS Metzingen-Ermstal abgeholt und der er ins Auto geholfen hat: dem VW Caddy von »Metzingen chauffiert«, dem im Haus Matizzo beheimateten Fahrdienst. Scholz ist einer von ehrenamtlichen 22 Fahrern und seit 2020 dabei. »Ich fahre einfach gerne Auto.« Zu den weit in Überzahl befindlichen Männern kommen fünf Frauen am Steuer des Autos mit dem aussagekräftigen Kennzeichen RT-FD 2019.

Denn seit sechs Jahren gibt es den Fahrdienst, der ausschließlich mobilitätseingeschränkten Menschen zur Verfügung steht. Die 27 Fahrer bringen sie von zu Hause in Metzingen oder Riederich zu Erledigungen und wieder heim: zum Arzt, zur Reha, wie Doris Romberg und zwei andere Frauen zum Rolllatortanzen in der VHS - und manchmal auch zur Schule. »Wir haben mal einen Jungen gefahren, der am Knie verletzt war, an Krücken ging und seinen Fuß nicht belasten durfte«, erzählt Birgit Mezger. Nachdem auch die Mutter gehandicapt und die Schulbushaltestelle zu weit weg für das gehbeschränkte Kind war, kam der Caddy und nahm es mit.

»Eine Frau hat nach der Fahrt zum Friseur und zurück 50 Euro gegeben«

Der ehrenamtliche Fahrdienst ist unverändert stark nachgefragt. »In 442 Schichten hat sich unser Team 2024 über 4.000 Fahrten geteilt«, gibt Birgit Mezger Aufschluss. Die Glemserin koordiniert »Metzingen chauffiert«, bringt Fahrgastwünsche und Fahrer zusammen. Im Schnitt übernimmt jeder Chauffeur zwei halbtägige Dienste pro Monat. In den viereinhalb Stunden liegen dann neun Fahrten, wobei Hin- und Rückfahrt sowie jeder Fahrgast separat gezählt werden. Die Chauffierten spenden, wenn sie können und wollen. »Eine Frau hat nach der Fahrt zum Friseur 50 Euro gegeben«, berichtet Ulrich Sensbach über einen der vielen dankbaren Fahrgäste von »Metzingen chauffiert«. Weniger spendabel war jemand, der sich von Riederich nach Glems fahren lassen und zwei Euro gegeben hat. »Mit dem Bus wär's teurer gewesen«, deutet Johannes Kiuntke an.

Das Einsatzgebiet der Ehrenamtlichen am Steuer des VW Caddy ist zum Bedauern mancher Fahrgäste auf den Bereich der Kommunen beschränkt, die im Haus Matizzo Diakonischer Förderverein Mitglied sind. »Eine Frau aus Bad Urach hat in Metzingen einen neuen Hausarzt gefunden und fragt, ob wir sie fahren können«, berichtet Johannes Kiuntke, der sowohl Caddy-Chauffeur als auch im Vorstand des Haus-Matizzo-Vereins ist. Die Anfragende hat ein Nein bekommen. »Wenn wir Dettingen, Bad Urach oder Grafenberg auch noch abdecken sollten, bräuchten wir ein zweites Auto und eine Vollzeit-Arbeitskraft«, redet Kiuntke Klartext, »wir sind kein Taxi-Unternehmen.«

»99 Prozent der Fahrten haben gar keine oder weniger als fünf Minuten Verspätung«

So aber hat Einsatzleiterin Birgit Metzger 40 Stunden pro Monat gut zu tun, um Fahrer und Fahrgäste zu vernetzen. Auch zu Zeiten, in denen sie gerade mit niemandem kommuniziert, ist ihr Handy häufig geschaltet, donnerstagvormittags das von Anke Hille. An die Handys weitergeleitet werden Anrufe, die über die »Metzingen chauffiert«-Zentralnummer 07123 9102908 hereinkommen.

