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»Der letzte Tanz« für die Ateliers in der Alten Spinnerei Wannweil

Die Alte Spinnerei in Wannweil ist eine der traditionsreichsten Ateliergemeinschaften in der Region, ihre Anfänge reichen bis 1990 zurück. Am Sonntag, 18. Mai, öffnen sie wieder von 11 bis 18 Uhr. Es wird eine ganz besondere Veranstaltung. Sie läuft unter dem Motto »Der letzte Tanz«.

Ein Traum von einem Raum mit der Ateliergemeinschaft in der Alten Spinnerei Wannweil: Beate Hölscher (links), Gerhard Feuchter,
Ein Traum von einem Raum mit der Ateliergemeinschaft in der Alten Spinnerei Wannweil: Beate Hölscher (links), Gerhard Feuchter, Ingrid Swoboda, Eva Schulz, Markus Tränkner, Barbara Wünsche-Kehle und Doris Lidwina Stauss. Foto: Andreas Fink
Ein Traum von einem Raum mit der Ateliergemeinschaft in der Alten Spinnerei Wannweil: Beate Hölscher (links), Gerhard Feuchter, Ingrid Swoboda, Eva Schulz, Markus Tränkner, Barbara Wünsche-Kehle und Doris Lidwina Stauss.
Foto: Andreas Fink

WANNWEIL. Die Alte Spinnerei Wannweil ist ein Gebäude, das Industriegeschichte und Kunst atmet: Die 1868 erbaute, an der Echaz gelegene Anlage aus der Gründerzeit war bis zu ihrer Schließung 1987 der größte Arbeitgeber am Ort. 1990 entstanden hier die ersten Künstler-Ateliers. Seit 1995 sind mindestens einmal jährlich an einem Wochenende alle Ateliers geöffnet. Zehn Künstlerinnen und Künstler arbeiten in den Bereichen Malerei, Grafik, Druck, Fotografie, Plastik, Installation und Performance. An diesem Sonntag, 18. Mai, sind die Ateliers erneut geöffnet - ein letztes Mal. »Der letzte Tanz«, ist die Veranstaltung deshalb überschrieben, die von 11 bis 18 Uhr läuft.

»Wir haben schon sehr lange gehört, dass wir irgendwann mal rausmüssen«

»Wir haben schon sehr lange gehört, dass wir irgendwann mal rausmüssen«, sagt Barbara Wünsche-Kehle, »jetzt ist es so weit.« Seit sie bei der Ateliergemeinschaft dabei ist, 14 Jahre immerhin, sei das Ende ein Thema gewesen. Die Künstlerinnen und Künstler haben sich davon nicht beirren lassen und weitergemacht. Ihre Energie also nicht in Endzeit-Szenarien fließen lassen, sondern darin, weiterhin Neues zu schaffen. Am Sonntag sind in Wannweil Werke von Gerhard Feuchter, Beate Hölscher, Lisa Voss, Doris Lidwina Stauss, Ingrid Swoboda, Markus Tränkner und Barbara Wünsche-Kehle zu sehen.

»Wir wollen uns von den teilweise jahrzehntelangen Besucher*innen verabschieden, auf vergangene Tage und auf neue Perspektiven anstoßen«, schreibt Ingrid Swoboda in der Einladung, »dabei kann und soll noch einmal ein intensiver Blick auf unsere Arbeiten geworfen werden, die in einer tollen und sehr produktiven Zeit entstanden sind. Ich freue mich sehr über die letzte Chance einer Begegnung in diesen wunderbaren historischen Räumen.«

Schon als die Alte Spinnerei noch der Holy AG gehörte, die das Areal 1988 gekauft hatte - die Gebäude wurden vom Metzinger Modekonzern Hugo Boss für Logistikzwecke genutzt - war vom Ende der Ateliergemeinschaft die Rede. »Zum Glück haben die so schnell niemand gefunden«, sagt Ingrid Swoboda und lacht. Immerhin: Die Zeit, in der nebenan Boss-Anzüge für die ganze Welt gelagert waren, brachte eine gute, zuverlässige Heizung.

