BAD URACH. Aline Pronnet muss auf keine Annehmlichkeit in ihrem Leben verzichten, auch wenn sie in einem entscheidenden Bereich einen wesentlichen Verzicht aktiv lebt: Die 27-Jährige hat ihre Konsumgewohnheiten nach und nach geändert, die Zero-Waste-Aktivistin produziert so gut wie keinen Müll mehr. Dennoch wird bei ihr das Geschirr in der Spülmaschine gewaschen, gönnt sie ihrem Gesicht gerne ein Peeling und vor Mücken schützt sich die Münchnerin auch. Vieles, was den Alltag vermeintlich erleichtert und verschönt, kann nämlich selbst hergestellt werden: Bei einem Workshop in Bad Urach zeigte sie, wie’s geht – auf lustig-lässige und doch eindrucksvoll-intensive Weise.
Auch wenn der Grund des Zusammenseins der 27 Teilnehmer von ganz jung bis ins höhere Alter ein ernster war, wurde gestern im Bürgersaal viel gelacht. Denn Aline Pronnet erhebt nicht mahnend den moralischen Zeigefinger, im Gegenteil: Die sympathische Müllvermeiderin regt mit vielen praktischen Beispielen aus ihrem Leben zum Nachdenken über mögliche Alternativen der Wegwerfgesellschaft an, und sie weiß aus Erfahrung vor allem auch eines: Es ist ein langer Weg, der auch von den persönlichen Umständen abhängt.
Ohne erhobenen Zeigefinger
Wenn der nächste Unverpacktladen weit weg ist, wird’s beispielsweise schwieriger mit der Umstellung. Und wenn die Öffnungszeiten des nächsten Hofladens nicht konform mit den Arbeitszeiten sind, bleibt doch oft nur der Weg in den Supermarkt und muss das Gemüse verpackt gekauft werden.
Das war nicht immer so, eine Workshop-Teilnehmerin kann sich noch ganz gut an ihre erste Begegnung mit einem Mülleimer erinnern: »1969 war’s, da war ich 15 Jahre«, erzählt sie. Auf dem Land aufgewachsen, habe die Familie autark als Selbstversorger gelebt: Abfall kam da nicht auf und wenn, wurde er verbrannt. Nun möchte die Jung-Seniorin wieder einsteigen in das müllfreie Leben, Erinnerungen an die alte Zeit sind da gar nicht so fehl am Platz: »Es ist viel Wissen von früher verloren gegangen«, weiß Aline Pronnet.
Das Wissen von früher
Natron, Waschsoda, Seife und Zitronensäure befanden sich früher in jedem Haushalt, man gebe noch im Unverpacktladen gekauftes Spülmaschinensalz hinzu und schon kann man ein Waschmittel für weiße Wäsche herstellen. Für Buntwäsche eignet sich die Zugabe von gemahlenen und getrockneten Kastanien oder von Efeu: »Einfach die Blätter runterzupfen«, erklärt sie den erstaunten Zuhörern. »Die Nachbarn denken dann, sie kümmern sich um den Efeu«, erzählt sie lachend von einem positiven Nebeneffekt.
Ohne Hochprozentiges geht’s bei Alina Pronnet übrigens nicht – den Alkohol trinkt sie aber nicht: Im richtigen Verhältnis mit ätherischen Ölen und Wasser gemischt, lässt sich ein hervorragender Mückenschutz herstellen. Kommt ein Salbei-Öl hinzu, wird aus dem Gemisch ein Deo. Denn: »Salbei ist ein natürliches Antitranspirant.«
Rezepte zum sofort Umsetzen
Aline Pronnets Rezepte kamen beim Workshop an, wurden mit Begeisterung umgesetzt und in Behältnissen mit nach Hause genommen. Bereits am Samstag war das Interesse an ihrem Wissen groß, rund 100 Besucher waren zu einem Vortrag in den Bürgersaal gekommen. Evelyn Vogel, Leiterin der Uracher Geschäftsstelle der VHS Bad Urach-Münsingen, freut’s: »Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Thema hier so einschlägt.«
Wissenswertes im Blog
Das Beispiel Aline Pronnet macht Mut, Müll so weit wie möglich aus dem Alltag zu verbannen: Ihr Restmüll der vergangenen zwei Jahre jedenfalls passt in ein Einweckglas, darunter sind einige Festivalbändchen – die Zero-Waste-Aktivistin lebt also tatsächlich das Leben einer ganz normalen jungen Frau. Mit einem Abstrich: Müll ist nicht ihr Ding. (GEA)
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