WANNWEIL.. »Crescendo« ist die musikalische Vortragsbezeichnung für »allmählich lauter werdend« oder »an Lautstärke zunehmend«. Genau so, wie es der Nachwuchs im Musikverein Wannweil tun soll. Allmählich lauter und sichtbarer werden. Nach Größerem streben. Um über kurz oder lang im Stammorchester anzukommen. »Es läuft«, sagt Presse-Frau Sonja Balcerek, »es läuft richtig gut - wir können uns vor Anfragen kaum retten.« Genau das Gegenteil also von dem, was viele Vereine landauf, landab plagt: Nachwuchssorgen. Verlust an Bedeutung. Davon kann in Wannweil keine Rede sein.
Die Blockflöte ist das Instrument der Wahl für Kinder zwischen fünf und zehn Jahren, um in die Welt der Musik einzutauchen. Die kleinen »Flöties« - so nennt sich die bis zu 30 Köpfe starke Gruppe - spielen am Anfang der Konzerte und verleihen ihnen besonders viel Charme. »Die Blockflöte ist ein ideales Instrument zum Einsteigen«, sagt Renee Goudswaard, die lange an der Spitze der Kinder-Gruppe stand und auf der Homepage des Vereins immer noch mit einer Blockflöte in der Hand abgebildet ist. »Man lernt relativ schnell, Melodien zu spielen«, sagt Goudswaard. »Ziel ist es, den Kindern Spaß an der Musik zu vermitteln und sie an den Verein ranzubringen.« Man könne die Flöties als eine Art »Vorschule des Musikvereins« bezeichnen, sagt sie.
»Ziel ist es, den Kindern Spaß an der Musik zu vermitteln und sie an den Verein ranzubringen«
Inzwischen unterrichtet Renee Goudswaard nicht mehr selbst, Flötenlehrerinnen sind Jelena Kern, Veronika Shtykar und Coelestina Lerch. Sie sind drei von derzeit zehn Fachlehrerinnen und -lehrern. Unterrichtet werden im Musikverein Wannweil derzeit rund 130 Schülerinnen und Schüler, der Verein hat 40 Instrumente an den Nachwuchs ausgeliehen. Bis zum Ende der 1980er-Jahre unterrichteten in Wannweil noch vereinseigene Musiker, danach wurde diese Aufgabe professionalisiert. »Es ist sehr anstrengend, gute Lehrer zu bekommen«, sagt Renee Goudswaard. »Das hat uns schon viele schlaflose Nächte bereitet«, bestätigt Dirigent Martin Rein, »im Moment sind war aber sehr stabil - wir können uns von und zu schreiben, dass wir diese Lehrer haben.«
In der Musikvereins-Jugend lernen derzeit mehr als 90 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 18 Jahren ein Instrument. Jugendleiter sind Renee Goudswaard, Kathrin Herrmann, Imogen Seif, Pia Jung und Maximilian Rein. Nicht zu vergessen das Maskottchen, Rabe »An-Ton«.
Auf den Flöties baut das Vorstufenorchester auf. Ein bis zwei Monate vor jedem Konzert wird jedes Mal aufs Neue eines gegründet. »Hier laden wir so viele Schüler und Schülerinnen wie möglich ein, gemeinsam zu musizieren und erste Orchesterluft zu schnuppern«, erklärt Sonja Balcerek. Dirigent Martin Rein sucht ganz leichte Literatur für den Nachwuchs aus. »Ein weiteres Erfolgsmodell des Musikvereins«, betont Renee Goudswaard. Ziel ist es, hier ein, zweimal mitzuspielen, um bei nächster Gelegenheit dann schon im Jugendorchester mitzuspielen. Im JoWa - so wird das Jugendorchester abgekürzt - kümmern sich fünf Jugendsprecher um die Organisation von Ausflügen, Filmabenden, Musical-Besuchen oder Ähnlichem, vergleichbar mit Klassensprechern in der Schule.
Jedes Jahr lädt der Musikverein die dritten Klassen - derzeit zwei, im nächsten Schuljahr drei - von Wannweil ein. Für 90 Prozent Kinder der erste Kontakt mit einem Musikinstrument überhaupt, so Renee Goudswaard. Sonja Balcerek erzählt von den strahlenden Augen der Kinder, wenn sie zum ersten Mal einen Ton aus einem unbekannten Instrument rausbringen. »Es ist ein magischer Moment, wenn's ein Match zwischen einem Kind und einem Instrument gibt.« Weil es eben nicht immer die Querflöte für Mädchen sein muss, wie viele Eltern meinen. Apropos Eltern: Einige, die ihre Sprösslinge zum Schnuppertermin begleiten, bleiben selbst hängen und fangen im fortgeschrittenen Alter an, ein Instrument beim Musikverein zu lernen. Nach Corona noch deutlich mehr als zuvor. »Es sind jetzt schon ein paar Eltern ins Stammorchester gekommen«, freut sich Dirigent Martin Rein.
»Es ist ein magischer Moment, wenn's ein Match zwischen einem Kind und einem Instrument gibt«
Bei öffentlichen Auftritten spielt der Musikverein Wannweil in bordeauxroter Uniform, bei Konzerten in Abendgarderobe. Bei ganz hohen Festen und zu besonderen Anlässen wird die Wannweiler Tracht ausgepackt. Erst seit einigen Tagen haben die Wannweiler die Zusage der Stadt Bad Urach, beim Schäferlauf am 27. Juli mitzumachen. »Das erste Mal seit Jahrzehnten«, freut sich Martin Rein.
Das Konzert »Cresendo con Kids« findet im Gemeindehaus statt. Neben den Flöties spielen noch Lehrer- und Musikvereins-Ensembles. Beginn ist um 14 Uhr, Einlass ab 13.30 Uhr. Es gibt eine Bewirtung, der Eintritt ist frei, der Verein freut sich über Spenden. Bei gutem Wetter wird auf dem großen Platz neben dem Gemeindehaus und dem Rathaus gespielt. (GEA)

Musikverein Wannweil
Der Musikverein wurde im Jahr 1908 gegründet. Im Zweiten Weltkrieg musste er pausieren, direkt nach Kriegsende wagten acht Musiker den Neubeginn. Waren am Anfang noch keine Frauen geduldet, nahm sie Jugendleiter Gerhard Hipp, der spätere Vorsitzende und Ehrenvorsitzende, in den Musikverein auf.
Gerhard Hipp war mit Professor Walter Fehle vom Musikverein Götzis (Vorarlberg) befreundet, was zu einer langjährigen Freundschaft des Musikvereins Wannweil und der Gemeindemusik Götzis führte. Fehle war denn auch der Pate der Wannweiler Fahne, die sich der Verein zum Achtzigjährigen gönnte.
Bei der Hundert-Jahr-Feier des Musikvereins Wannweil im September 2008 gratulierten die Musiker aus dem Nachbarland mit Pauken und Trompeten. Der Vorsitzende des Blasmusikverbands Neckar-Alb, Helmut Vöhringer, verlieh bei dieser Gelegenheit Gerhard Hipp und Walter Fehle die Erich-Ganzenmüller-Medaille in Gold.
Mit Corona ist die musikalische Partnerschaft mit den Vorarlbergern etwas eingeschlafen. »Es gab in der gemeinsamen Geschichte aber immer wieder Zeiten, denen sie eher geruht hat«, sagt Martin Rein und gibt sich optimistisch: »Die Freundschaft kann also jederzeit wieder aufleben.« Geprobt wird im Musikerheim in der Eisenbahnstraße 5. (and)