METZINGEN. Wolfgang Riehle ist ein renommierter Architekt, vielfach ausgezeichnet für seine Bauten. Eine Ehrung fehle ihm jedoch in seiner Sammlung, wie er am Donnerstag bei einem Vortrag im Metzinger Kulturforum augenzwinkernd zugab: der Deutsche Architekturpreis. Dessen Vorgänger-Auszeichnung »Ruhrgaspreis« haben – und das erkannte der Reutlinger Stararchitekt neidlos und voller Respekt an – seine Metzinger Kollegen Paul Ludwig Dolmetsch und Wilhelm Haug 1975 verliehen bekommen für ein Gebäude, dessen Tage in seiner eigentlichen Funktion gezählt sind: das Eduard-Kahl-Hallenbad.
Vor 50 Jahren wurde es eröffnet, in der untrennbaren Kombination mit der Sporthalle spricht Riehle von einem städtebaulichen Ensemble von beachtlicher Kraft. Die architektonische Qualität sei herausragend, Wolfgang Riehle gerät angesichts des skulpturalen und dreidimensionalen Charakters des Gebäudes regelrecht ins Schwärmen: »Die heutige Architektur ist so uniform geworden«, bedauert er. Anhand des Originalbaugesuchs und einem Exkurs in die damalige Zeit, als Pläne noch mit der Hand gezeichnet wurden, verwies der Referent auf den sehr klaren Grundriss – die Teilbereiche Hallenbad und Sporthalle würden ein eigenständiges Leben führen.
Dachkonstrukt wird Merkmal
Die Höhenunterschiede des Dachs spiegeln die verschiedenen Nutzungsbereiche wider: »Die Dachkonstruktion ist ein wesentliches Element der Architektur«, betont Riehle. Als eines der ersten Gebäude wurde das Gebäudeensemble mit einer sogenannten Mero-Dachkonstruktion ausgestattet, einem damals neu entwickelten Prinzip des Raumfachwerks und es sollte zu einem viel beachteten Merkmal des Metzinger Hallenbads werden. Später wurden unter anderem auch das Berliner Olympiastadion damit ausgestattet. Sowieso: Das nach wie vor beeindruckende Dach des Gebäudes spiele bei der Planung eine große Rolle. Eigentlich handele es sich um ein Flachdach, das aber durch seine geneigten Dachränder nicht als solches zu erkennen sei. Der Reutlinger Top-Architekt sieht dabei eine Anlehnung an die Umgebung mit dem historischen Spritzenhaus und an die Sieben Keltern in der Nähe. Obwohl mit schwarzen Eternitschindeln ausgestattet – »sie gehören inzwischen in den Sondermüll« – und in Beton gebaut – »den auch nicht alle mögen«- erfreue ihn der Anblick des Gebäudes nach wie vor: »Das Ergebnis ist formvollendet und fantastisch.« In Verbindung mit den Farbakzenten ergebe sich eine gekonnte Leichtigkeit, die sich in allen Bereichen zeige bis hin zur Verarbeitung der Regenrinnen.
1971 wurde der Ruhrgas-Architekturpreis, inzwischen Deutscher Architekturpreis, erstmals ausgelobt und wird nach wie vor alle zwei Jahre verliehen. Er gilt als wichtigste nationale Auszeichnung, die Leistung von Paul Ludwig Dolmetsch (1935-2023) und Wilhelm Haug (1937-2004) schätze er bis heute: »Sie sind in höchster Güteklasse unterwegs.« Bis heute würde die Begründung der Jury ihre Gültigkeit haben: »Die Anlage kann als beispielhaft für alle Bauten der kommunalen Infrastruktur gelten«, heißt es. »Für die im Grunde alltägliche Aufgabenstellung wurde eine in funktionaler, wirtschaftlicher und gestalterischer Hinsicht gleichermaßen überzeugende Baugruppe gefunden.« Und, so die Jury 1975: »Der wesentliche Beitrag besteht in der angemessenen äußeren und inneren Gestaltung der Gebäude, mit der Geborgenheit, Offenheit sowie eine leichte, heitere Atmosphäre zwanglos erreicht werden.« 30.000 Mark Preisgeld gab’s damals für die beiden Metzinger Architekten, 6,5 Millionen Mark hatte der Bau gekostet. Von außerordentlich günstig spricht Wolfgang Riehle: »So viel würde heute der Windfang kosten.«
Nachnutzung noch nicht geklärt
Als Student hatte sich Riehle Mitte der 70er-Jahre mit dem Thema beschäftigt, welche Bauten in 50 Jahren noch bestehen würden – das Metzinger Ensemble von Sporthalle und Hallenbad gehörte dazu. Was aus letzterem wird, wenn das Ganzjahresbad auf dem Bongertwasen gebaut ist, ist noch nicht klar. Die Mehrheit der über 50 Zuhörer war sich nach dem Vortrag indes einig, dass ein Abriss des prämierten Hallenbads kein Thema sein dürfe: Es müsse intensiv über eine Nachnutzung nachgedacht werden.