PLIEZHAUSEN. »Die Entwidmung wird sicher vielen sehr nahe gehen«, sagt Manfred Sell. Er war von 1990 bis 1999 Pfarrer in der Immanuelskapelle in Rübgarten. Am Sonntag wird das Gotteshaus der »Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Bezirk Pliezhausen«, wie es offiziell heißt, in einem feierlichen Gottesdienst entwidmet und schließt damit ihre Türen für immer. Das endgültige Aus bedauert auch Pfarrer Thomas de Jong, der seit Herbst 2020 in der Kapelle Dienst tat. 180 Mitglieder hat die Gemeinde derzeit.
Die beiden Geistlichen erinnern sich an Gottesdienste, Bibelstunden, Frauenkreis, Sonntagsschule mit »Tante« Lydia Laux, Gemischten Chor, Pfadfinder, Missionscafé mit Basar, Taufen, Trauungen, Gemeindefeste und auch an so manche Übernachtungen der Jakobswegpilger auf einem Matratzenlager im Keller. Doch wie in vielen Kirchengemeinden hatte auch die Kapelle einen Schwund an Gottesdienstbesuchern zu verzeichnen. Zwischenzeitlich hatte es daher die Idee gegeben, in der Kapelle ein öffentliches Café als Treffpunkt einzurichten und nur noch einmal monatlich einen Abendgottesdienst anzubieten. »Eine Gruppe hat das sehr engagiert vorbereitet, aber das Vorhaben scheiterte letztlich an den vielen Auflagen«, berichtet Sell.
Kaputte Heizung, keine Barrierefreiheit
Nachdem vor drei Jahren die Heizung unwiederbringlich ausfiel, konnte die Kapelle nur noch in den Sommermonaten genutzt werden. Im Winter wich man in private Wohnzimmer aus. Eine neue Heizung sei mit rund 40.000 Euro veranschlagt worden – viel Geld für eine Gemeinde, die sich über Spenden finanziert. Die Haus- und Gartenpflege geriet ebenfalls ins Stocken. Für die Ehrenamtlichen, die die Arbeiten über Jahrzehnte perfekt ausführten, war das Pensum nicht mehr leistbar. »Ich bin aber sicher, dass dennoch niemand das Unkraut auf den Parkplätzen sprießen lassen wird, auch wenn die Kirche geschlossen ist«, meint Sell.
Ein weiterer Grund für die Schließung ist die fehlende Barrierefreiheit. Die sanitären Anlagen befinden sich im Untergeschoss und sind nicht mehr für alle über die Treppe erreichbar. »Deshalb haben wir beschlossen, die Kräfte im Gemeindezentrum in Pliezhausen zu bündeln«, berichtet de Jong. Eine weitere evangelisch-methodistische Kirche gibt es in Mittelstadt.
Gemeindeglieder trafen sich im Wohnzimmer zur »Stond«
Ortshistorikerin Dorothea Dolan hat für den Sonntag eine Fotoausstellung im Untergeschoss aufgebaut. »Nachdem sich die ersten Gemeindeglieder ab 1865 in den Wohnstuben `zur Stond´ getroffen hatten, wurde 1926 die Kapelle eingeweiht«, berichtet Sell. »Die Geschwister Armbruster hatten ihr Gartengrundstück dafür geschenkt.« Immer wurde alles, was möglich war, in ehrenamtlicher Eigenleistung und mit Spenden verwirklicht. Damals handelte es sich noch um die »Evangelische Gemeinschaft«, die sich 1960 mit der namengebenden Evangelisch-Methodistischen Kirche vereinigte.
Nach einer Renovierung 1967 erfolgte 1982 ein grundlegender Umbau mit Erweiterung zum heutigen Gebäude mit Erd- und Untergeschoss, teilbarem Gottesdienstraum, Mehrzweckraum, Küche und Nebenräumen. Dies alles ist zu haben. »Zum Verkauf« prangt an der Kirche unübersehbar ein Banner. Die angegebene Telefonnummer leitet zu Pastor Martin Schneidemesser, dem Verantwortlichen für Immobilien. Auch im Internet ist die Kirche ausgeschrieben: Drei Zimmer, 165 Quadratmeter für 385.000 Euro. Das Grundstück stößt ans Schloss, das gerade ebenfalls zum Verkauf steht.
Am Sonntag, 30. März, wird Pastor de Jong die Predigt halten. Für die Musik sorgt das Flötenensemble. Gemeindeglieder berichten über ihre persönlichen Erinnerungen an die Kapelle. Zum Schluss werden symbolisch Bibel, Abendmahlsgeschirr und Altarkerzen aus dem Raum getragen. »Die Kerzen bleiben aber brennen, zum Zeichen, dass die Gemeinde weiter besteht.« (GEA)