DETTINGEN. Die Arbeit draußen auf den Streuobstwiesen ruht derzeit, doch dafür brodelt es in den Kesseln der Brenner. Die verarbeiten die Früchte des Sommers zu Destillaten und Likören. Einer davon ist der Dettinger Manuel Straßer, der an der Veranstaltungsreihe »Das Paradies brennt« des Vereins Schwäbisches Streuobstparadies teilnimmt. Dieser Tage führte er in seiner Brennscheuer Interessierte in die Kunst der Obstbrennerei ein – hochprozentige Versucherle inklusive und ein regionales Vesper gab’s auch.
Die Brennerei fährt an Hitze hoch, im Hintergrund blubbert‘s und aus dem staatlich geprüften Brenner Manuel Straßer fließen die Informationen regelrecht hinaus: Über seine Familientradition, schon der Urgroßvater brannte ab dem Jahr 1893 auf dem Areal, und die Bedeutung der Streuobstwiesen im Ermstal und speziell in Dettingen. Im Jahr 1832 gab es laut Straßer noch 80.000 Streuobstbäume auf der Gemarkung des Ortes, inzwischen sind es 20.000. Der Schwund habe unterschiedliche Gründe, auch lohne sich eine Bewirtschaftung nicht mehr. »Die Bäume werden zwar vererbt, sie werden dann aber ihrem Schicksal überlassen«, merkt der Fachmann. »Ich möchte dafür werben, dass sich etwas tut.«
Crashkurs über die Inhaltsstoffe des Obstes
Nicht zuletzt mache sich auch der Klimawandel bemerkbar, seit einigen Jahren fahre man bei der Ernte im unteren Bereich: Wenn zu früh warm werde, beginnen die Bäume zu blühen. Oft würden aber späte Frostnächte folgen: »Die machen dann alles kaputt.« Zwischen 800 Kilo und vier Tonnen bewege sich seine Sauerkirschen-Ernte, letzteres habe er schon lange nicht mehr erreicht. Aber zum Brennen reicht’s, der laufende Schaubrand besteht aus Sauerkirschen. Auf einen Crashkurs über die Inhaltsstoffe des Obstes und der Mikroorganismen folgt ein Exkurs zur Baumpflege. Die sei entscheidend für die Qualität des Brandes. Und, was viele nicht verstehen würden: Faules Obst bringe ebenfalls keine Qualität. »Ich kann aus etwas Schlechtem nicht etwas Gutes machen«, richtet er den Appell an diejenigen, die ihm Obst zum Brennen bringen, die Maische entsprechend zu behandeln. Musig müsse das Obst sein, nicht geschnitten – dann sei es viel zu anfällig für Bakterien. Noch etwas: Die Steine beim Kernobst sollten wegen der Blausäure nicht kaputt gehen. »Das passiert beim Zerschreddern.«
Ob Brandweinsteuer oder Zuckergehalt, Verschluss- oder offene Brennerei, der Unterschied zwischen einer Williams Christ Birne oder einer Mostbirne: Zu sagen gibt es viel. Auch seine Philosophie spricht Manuel Straßer an, der seine Produkte konsequent regional ausrichtet und – außer bei den Likören – keinen Zucker zusetzt: »Ich produziere Genussmittel und keine Suchtmittel.« Für den perfekten Genuss von Destillaten gibt’s einen Tipp: »Trinken Sie Destillate schlückchenweise und nicht auf Ex, dann haben sie euch etwas vom Aroma.«
Dann ist’s genau zu hören, das Hallo unter den Gästen ist groß: Die ersten Tropfen des Brandes laufen aus der Brennerei. Doch Vorsicht: Am Vorlauf darf nur gerochen werden, zu trinken ist er auf keinen Fall. Die Männer und Frauen müssen noch warten, dann bekommen sie den ersten Schluck vom Sauerkirschbrand – extrem hochprozentig ist er in diesem Stadium noch. Macht nichts: Die Begeisterung ist groß. Er habe schon immer einmal wissen wollen, wie gebrannt wird und was er sonst noch außer Marmelade aus seinem wenigen Obst machen könne, meint ein Teilnehmer – dafür sei er extra aus Sindelfingen nach Dettingen gefahren. Ein Ehepaar kennt sich auf den Streuobstwiesen und beim Thema brennen aus: »Wir sind aus Dettingen«, meinen sie lachend. Und Manuel Straßers Vortrag hören sie auch nicht zum ersten Mal, doch interessant sei es auch für sie: Man erfahre immer wieder Neues. Fünf junge Männer aus der Gegend gestehen, leidenschaftlich gerne Destillate zu trinken. Nun wüssten sei auch, wie sie entstehen. Und, was sie empfehlen: Es lohne sich, das Kurz-Seminar zum Geburtstag zu verschenken. Einer in der Runde nickt zustimmend, er feiert mit seinen Freunden in der Brennsteuer seinen 30. Geburtstag: »Es macht sehr viel Spaß.« (GEA)