METZINGEN-NEUGREUTH. »Lebensumstände wie im Krieg oder vor Jahrhunderten«, hatte Dieter Wöhrle Mitte August bemängelt. Nun wohnt der 78-Jährige zusammen mit seiner Frau aber nicht in einem Kriegsgebiet, sondern im Neugreuth im Pappelweg 27. 16 Stockwerke ragt dort das Hochhaus in den Himmel. Ab dem 10. Stockwerk aufwärts gab es seit dem 27. Juli kein Wasser mehr aus den Wasserhähnen. Und auch nicht aus den Toilettenspülungen.
Kein Wunder, dass Dieter Wöhrle sauer war und sich bei den Zeitungen beschwerte. Insgesamt 17 Partien waren in dem Hochhaus von dem ausbleibenden Wasser betroffen. Grund dafür waren nach den Ausführungen von Alexander Schoch als Geschäftsführer der Metzinger Stadtwerke »routinemäßige Trinkwasserkontrollen im Hochbehälter Forst II«: Dabei waren »coliforme Keime und Enterokokken in einer geringen Konzentration festgestellt« worden. Der Hochbehälter Forst II wurde vom Netz genommen, vorsichtshalber auch der Hochbehälter Hochholz, »obwohl die Wasserproben dort in vollem Umfang der Trinkwasserverordnung entsprachen«, so Schoch.
»Lebensumstände wie im Krieg oder vor Jahrhunderten«
Außerdem sollte in dem betroffenen Gebiet Wasser abgekocht werden. 140 Kilometer Leitungsnetz wurden laut Stadtwerke-Chef in den folgenden zehn Tagen »gespült, gechlort und regelmäßig beprobt«. Ab 31. Juli sei wieder alles in Ordnung gewesen, ab 5. August entfiel das Abkochgebot. Den oberen Stockwerken im Pappelweg 27 half das aber wenig. »Aus technischen Gründen« habe sich durch »die Außerbetriebnahme der beiden Hochbehälter der übliche Wasserdruck im betroffenen Versorgungsgebiet geändert«, sagte Schoch.
Für den Pappelweg 27 und für ein weiteres Haus reichte der Druck in den Wasserleitungen nicht mehr aus. Das zweite betroffene Gebäude »wurde von den Stadtwerken von Beginn an mit Trinkwasser aus großen Trinkwasseranhängern versorgt«, so Schoch. Für Dieter Wöhrle und seine Mitbewohner aus den oberen fünf Stockwerken in dem Hochhaus blieb das Wasser weiter aus: »Selbst Händewaschen ist kompliziert, genauso wie das Beschaffen von geeignetem Wasser für Tee, Kaffee oder zum Kochen«, berichtete Wöhrle.
»Selbst Händewaschen ist kompliziert«
Körperhygiene sei fast gänzlich unmöglich, weil ja kein Wasser aus den Wasserhähnen kam. Selbst die Toilettenspülung funktionierte ja nicht, genauso wenig wie Wasch- und Spülmaschine. Um überhaupt Wasser zu haben, mussten die Bewohner der oberen Geschosse in den Keller runter und im Müllraum einen Eimer unter einen Wasserhahn stellen. Direkt daneben werde verunreinigte Luft jedes Mal aufgewirbelt, wenn aus den 16 Stockwerken und 72 Wohnungen ein Müllbeutel hinuntergeworfen wurde. Mit dem Eimer Wasser ging es dann zurück in die oberen Etagen.
Unbeschreibliche Zustände, die Dieter Wöhrle da bemängelt hatte. Die Stadtwerke hatten eine baldmögliche Lösung versprochen, zusammen mit dem Hausverwalter, der es wohl versäumt hatte, in den zurückliegenden 40 Jahren eine Druckerhöhungsanlage einzubauen. Und es war auch in Bälde keine Behebung der unhaltbaren Zustände in Sicht.
»Der Rohrbruch war in mehr als zehn Metern Tiefe«
Denn: Zu allem Unglück kam ein Wasserrohrbruch hinzu, an einer Leitung, die beide Hochbehälter Forst II und Hochholz versorgen sollte. »Der Rohrbruch war in mehr als zehn Metern Tiefe, in der Nähe des Wasserwerks und er betraf eine Hauptleitung«, hatte Alexander Schoch betont. Die Behebung sei sehr aufwändig gewesen, »nicht vergleichbar mit einem Wasserrohr auf der Straße«.
Vor wenigen Tagen sagte Alexander Schoch, dass der Rohrbruch behoben sei, »allerdings wird nun das gesamte Leitungspaket ausgetauscht, um einen weiteren Schaden zu vermeiden«. Mit der Hausverwaltung und deren Installateuren sei im Pappelweg 27 eine Zwischenlösung gefunden worden. Seit 21. August gebe es wieder Wasser in den oberen Stockwerken. Die Druckerhöhungsanlage »ist nach unserem Kenntnisstand von der Hausverwaltung vorgesehen«, so der Stadtwerke-Geschäftsführer. (GEA)