Logo
Aktuell Verkehr

Experte nimmt Metzinger Radwege unter die Lupe

Seit 2016 wohnt der 45-Jährige in der Sieben-Keltern-Stadt und pendelt regelmäßig mit dem E-Bike zur Arbeit. Was er in Metzingen gut für Fahrradfahrer findet und wo er Verbesserungsmöglichkeiten sieht.

Vier Fahrrad-Abstell-Bügel, zehn Auto-Stellplätze: die Verhältnisse  in der Schönbeinstraße, einer wichtigen Geschäftsstraße.
Vier Fahrrad-Abstell-Bügel, zehn Auto-Stellplätze: die Verhältnisse in der Schönbeinstraße, einer wichtigen Geschäftsstraße. Foto: Markus Pfisterer
Vier Fahrrad-Abstell-Bügel, zehn Auto-Stellplätze: die Verhältnisse in der Schönbeinstraße, einer wichtigen Geschäftsstraße.
Foto: Markus Pfisterer

METZINGEN. »Der Metzinger Bahnhofsvorplatz ist radverkehrsmäßig ein Nirwana«, findet Stephan Maul. Der 45-Jährige sieht hier nirgends Abstellmöglichkeiten geschweige denn abschließbare Boxen, ein Fahrradparkhaus oder eine Tiefgarage wie in Tübingen. Und auch keine eigene Radwegeführung, weder durch markierte Streifen noch durch Schilder. Das ist in Tempo-30-Zonen wie auf der Eisenbahnstraße zwar zulässig, aber für Radler weder deutlich noch komfortabel.

Die genannten Lücken könnten im Rahmen des Mobilitätsentwicklungskonzepts geschlossen werden. Dieses harrt allerdings seit Jahren seiner Verwirklichung. Maul hat zwischen Weihnachten und Neujahr ein fachkundiges Auge auf die Radverkehrsverhältnisse seiner Wahlheimat Metzingen geworfen. Von der aus pendelt er mit dem E-Bike ins Nürtinger Rathaus zu seinem Arbeitsplatz: Der studierte Architekt ist Rad-Koordinator der Stadt Nürtingen.

Stephan Maul zeigt Lücken  auf dem Metzinger Bahnhofsvorplatz auf. Dort finden sich so gut wie keine Wege, Wegweiser und Abstell
Stephan Maul zeigt Lücken auf dem Metzinger Bahnhofsvorplatz auf. Dort finden sich so gut wie keine Wege, Wegweiser und Abstellplätze für Radler. Foto: Markus Pfisterer
Stephan Maul zeigt Lücken auf dem Metzinger Bahnhofsvorplatz auf. Dort finden sich so gut wie keine Wege, Wegweiser und Abstellplätze für Radler.
Foto: Markus Pfisterer

Dort hat er im Zusammenspiel mit Stadtverwaltung und Gemeinderat schon viel bewegt. Lücken im Wegenetz geschlossen, neue Stellplätze verankert. Alles Dinge, die die Augen der Radfahrer leuchten lassen können. »Erst wenn ich ein Angebot schaffe, vermehren sich die Radler«, weiß Maul. Seine zunächst auf vier Jahre befristete, hälftig von der Stadt und vom Land finanzierte Stelle wird im Oktober 2025 entfristet. Es ist Bedarf für Leute wie ihn. Und für das Zukunftsverkehrsmittel Fahrrad. Was er in Metzingen gut findet und wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, hat er dem GEA an einigen Stellen beschrieben.

  • Knappe Abstellmöglichkeiten

Bekommen die langgezogenen und überdachten Ständer entlang des Bahnsteigs am Gleis 1 Lob vom Fachmann, finden sich vor Geschäften im oberen, bahnhofsnahen Teil der Schönbeinstraße gerade mal vier dicke Bügel zum Anschließen von Fahrrädern. Drumherum liegen zehn Auto-Stellplätze. Nähme man einen einzigen weg, wäre Platz für bis zu 15 Fahrräder." Apropos Parken: "Man könnte auch über die vielen gebührenfreien Kraftverkehrs-Parkplätze nachdenken." Maul ist eher ein Mann der Andeutungen, keiner, der den kommunalpolitischen Entscheidern von außen reinreden will. Wohl aber hat er Kontakt mit dem Zukunftsteam Infrastruktur und Verkehr aufgenommen, das wiederum mit der städtischen Radverkehrskommission in Verbindung steht.

»Alleine kann man nichts bewegen«, sagt er. Bereits bestehende Konzepte aber durchaus durch eigenen Input verfeinern, sich die Verhältnisse vor Ort genau anschauen - und das Radfahren leichter und bequemer machen. »Mit 15 hab ich mein erstes Mountainbike bekommen«, blickt Stephan Maul zurück, »damit hat der Spaß am Radfahren angefangen.« Der ihn bis heute nicht verlassen hat. Das Wort Spaß verwendet er oft. Denn der kann vom klimaschädlichen Auto zum klimafreundlichen Fahrrad verlocken. Die Outletcity Metzingen könnte den Bikern auch mehr Spaß machen, findet der baumlange Mann. »Es gibt dort fast keine Abstellmöglichkeiten«, hat seine Frau beobachtet.

