Logo
Aktuell Mountainbike

Dettinger starten bei härtestem Rennen der Welt

608 Kilometer in acht Tagen, verteilt auf 16.500 Höhenmeter: Die Dettinger Lukas Koller (24) und Marcus Nicolai (33) gehen beim Etappenrennen Cape Epic in Südafrika an den Start. Was diesen Wettkampf so besonders macht, der auch als die »Tour de France des Mountainbiken« gilt.

Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor heimischer Kulisse im Ermstal.
Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor heimischer Kulisse im Ermstal. Foto: Privat
Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor heimischer Kulisse im Ermstal.
Foto: Privat

DETTINGEN/KAPSTADT. 608 Kilometer in acht Tagen, verteilt auf 16.500 Höhenmeter. Das Cape Epic gilt seit seiner Gründung im Jahr 2004 als das härteste Mountainbike-Rennen der Welt, viele bezeichnen das Etappenrennen in Südafrika als die »Tour de France des Mountainbiken«. Die Strecke verlangt den rund 650 Profi- und Amateurpaarungen alles ab. Die Tour ist nicht nur heiß und staubig, sondern auch steinig und kurvig, also: sehr technisch. Ein gnadenloser Härtetest, bei dem nur die Besten bestehen. Mittendrin: Lukas Koller und Marcus Nicolai aus Dettingen. Für den 24- und den 33-Jährigen das Rennen ihres Lebens.

Am Sonntag, geht’s los. In Meerendal Wine Estate nordöstlich von Kapstadt startet der Prolog. Schnelle 27 Kilometer mit 750 Höhenmetern. Hier zeigt sich gleich, wer richtig trainiert hat. Wer sich nach monatelanger Schinderei auf den Punkt fit gemacht hat. Und: welches Duo am besten harmoniert. Das Cape Epic ist ein Duo-Rennen, die beiden Teammitglieder sollten idealerweise immer zusammen fahren. Wenn sie über die Ziellinie fahren, dürfen nicht mehr als zwei Minuten zwischen ihnen liegen. Bei dem Rennen liegen also nicht unbedingt die Schnellsten vorn, sondern die Teams, die am besten harmonieren.

»Vielleicht träumen wir ein kleines bisschen vom Podium«

Das Cape Epic ist nicht nur knüppelhart, es hat auch knallharte Regeln. Da ist nicht nur die Sache mit dem Gemeinsam-ins-Ziel-kommen, die Fahrer sind auch unterwegs auf sich gestellt, dürfen also keine technische Hilfe von außen annehmen. Die Team-Autos voller Ersatzräder und Mechaniker, die man von der Tour de France kennt, gibt’s bei diesem Wettkampf nicht. Wer eine Panne hat, muss sie unterwegs selber reparieren. Wer sich nicht an die Regeln hält, kriegt erst ein Zeitstrafe und wird dann ganz schnell disqualifiziert.

Das Cape Epic kennt Marcus Nicolai schon ziemlich gut: 2021 war er als Betreuer von Simon Stiebjahn (Titisee-Neustadt) und Martin Frey (Bad Urach) in Südafrika. Die beiden Profis wurden damals Gesamt-Zweite. »Damals war mir klar, dass ich das Ding auch mal fahren will«, sagt Marcus Nicolai jetzt. Der 33-Jährige wollte selbst mal Profi werden und war auf dem besten Weg dazu: Der Dettinger fuhr in der U23-Nationalmannschaft, gewann mit Simon Stiebjahn den Trans-Schwarzwald, bei der U23-EM Bronze im Marathon. Bis die Knie-Probleme kamen, die alles über den Haufen warfen und ihn zwangen, seine Rad-Karriere 2013 an den Nagel zu hängen.

Also erst mal studieren, »was Rechtes machen«, wie er damals dachte. Dass BWL/VWL an der Uni nicht sein Ding würde, war dem Dettinger schnell klar. Also was anderes. Das Duale Studium als Wirtschaftsingenieur bei ElringKlinger hat er nie bereut. Erst recht nicht den Schritt zu Hugo Boss, wo er jetzt als Team Leader Digital Supply Chain eine Führungsposition hat. Lukas Koller hat Maschinenbau studiert und ist jetzt bei ElringKlinger Entwicklungsingenieur.