»Uns ist wichtig, dass wir pünktlich sind«, betont Dietmar Scholz. 99 Prozent der Fahrten der Ehrenamtlichen haben gar keine oder weniger als fünf Minuten Verspätung. Das Fahrerteam ist treu. »Freiwillig ausgeschieden ist noch niemand«, blickt Birgit Mezger zurück. Nur altershalber oder wegen Krankheit. Das Team pflegt den Austausch auf dem Sommerfest auf Ulrich Sensbachs Gütle in Reutlingen - und während der regelmäßigen Fahrerbesprechungen, auf denen es unter anderem um die Eigenheiten der Stamm-Fahrgäste geht. »Vor- und Nachbesprechung sind meistens länger«, sagt Mezger und schmunzelt.

»Ich möchte Vorbild für meine Kinder sein und hoffe, sie engagieren sich auch mal sozial«

Man kennt und mag sich. »Fällt einer aus, haben wir über die WhatsApp-Gruppe in einer Viertelstunde Ersatz gefunden«, erzählt Ulrich Sensbach, seit vielen Jahren im Riedericher Gemeinderat. Die meisten der 27 Leute am Steuer sind Rentner. Fünf sind berufstätig. Einer fühlt sich für das Auto verantwortlich, putzt es, schaut nach dem Ölstand. Vier Neuzugänge hat das Caddy-Team 2024 bekommen. Die ehrenamtlich Engagierten kommen nicht nur aus Metzingen und Riederich, sondern auch aus dem Umland. Dietmar Scholz etwa wohnt in Mittelstadt. Er fährt auch, um Vorbild für seine Kinder zu sein: »Ich hoffe, dass sie sich auch mal sozial engagieren«.

Die Crew kann den stabil regen Betrieb des Fahrzeugs bewältigen, der sich auch kostenmäßig deckt. Der jetzige Caddy ist der dritte in Folge mit der Nummer RT-FD 2019 - und wie die beiden anderen für zwei Jahre geleast. Er fährt anders als sein Erdgas-Vorgänger wieder mit Benzin. Die Stadtwerke Metzingen hatten die in Metzingen einzige Erdgas-Zapfsäule an der Tankstelle Miller Ende Oktober 2024 sang- und klanglos geschlossen.

Hotline für Fahrgäste und Fahrer

Wer in seiner Mobilität eingeschränkt ist und in Metzingen, Neuhausen, Glems oder Riederich wohnt, kann den Fahrdienst »Metzingen chauffiert« in Anspruch nehmen. Termine können montags von 13 bis 17 Uhr, dienstags bis donnerstags von 8 bis 12 Uhr unter Telefon 07123 9102908 bei Birgit Mezger oder Anke Hille vereinbart werden. Gefahren wird Montag bis Donnerstag von 8 bis 17 Uhr, Freitag von 8 bis 12.30 Uhr. Auch wer das Fahrer-Team verstärken möchte, kann sich telefonisch melden. (pfi)

Den Benziner dürften gerne noch ein paar Leute mehr abwechselnd steuern. »Dadurch wäre es dann vielleicht nur noch eine Schicht pro Monat«, sagt Ulrich Sensbach. »Wir bieten die Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining an«, fügt Johannes Kiuntke hinzu. Einen Personenbeförderungsschein benötigen die Frauen und Männer am Lenkrad des »Metzingen chauffiert«-Autos nicht, denn sie sind nicht gewerblich unterwegs.

Ein bis zweimal viereinhalb Stunden im Monat andere zu chauffieren, ist für sozial Engagierte attraktiv, der Aufwand überschaubar. Und es geht ja nicht nur um die Fahrt zur Fußpflege, zum Arzt, zur Physiotherapie oder ins Café Matizzo. Sondern auch ums Gespräch: Für viele vor allem ältere Menschen sind die Minuten im weiß-orangefarbenen VW Caddy eine der wenigen Möglichkeiten, in den Austausch mit anderen zu gehen. (GEA)