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Ein ganz besonderer Laden

BAD URACH. Die meisten Kunden kommen schon lange und gern - wenn auch mit gemischten Gefühlen. Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen. Hartz-IV-Empfänger, Alleinerziehende, kinderreiche Familien, alte Menschen. Auch immer mehr Menschen, die voll arbeiten, von ihrem Niedriglohn aber nicht mehr leben können. Die neue Armut. Im September 2004 eröffnete die Diakonische Bezirksstelle Bad Urach die Tafel in der Pfählerstraße 5, dem ehemaligen Haushaltswarengeschäft Göppinger. Die Tafel am Laufen halten derzeit 57 Ehrenamtliche. Zum fünfjährigen Bestehen gibt’s am Samstag, 19. September, einen Tag der offenen Tür.

Zwischenüberschrift

Arm trotz Arbeit Im Tafelladen gibt’s Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern, Brot und Backwaren vom Vortag, Lebensmittel nahe der Mindesthaltbarkeit sowie Waren aus Überschussproduktion. In den Genuss der Ware kommen nur Menschen mit einer Kundenkarte. Wer sie haben will, muss in der Diakonischen Bezirksstelle nachweisen, dass er oder sie es tatsächlich nötig hat, im Tafelladen einzukaufen.
Bis jetzt wurden
238 Kundenkarten ausgestellt, hinter denen 697 Haushaltsangehörige stehen.

Die 57 Ehrenamtlichen arbeiten in verschiedenen Teams. Am Anfang stehen die 15 Fahrer unter der Regie von Bernd Flämig. In Supermärkten und Bäckereien zwischen Bad Urach und Bempflingen holen sie Lebensmittel und Backwaren ab. Im Mai haben sie einen zweiten Bus mit Kühlkoffer bekommen, der überwiegend aus Spenden finanziert wurde. »Wir arbeiten eng mit den anderen Tafelläden im Diakonieverband in Reutlingen, Metzingen und Münsingen zusammen«, sagt Susanne Schur, die Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Bad Urach. Das heißt: Wenn eine Tafel von einem Lebensmittel besonders viel bekommen hat, gibt sie an eine andere Tafel ab. Konkurrenz gibt’s keine, im Vordergrund steht die Versorgung der bedürftigen Menschen.

»Das Lebensmittelaufkommen hat etwas nachgelassen«, hat Bernd Flämig beobachtet, »man merkt, dass die Läden etwas vorsichtiger disponieren, damit nicht so viel rausfliegt.« In den Verkauf kommt nur, was noch ein paar Tage vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum liegt, in besonderen Fällen - Joghurt etwa, der sich sehr lange hält - kann eine Ware auch noch länger abgegeben werden. Dann weisen die Verkäufer ihre Kunden jedoch extra darauf hin.

Hildegard Clauss und Karin Spohr kümmern sich mit ihren Teams um die Vorbereitung der Ware für den Verkauf. Sie räumen Kisten aus, sortieren die Ware, putzen Gemüse und preisen die Ware anschließend aus. Die Tafel-Leute müssen wie in einem ganz normalen Laden strenge Hygiene-Vorschriften beachten. Fünf Jahre lang werden die Unterlagen aufgehoben, in denen dokumentiert wird, wo welche Ware herkommt. Notiert wird sogar die Temperatur bei Übernahme und Abgabe. Außerdem wird festgehalten, welcher Inhaltsstoff in welcher Ware ist. Für Allergiker ebenso wichtig wie für strenge Muslime, die nicht nur kein Schweinefleisch essen wollen, sondern auch Inhaltsstoffe wie Gelatine meiden, wenn sie aus Schweinen gewonnen wurde.

Eine Zahl steht für 697 Bedürftige

Jetzt schon freut sich das Tafel-Team auf das Erntedankfest. Da spenden viele Kirchen die reich(haltig)en Altargaben an Tafelläden. Für den Verkauf sind Anita Brendle und Gerda Bauer mit ihren Leuten zuständig. Über den Ladentisch gehen die Lebensmittel in der Regel zu rund einem Fünftel des Ladenpreises. Am Anfang der Uracher Tafel drängten dienstags und donnerstags fast alle gleichzeitig in den Laden - ein heilloses Chaos, bei dem Schwächere und Ältere den Kürzeren zogen. Das ist Vergangenheit: Jetzt wird schichtweise eingekauft, die rund 120 Kunden pro Woche wissen jeweils eine Woche im Voraus, wann sie zum Zuge kommen.

Nebenan - im gleichen Gebäude - ist die Kleiderstube. Hier kommen dienstags, mittwochs und donnerstags nicht nur Menschen mit Kundenkarte zum Zuge, sondern alle, die wollen. »Hier gibt’s echte Schnäppchen«, sagt Bärbel Flämig, die die 15 Ehrenamtlichen managt, »Jacketts für drei Euro, Anzüge für acht Euro.« Weitere Helfer werden hier ebenso gesucht wie neue Ware - saubere, gut erhaltene Kleidung und Schuhe.

Im Haus ist außerdem noch das »Porzellanlädle« untergekommen, in dem man mittwochs ebenfalls ohne Kundenkarte einkaufen kann. Hier gibt’s Porzellan, Geschirr, Gläser, Spiele und kleinere Haushaltsgeräte. Ebenso wie die Kleiderstube eine Fundgrube für Nützliches und Kurioses, die Uracher ebenso schon entdeckt haben wie Kurgäste. Und dann wäre da noch die »Spezialabteilung Leni Bock«. Die rührige Ehrenamtliche kümmert sich um die Werbung ebenso wie um »Kontakte für Sonderbeschaffungen«, wie sie sagt. »Jeder gibt, was er kann«, sagt sie, »das gilt für unsere Lieferanten ebenso wie für uns selbst.« (GEA)