Kennengelernt haben sich Marcus und Lukas erst 2021 über die WhatsApp-Gruppe »Ermstal Cycling Club«. Dort fährt auch Boris Griesinger mit. Er kümmert sich als Trainer darum, dass Marcus und Lukas mit der Form ihres Lebens beim Cape Epic starten. »Boris weiß, wie viel wir trainieren können und schreibt für uns entsprechende Pläne«, sagt Marcus, »wir müssen uns keine Gedanken mehr darüber machen, wann wir wie viel trainieren – das macht den Kopf frei.«

Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor Ort in Südafrika
Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor Ort in Südafrika Foto: Privat
Marcus Nicolai (links) und Lukas Koller vor Ort in Südafrika
Foto: Privat

In normalen Wochen haben die beiden 15 Stunden in der Woche trainiert, im Trainingslager – kurz vor Weihnachten auf Mallorca, den Feinschliff haben sie sich neulich in Girona in Nordspanien geholt – das Doppelte. Die Profis sitzen noch mehr auf dem Rad. Sie haben ja Zeit und müssen nicht nebenher 35 beziehungsweise 40 Stunden in der Woche arbeiten. Allein in den ersten Monaten von 2025 hat Marcus 2.300 Kilometer abgespult, Lukas 2.500. »Stiebi (Simon Stiebjahn) hat 3.800 gemacht«, weiß Marcus, »aber der ist schließlich Profi, der hat einfach mehr Zeit.«

»Als wir ernsthaft mit Trainieren angefangen haben, war Lukas besser«, sagt Marcus. Nicht nur wegen des Altersunterschieds. Die beiden haben auch einen etwas unterschiedlichen Körperbau: Lukas bringt bei 184 Metern 73 Kilo auf die Waage, Marcus sechs Kilo mehr. »Vielleicht bin ich ein bisschen stärker«, sagt Lukas, »Marcus hat aber mehr Renn-Erfahrung – ich bin erst ein Etappenrennen gefahren.« Rennen werden nicht nur mit den Beinen gewonnen, sondern auch im Kopf.

Der Kopf kann nur frei und die Beine nur gut sein, wenn sie genug Erholung haben. Das geschieht: im Schlaf. Der ist für Leistungssportler existenziell. »Lieber zwei Stunden weniger auf dem Rad und dafür ausreichend Schlaf«, sagt Lukas, »man ist mit zu wenig Schlaf auch viel anfälliger für Erkältungen.« Ausreichend heißt für Marcus acht Stunden, es darf auch gern ein bisschen mehr sein.

Nach Südafrika sind Nicolai und Koller zusammen mit zwei guten Freunden geflogen: Markus Trost ist als Mechaniker dabei, Lukas Doster kümmert sich um Social Media und kocht. Nach ihrer Ankunft haben die Dettinger erst mal bei dem Projekt Songo.info vorbeigeschaut, das vor mehr als zehn Jahren MTB-Profis gegründet haben. »Hier wird Geld gesammelt für Kinder aus Townships«, sagt Marcus, »es gibt ihnen Struktur und hilft ihnen dabei, dass sie im Leben auf die richtige Schiene kommen und nicht – wie leider so viele – in Drogen und Kriminalität abbiegen.«

»Lieber zwei Stunden weniger auf dem Rad und dafür ausreichend Schlaf«

Die beiden Dettinger haben nach bestem Wissen und Gewissen trainiert. Der Ärger über die Erkältung zwei Wochen vor dem Tag X ist verflogen, die Form stimmt. Bei der »ultimativen sportlichen Herausforderung und der Erfüllung eines Lebenstraums«, wie sie auf Instagram schreiben, gibt’s ein Hauptziel: ins Ziel zu kommen. »Ich gehe schon davon aus, dass wir in den vorderen Rängen mitspielen können«, sagt Lukas selbstbewusst und greift für einen kleinen Augenblick nach den Sternen: »Vielleicht träumen wir ein kleines bisschen vom Podium.«

Marcus, der das Mega-Rennen schon hautnah als Betreuer erlebt hat, weiß: »Das ist eine Riesen-Wundertüte, alles ist offen.« Gegen Pannen ist man nicht gefeit, auch nicht dagegen, in einen Massensturz verwickelt zu werden. Und wenn doch was passiert? »Im schlimmsten Fall ist das für uns einfach nur ein geiler Männerausflug.« (GEA)

www.epic-series.com