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Diese Familie aus Hülben denkt nicht daran, das Jodeln aufzugeben

Der gebürtige Südtiroler Christoph Achmüller jodelt in und um die kleine Gemeinde Hülben und »bringt die Berge ins Tal«. Gegen Heimweh stimmt er einen Jodler an.

Christoph Achmüller aus Südtirol hat mit seiner Begeisterung fürs Jodeln auch Ehefrau Kathrin Stolte sowie Sohn Bruno und Töchte
Christoph Achmüller aus Südtirol hat mit seiner Begeisterung fürs Jodeln auch Ehefrau Kathrin Stolte sowie Sohn Bruno und Töchterchen Merle angesteckt. Foto: Kirsten Oechsner
Christoph Achmüller aus Südtirol hat mit seiner Begeisterung fürs Jodeln auch Ehefrau Kathrin Stolte sowie Sohn Bruno und Töchterchen Merle angesteckt.
Foto: Kirsten Oechsner

HÜLBEN. Knapp über 400 Kilometer liegen zwischen Hülben und Bozen. Wenn Christoph Achmüller in der kleinen Gemeinde auf der Schwäbischen Alb seiner Südtiroler Geburtsstadt nahe sein möchte, stimmt er einen Jodler an – in seinen eigenen vier Wänden oder draußen in der Natur. Doch das Jodeln ist für den 36-Jährigen mehr als eine Hommage an seine Heimatregion: Wenn ihn etwas bedrücke oder beschäftige, könne er mit einem Jodler den Ballast abwerfen. »Es ist wie ein Befreiungsruf«, beschreibt er seine Gefühle. Von denen sei ein Jodler sowieso geprägt: »Er macht die Seele frei«, so Achmüller. Klassischer Gesang sei sehr verkopft, was beim Jodeln nicht der Fall sei – da könne man auch einfach mal die Silben aneinanderreihen und improvisieren. In beiden Bereichen sei eines aber unumgänglich: Stetes Üben, die Stimme müsse gepflegt werden.

Der 36-Jährige weiß, wovon er spricht: Seit frühester Kindheit prägt die Musik sein Leben – über Umwege wurde sie sogar zum Beruf. »Eigentlich wollte ich etwas mit Landwirtschaft machen«, blickt er auf seine Berufsfindungsphase zurück. Es folgte ein Studium der Theologie in Innsbruck, aber: »Ich wusste nicht wohin, dann ging’s in eine ganz andere Richtung und ich bin angekommen.« Und zwar als Profi in der Musik: In Bozen und Stuttgart studierte Christoph Achmüller klassischen Gesang und intensivierte zeitgleich seine Leidenschaft fürs Jodeln. Die hatten zwei Großtanten schon als Kind bei ihm geweckt: Im Ferienhaus im Passiertal hatte sich früher die ganze Familie getroffen, abends wurde gesungen und gejodelt. Irgendwann beließ es Christoph Achmüller nicht beim Jodeln selbst, sondern sammelte unter anderem alte Liederbücher.

»Diese alte Form des Gesangs darf nicht verloren gehen«

Auch in Südtirol sei es nicht mehr selbstverständlich, dass gejodelt wird. Einst war’s ein vorwiegend von Bauern gepflegter Gesang: »Diese alte Form des Gesangs darf nicht verloren gehen«, beschreibt er seine Intention. Das Jodeln sei für längere Zeit etwas ins Abseits geraten und befinde sich wieder im Aufwärtstrend: »Jodeln hatte von der Tradition her einen schlechten Beigeschmack und war verpönt.« Wo immer es geht, stimmt er einen Jodler an, oft auch mit seiner Frau Kathrin Stolte. Der inzwischen vierjährige Sohn Bruno kann inzwischen ein erstes Jodel-Lied mitsingen und die knapp einjährige Tochter Merle strahlt übers ganze Gesicht, wenn gesungen und gejodelt wird. Das kann spontan im Anschluss an einen Gottesdienst oder den Lesenächten in Bad Urach, am Buckleter Kapf oder am Albtrauf im Lenninger Tal sein: »Da stand plötzlich der Gemeinderat bei einer Sitzung im Freien da«, erinnert sich Kathrin Stolte. An das Ehepaar wurde als Dank für das unerwartete Freiluftkonzert Most ausgeschenkt.

Die in Hülben aufgewachsene Musikpädagogin Kathrin Stolte hat ihren Ehemann bei einem Chorleiterseminar in Bozen kennengelernt und mit ihm die Liebe zum Jodeln: »Das kannte ich vorher nicht.« Ein Genuss sind für sie die gemeinsamen Liederabende mit Freunden in Südtirol. Außenstehenden gehe beim Zuhören oft regelrecht das Herz auf – das werde ihnen als singend-jodelndes Ehepaar immer wieder bestätigt, so die 33-Jährige. Ehemann Christoph liebt das Jodeln sehr, ist musikalisch aber sehr breit aufgestellt: Klassik, Songs im Liedermacherstil oder auch Pop und Rock gehören zu seinem Repertoire, gerne komponiert er in allen Bereichen eigene (Kinder-)Lieder. Auch schreibt der Sänger Gedichte, die er vertont.

»Wenn ich am Gipfel angekommen bin, gibt’s einen Jodler«

Seinen Lebensunterhalt verdient er wegen der Familie nicht mehr als freier Sänger: »Da setzt man die Prioritäten anders.« 2017 ist die junge Familie von Bozen nach Deutschland gezogen, seit 2019 ist Hülben der Lebensmittelpunkt. Christoph Achmüller – er spielt auch Horn, Blockflöte und Gitarre – unterrichtet an den Grundschulen in Grabenstetten und Hülben sowie an der Musikschule in Wolfschlugen und leitet den Chor in Westerheim. Und selbstverständlich ist er so oft wie möglich jodelnd unterwegs: Beim Schwäbischen Sängerbund gibt er Jodel-Kurse in Theorie und Praxis. »Da sind Leute dabei, die musikalisch mal andere Wege gehen wollen oder auch Musiker von Blasorchestern.« Gerne würde Christoph Achmüller das Jodeln noch weiter vertiefen, Corona hat ihn in seinen Plänen jedoch ausgebremst: Für Februar hatte sich der 36-Jährige für einen Jodel-Wettbewerb in Innsbruck angemeldet, der wegen der Pandemie ausfällt. Auch ist er als Solist oder gemeinsam mit Ehefrau Kathrin buchbar – nur Möglichkeiten dazu gibt es seit zwei Jahren viel zu wenige. Geplant sind neben der Gründung eines Jodel-Quartetts auch professionelle Aufnahmen in einem Tonstudio. Die passende Homepage dafür ist schon längst online: »Der Jodler – Wir bringen ihnen die Berge ins Tal« heißt es da. Angeboten werden unter anderem Wanderungen, bei denen gejodelt wird.

Weil’s dazu passt, hat sich Vollblut-Musiker Achmüller in Grafenberg nun ein Alphorn bestellt. Eine weitere Klischeevorstellung erfüllt der passionierte Bergsteiger ebenfalls, wie er grinsend meint: »Wenn ich am Gipfel angekommen bin, gibt’s einen Jodler.« Das macht der Südtiroler auch, wenn die Berge nicht ganz so hoch sind: Vom Albtrauf hinab in die Täler erklingt immer mal wieder ein Jodler von Christoph Achmüller – manchmal sei es ihm fern der Heimat einfach danach. (GEA)

www.derjodler.com