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Aktuell Einschränkung

Dettingerin Nina möchte gerne mobiler sein

Die 13-jährige Dettingerin hatte einen Sauerstoffmangel nach der Geburt und kann nicht laufen

Nina Kovjenic mit ihrer Mutter Branka Lukic.  FOTO: OECHSNER
Nina Kovjenic mit ihrer Mutter Branka Lukic. FOTO: OECHSNER
Nina Kovjenic mit ihrer Mutter Branka Lukic. FOTO: OECHSNER

DETTINGEN. Nina Kovjenic mag all das, was Mädchen in ihrem Alter gerne haben: Mit Freundinnen am Telefon quatschen und sie dann auch treffen, eine Cola trinken und Eis essen, shoppen gehen, auch mal Party machen und ihre Idole bei Konzerten live sehen – so wie jüngst Ayliva in Stuttgart, für Billy Talent ging’s sogar nach Brüssel. »Ich probiere vieles aus und bin gerne überall dort, wo Musik ist«, erzählt Nina voller Enthusiasmus. Doch die 13-Jährige kann nicht so, wie sie eigentlich möchte: Die aufgeweckte Dettingerin sitzt im Rollstuhl.

Sie kam neun Wochen zu früh auf die Welt und erlitt laut Mama Branka Lukic in den ersten Lebenstagen einen Sauerstoffmangel. Mit Folgen: Ihre Tochter leidet an einer Zelebralparase, hat starke Spastiken in den Armen, und laufen konnte sie nie lernen »Ich darf mich nicht von meinen Emotionen überwältigen lassen«, erklärt Nina. Denn bei großer Freude oder Belastung verkrampft sich ihr Körper: »Das tut höllisch weh.« Alles andere als angenehm ist es auch, wenn das 50-Kilo-Mädchen von ihrer Mama vom Rollstuhl ins Auto umgesetzt werden muss: »Das ist eine große Zumutung für sie. Ich werde älter, größer und auch schwerer«, meint Nina und ist traurig, ihre alleinerziehende Mutter nicht aus eigener Kraft unterstützen zu können. Ninas Rumpf ist instabil, und stehen kann sie nur ganz kurz mit sehr viel Hilfe.

Elektro-Rollstuhl wiegt 180 Kilo

Seit einem Jahr steht Nina nun ein Elektro-Rollstuhl mit einem Tisch zur Verfügung, der ihr eigentlich das Leben erleichtern sollte und ihre Mobilität letztlich doch einschränkt. Zwar kann die 13-Jährige ihn selbstständig bedienen und sich frei bewegen: »Aber wirklich mobil bin ich nur in der Schule.« Denn zunächst muss sie ja erst einmal irgendwo hinkommen, doch Mama Brankas Kangoo eignet sich nicht für den Elektro-Rollstuhl. Weil sie das 180-Kilo-Gefährt nicht ins Fahrzeug wuchten kann, ist Nina bei Ausfahrten – ob zum Therapeuten und Kieferorthopäden, zum Friseur oder zu den Freundinnen – doch wieder auf ihren alten Rollstuhl angewiesen und damit auf Hilfe von anderen, um Nina zu schieben. »Ich mache inzwischen nur noch die wichtigsten Fahrten«, erklärt Branka Lukic, das bedrücke sie sehr. »Als Nina kleiner und leichter war, bin ich ständig mit ihr unterwegs gewesen. Jetzt stoße ich aber körperlich und kräftemäßig an meine Grenzen.«

Auto muss umgebaut werden

Der große Traum von Mutter und Tochter: Dass Nina im elektrischen Rollstuhl direkt ins Auto gefahren werden kann, ohne dass sie umgesetzt werden muss. Der Caddy steht schon zum Ausbau bei Paravan in Pfronstetten bereit – finanziert durch eine Spendenaktion im Mai, Stiftungsgeldern und Eigenmitteln. Im Augenblick ist Branka Lukic wieder dabei, alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, um den Umbau finanzieren zu können: 28.000 Euro kostet er, 11.000 Euro hat sie bereits zusammen. Jetzt schreibt sie wieder Stiftungen an, recherchiert und plant eine Spendenaktion über das Portal »Das Zahnrad«, das pflegende Eltern unterstützt.

Erfülltes Teenager-Leben als Ziel

»Ich traue mich nicht, den Umbau in Auftrag zu geben, wenn ich nicht wenigstens die Hälfte der Summe zusammenhabe«, gesteht Branka Lukic. Die finanzielle Situation mache ihr schwer zu schaffen, sie fühle sich wie eine Bittstellerin, und das belaste sie emotional sehr. Aber: Tochter Nina soll trotz ihrer Behinderung ein erfülltes Teenager-Leben führen können. »Nina ist auf mich angewiesen und, ich muss rund um die Uhr für sie da sein. Deshalb kann ich nicht voll arbeiten«, erklärt Branka Lukic. »Ich weiß nicht, wer mich unter diesen Bedingungen einstellen würde.« Sie bezieht Bürgergeld und ist dadurch nicht kreditwürdig – ein finanzieller Teufelskreis, der viele pflegende Eltern behinderter Kinder trifft. Nina hat viele Pläne, gerne würde sie Behindertensport in Tübingen treiben: Cheerleading, Fußball und auch Hockey interessieren sie vor allem. »Das scheitert am Transport«, bedauert sie. Eine große Leidenschaft pflegt die 13-Jährige intensiv: Sie kann sich regelrecht in Themen reinarbeiten, jüngst hat sie eine Tina-Turner-Biografie gelesen, schaute dazu Dokumentationen und Filme an. Klar, dass es dann auch nach Stuttgart ins Musical ging.

Gerade taucht die wissbegierige Nina in Sisis Welt ein und träumt von einer Fahrt nach Wien. Und demnächst stehen Praktika an, Nina besucht die KBF in Mössingen und wird nach dem Bildungsplan der Werkrealschule unterrichtet: Im Theater oder im Bereich Mode würde sie gerne reinschnuppern, auch im Kindergarten könne sie sich ein Praktikum vorstellen.

Bahnhof ist nicht barrierefrei

Doch auf ein Problem stößt sie dabei immer: den Transport. Ein Antrag beim Landratsamt auf Unterstützung für ein Fahrzeug wurde nach zweieinhalb Jahren Bearbeitungszeit abgelehnt. Für Freizeitfahrten gibt es laut Begründung einen freiwilligen Fahrdienst für Menschen mit Behinderung im Landkreis Reutlingen, in der Praxis sind die Fahrten zum Teil Wochen im Voraus ausgebucht.

Für Arzt- und Therapietermine können Mutter und Tochter zwar Taxis beantragen und mit einem Krankentransportschein nutzen – aber die benötigen eine besondere Ausstattung für Rollstuhlfahrer und sind rar. »Ich hing einmal drei Stunden in der Klinik fest, weil kein Taxi kam«, erzählt Nina. »Danach war ich durch.« Auch Bus und Bahn sind keine Alternativen, die Fahrten müssen angemeldet werden und der Metzinger Bahnhof ist immer noch nicht barrierefrei.

Was bleibt, ist das Warten auf den Caddy: »Hinter dem Auto stecken unfassbar viele Möglichkeiten und Hoffnungen für mich. Nur weil ich im Rolli bin, heißt das nicht, dass ich nicht ein ganz normaler Teenager sein will«, sagt Nina. Wer sie unterstützen möchte, kann dies über die Homepage von »Das Zahnrad« machen. Dabei unbedingt den Verwendungszweck Nina Kovjenic angeben. (GEA)