Das Aus, das früher oder später kommen würde, hing wie ein Damoklesschwert über der Ateliergemeinschaft, sagt Doris Lidwina Stauss. Was dann doch immer mal wieder belastend war für die künstlerische Arbeit, ergänzt Barbara Wünsche-Kehle. Die Künstlerinnen und Künstler konzentrierten sich auf das, was sie in der Alten Spinnerei zusammenführte und machten weiter. Getrieben von dem, was in ihnen steckte und inspiriert von einer einmaligen Umgebung. Von sehr hohen, lichtdurchfluteten Räumen, in einigen hängen museumsreife Kugel-Lampen im Bauhaus-Stil.

Die Alte Spinnerei in einem Luftbild von Süden her gesehen.
Die Alte Spinnerei in einem Luftbild von Süden her gesehen. Foto: Fiedler Gewerbeimmobilien
Die Alte Spinnerei in einem Luftbild von Süden her gesehen.
Foto: Fiedler Gewerbeimmobilien

»Wir haben in all den Jahren gesehen, dass und wie gut wir zusammenarbeiten können«, sagt Markus Tränkner, der auch schon seit 16 Jahren Teil der Ateliergemeinschaft ist. Herausgekommen sind nicht nur die Ausstellungen in der Alten Spinnerei selbst - in den Atelierräumen der Künstler ebenso wie im Batteur-Gebäude -, sondern auch schon Gemeinschaftsausstellungen in Stuttgart, um nur ein Beispiel zu nennen. Tränkner hat schon einen guten Teil seines Ateliers entrümpelt, auf dem langen Gang stehen Dinge, die die Besucher am Sonntag mitnehmen können, wenn sie sie brauchen können. Es gibt natürlich auch Kunst. Nicht zu verschenken, sondern zu kaufen.

Markus Tränkner ist einer der Künstler, die nach Lustnau weiterziehen. So wie auch Ingrid Swoboda, Eva Schulz und Leo Staigle. Sie ziehen in das ehemalige Laborgebäude der Firma Berghof. Das Bürogebäude aus den 70er-Jahren hat die ebenso blumige wie inspirierende Adresse »Ob dem Himmelreich«. Die Räume sind natürlich nicht mehr das, was die Alte Spinnerei hatte. Sie sind kleiner und niedriger. Aber es gibt sie. Die Ateliergemeinschaft zeigt sich unisono begeistert und dankbar, dass sie die Geschäftsführer der Reutlinger Fiedler Gewerbeimmobilien GmbH - Vater Gerhard und Sohn Johannes Fiedler sowie Jannis Rotar - ihnen zur Miete zur Verfügung gestellt haben. »Das ist nicht selbstverständlich«, betont Ingrid Swoboda, »ich wusste gar nicht, dass Immobilien-Menschen so nett sein können.« Ergänzt von Eva Schulz: »Die waren wirklich sehr bemüht.«

Barbara Wünsche-Kehle will nicht nach Lustnau weiterziehen. »Die Räume passen für mich nicht, außerdem kann ich nicht mehr wie bisher mit dem Rad mal schnell in mein Atelier fahren«, sagt sie, »ich will das erst mal setzen lassen und mir dann im näheren Bereich was suchen.« Die Wannweiler Ateliergemeinschaft wird sich in Lustnau weiterentwickeln. Die Tübinger Künstlerinnen Mirjam Thaler und Karin Doerner stoßen dazu. Und wohl noch weitere: In dem ehemaligen Bürogebäude gibt's Platz für weitere Ateliers. Aber jetzt kommt erst mal der letzte Tanz, betont Markus Tränkner. »Am Sonntag soll die Wannweiler Bevölkerung noch mal die Möglichkeit haben, diese schönen Räume in der Alten Spinnerei zu sehen.« (GEA)

www.wwateliers.de