DETTINGEN/REUTLINGEN. »Der Schuss könnte nach hinten losgehen«, warnte Richter Sierk Hamann am Amtsgericht in Reutlingen Verteidiger Stefan Weiler. Dessen Mandant, ein ehemaliger Spielertrainer des Fußball-Kreisligisten Erms-tal Türkspor Dettingen hatte Einspruch gegen seinen Strafbefehl eingelegt. Er sollte insgesamt 3 000 Euro bezahlen, nachdem er im September im Kreisliga-B-Spiel gegen den FC Reutlingen einem Gegenspieler eine Kopfnuss verpasst hatte. Laut Staatsanwaltschaft trug der Geschädigte eine Schädelprellung, ein Wirbeltrauma sowie eine Beule an der Stirn davon.
Die Tat gab der Ex-Spielertrainer bereits einen Tag nach dem Vorfall im Gespräch mit dem GEA zu. Einspruch legte er trotzdem ein, weil er berufliche Konsequenzen fürchtet, wie Weiler berichtet. Sein Mandant, der zur Überraschung des Richters wegen einer Schulung am Verhandlungstag fehlte, nehme an einem Junior-Aufbauprogramm seines Unternehmens teil. Für einen dabei vorgesehenen Auslandsaufenthalt in China muss er ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Der Strafbefehl könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Der Angeklagte hoffte, dass die Sache mit einem Täter-Opfer-Ausgleich erledigt sein würde. »Ich habe 1 000 Euro in bar dabei, die ich Ihnen direkt geben kann«, sagte Weiler in Richtung des Geschädigten. Richter Hamann war verwundert über dieses Vorgehen. »Das war doch schon ein Super-Sonderangebot der Staatsanwaltschaft.«
Wenn der Fall jetzt noch einmal neu aufgerollt werden würde, wären laut ihm sogar drei bis sechs Monate Freiheitsstrafe möglich. »Nur wenn er bereit wäre, 50 000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu spenden, würde ich mir es noch einmal überlegen. Aber ich will eigentlich nicht, dass hier eine Parallel-Justiz Einzug hält.«
»So etwas Brutales habe ich noch nie gesehen«
Die Schilderungen der Zeugen bestätigten Hamann in seiner Haltung. »Er hat mich von hinten festgehalten, umgedreht, am Hals gepackt, fest zugedrückt und mir dann eine Kopfnuss verpasst«, schilderte der Geschädigte die Szene aus der 75. Spielminute. Er hatte aus einem GEA-Bericht erfahren, dass der Übeltäter sich bei ihm melden und entschuldigen wolle. »Das ist zunächst aber nicht passiert.« Über einen Freund kam der Kontakt dann doch zustande. »Er hat sich entschuldigt und wir haben die Sache geklärt.«
Der Angeklagte habe ihm 500 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich angeboten. »Darauf bin ich nicht eingegangen, ich wollte mindestens 1 000 Euro.« Er habe dann versucht, ihn noch auf 750 Euro herunterzuhandeln, hat es dann aber doch akzeptiert. »Haben Sie wirklich Frieden mit dem Angeklagten geschlossen und können das Geld ohne schlechtes Gewissen annehmen?«, fragte Hamann den Geschädigten. »Ja«, meinte dieser mit leiser Stimme. Im Gerichtssaal kam es dann zur Übergabe. »Ich nehme diese Geste wohlwollend zur Kenntnis«, sagte Hamann. Die Chancen auf eine Einstellung des Verfahrens erhöhte dies nicht.
Diese wäre nach den Aussagen des Schiedsrichters wohl sowieso passé gewesen. »So etwas Brutales habe ich noch nie gesehen«, sagte der Unparteiische. Der Tumult habe hinter ihm begonnen, als er den Ball für die Ausführung eines Freistoßes platzieren wollte. »Dann habe ich gesehen, wie der Spielertrainer dem gegnerischen Spieler drei bis vier Kopfstöße verpasst hat.« Der Verteidiger hakte an dieser Stelle nach, da der Geschädigte »nur von einer Kopfnuss gesprochen« habe. »Ich bin mir zu 100 Prozent sicher«, sagte der Zeuge. »Für mich war das eine gefährliche Körperverletzung.« Nach dieser Aussage machte Hamann klar: »Eine Verfahrenseinstellung kann ich nicht mittragen.« Nach einer Bedenkzeit gab Weiler nach und zog den Einspruch zurück.
In seiner Abschlussrede zeigte der Richter auf das Landeswappen hinter ihm. »Die Gemeinschaft will keine Gewalt. Und wer sich auf dem Fußballplatz gewalttätig verhält, muss auch mit beruflichen Konsequenzen rechnen. Das sollten auch andere als eindeutiges Zeichen verstehen.« (der)