  • Mehr Rot und Blau auf den Straßen

»Es hat sich schon Einiges getan im Lauf der Jahre«, sagt Maul über die Radverkehrsverhältnisse in seiner Wohnstadt. So ziehen sich über immer mehr Straßenabschnitte in kräftigem Rot gehaltene Fahrradstreifen. Sie zeigen allen Verkehrsteilnehmern: Seht her, hier ist Raum für uns, hier sind eure Grenzen. Genau die gleiche Wirkung hat die in Leuchtblau gehaltene ehemalige Fahrradstraße zwischen Bahnhof und Rechbergstraße. Nur wenige Monate nach ihrer Freigabe Anfang 2024 hat sie ihren Titel wieder verloren, seither warnen Markierungen die Autofahrer vor Radlern. »Fahrradstraßen sind an rechtwinklig abgesetzten Parkplätzen nicht zulässig«, erläutert der Fachmann. Doch er sagt auch: »Es ist egal, wie der neu markierte Weg genannt wird.« Viel wichtiger, dass er auffällig Verkehrsraum für Radfahrer schafft.

Fortschritt: Im Lauf der Jahre sind immer mehr rote und Fahrradstreifen in Metzingen markiert worden, hier auf der stark befahre
Fortschritt: Im Lauf der Jahre sind immer mehr rote und Fahrradstreifen in Metzingen markiert worden, hier auf der stark befahrenen Polizeikreuzung. Foto: Markus Pfisterer
Fortschritt: Im Lauf der Jahre sind immer mehr rote und Fahrradstreifen in Metzingen markiert worden, hier auf der stark befahrenen Polizeikreuzung.
Foto: Markus Pfisterer
  • Übergänge und Schutzstreifen

»Raum« ist überhaupt ein zentrales Wort in Mauls Verkehrs-Sprachschatz. Zum Beispiel, wenn es um die umstrittenen Radfahrschutzstreifen an Hauptverkehrsverbindungen wie etwa der B 313/Nürtinger Straße zwischen Samtfabrik und Ortsausgang Richtung Grafenberg oder entlang der Neuhäuser Ortsdurchfahrt geht. »Der Streifen an der B 313 wird nicht befahren, weil es mit den Autos zu eng ist und weil es einen ungestörten eigenen Weg gibt«, hat der Nürtinger Rad-Koordinator festgestellt: Dieser Weg führt entlang der Neckar-Alb-Bahn Stuttgart - Tübingen.

Ähnlich sieht es zwischen Neuhausen und Metzingen aus: Auf der B 28 alt geht es stellenweise sehr eng zu, entlang der Ermstalbahn führt dagegen ein breiter Rad- und Fußweg mit Weinbergblick. »Es wäre besser, in abgesetzte Radwege zu investieren« als »halblebige« Mischlösungen auf der Straße zu sehr zu verfolgen. Gut: »Die Schutzstreifen bremsen viele Autofahrer.«

Potenziell gefährlich: Überweg an der Einmündung Innere Heerstraße/Hindenburgstraße.
Potenziell gefährlich: Überweg an der Einmündung Innere Heerstraße/Hindenburgstraße. Foto: Markus Pfisterer
Potenziell gefährlich: Überweg an der Einmündung Innere Heerstraße/Hindenburgstraße.
Foto: Markus Pfisterer
  • Radeln gegen die Einbahnrichtung

In der ganzen Metzinger Innenstadt dürfen Fahrradfahrer entgegen der Einbahnrichtung der Autos pedalieren. »Das macht Radfahren attraktiv«, lobt Stephan Maul. Denn die Biker sind so direkter und wendiger am Ziel, während Autos oft Umwege fahren müssen.

Pluspunkt in Metzingen: In vielen Einbahnstraßen darf entgegen der Fahrtrichtung geradelt werden.
Pluspunkt in Metzingen: In vielen Einbahnstraßen darf entgegen der Fahrtrichtung geradelt werden. Foto: Markus Pfisterer
Pluspunkt in Metzingen: In vielen Einbahnstraßen darf entgegen der Fahrtrichtung geradelt werden.
Foto: Markus Pfisterer
  • Vernetzt planen

»Man muss das Netz betrachten und nach und nach weiterentwickeln, nicht in Einzelmaßnahmen denken«, meint der Fahrradfan und -experte, der es nach mehreren Weiterbildungen während der Coronazeit als Quereinsteiger ins Nürtinger Rathaus geschafft hat. Dort möchte er nachhaltiger wirken als in seinem früheren Beruf, in dem er Messeauftritte vorbereitet und begleitet hat, seine Arbeit also immer nur kurze Zeiträume gehalten hat. Vernetzt planen heißt für ihn zum Beispiel, zwischen der neuen blauen Radspur und dem Bahnhofsvorplatz eben keine Fragezeichen in die Radlerköpfe zu malen, sondern klar und deutlich aufzuzeigen, wo es wie für sie lang geht.

Das betrifft auch das Radwegende in der Inneren Heerstraße hinter der Unterführung unter B 313 und Bahnlinie: An der Einmündung zur Hindenburgstraße stoßen Fahrradfahrer auf einen großen Stein, eine Stele, einen Baum und eine unübersichtliche Hausecke. Das kann bei querenden Autos oder Fußgängern schnell gefährlich werden. Entspannter werden könnte die Lage durch einen deutlich markierten Überleitungsstreifen zwischen dem Radweg am Tunnel und der Inneren Heerstraße. Die könnte allerdings wieder einen der in Metzingen oft heiligen Auto-Stellplätze kosten. (GEA)