BAD URACH. Ist die Arbeit mit Kriminellen, mit Straftätern nicht belastend? Dies war eine der Fragen, die in der ehemaligen Rathaus-Apotheke in Bad Urach aus dem rund 30 Personen bestehenden Publikum gestellt wurden. Angesprochen waren bei diesem dritten Bad Uracher Stadtgespräch Richterin Dr. Katja Rieger und Bajramse Kamberi von der Bewährungshilfe Reutlingen. Beide haben beruflich immer wieder miteinander zu tun – in der Öffentlichkeit ist aber über sie und ihre Arbeit wenig bekannt.
»Ich habe immer wieder mit erschütternden Biografien zu tun«, sagte die Richterin. Schlaflose Nächte habe sie deswegen nicht, aber: Die Schicksale »lassen mich nicht kalt«, betonte Rieger. Um abzuschalten, treibe sie Sport, gehe viel raus in die Natur. Auch Bajramse Kamberi hat mit Kriminellen zu tun, die vom Gericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden – was nichts anderes bedeutet, als dass die Menschen nochmal eine Chance erhalten, nicht ins Gefängnis müssen. Die Bewährungshilfe versucht, die Verurteilten zu unterstützen, aber auch zu kontrollieren, ob die Auflagen eingehalten werden.
»Ich habe immer wieder mit erschütternden Biografien zu tun«
Belastendes für die Bewährungshelferin? »Ich mache die Arbeit ja freiwillig, aber es gibt Fälle, die mir sehr nahe gehen«, sagte die Sozialarbeiterin. Es gebe jedoch die Möglichkeit der Supervision und der kollegialen Gespräche. Sie habe Spaß an der Arbeit, könne auch mal mit Klienten lachen. »Wenn ich Positives für die Menschen erreichen kann, das sind die schönen Momente«, sagte Kamberi. Auch Richterin Rieger bereite ihr Beruf Freude, »ich sehe Sinn in meiner Tätigkeit«. Wenn etwa ein Verurteilter »sein Fehlverhalten einsieht oder seine Bewährung durchgehalten hat, das ist schön«.
Moderiert haben Veronica Zwink und Albert Ebinger das dritte Bad Uracher Stadtgespräch, natürlich wollten sie wissen, welche Delikte die Straf- und Jugendrichterin am örtlichen Amtsgericht verhandelt. Kleine und mittlere Kriminalität, bei einer Straferwartung von nicht mehr als zwei Jahren, sagte Rieger. Dazu gehören etwa Ladendiebstahl, Betrug, Körperverletzung, Hausfriedensbruch oder auch Drogendelikte.
»Wenn ein Verurteilter sein Fehlverhalten einsieht, ist das schön«
Bei Rieger und Kamberi gebe es viel Schreibtischarbeit, hinzu komme bei Kamberi die Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen, Jugendhilfe, Schuldner- und Drogenberatung. Nicht zu vergessen die Gespräche mit den Klienten und erst recht nicht die Dokumentation.
Wenn Straftäter nicht zu vereinbarten Gesprächen kommen, geht die Sozialarbeiterin auch schon mal zu ihnen nach Hause. »Wenn jemand aber dreimal hintereinander nicht zu Gesprächen kommt, dann gibt es eine Anhörung vor Gericht.« Sollte die Richterin zu der Überzeugung kommen, dass der Straftäter seine Bewährung verwirkt hat, dann muss er ins Gefängnis.
Ein Beispiel: Ein Jugendlicher unter 18 Jahren ist mehrfach mit Marihuana erwischt worden, er hat vom Gericht eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren erhalten. »Wir trennen zunächst immer Tat und Mensch, um zu sehen, wie es zu der Tat kam«, erläuterte Bajramse Kamberi. In dem Beispiel waren die Eltern geschieden, der Junge lebte zunächst bei der Oma, dann ganz allein. Das seien schlechte Voraussetzungen, weil er keine Bezugspersonen hat, sagte die Bewährungshelferin. Aber: Immerhin macht er eine Ausbildung. Kamberi hat ihn unterstützt, nach drei Jahren hat er positiv seine Bewährungszeit überstanden.
»Mein Beruf hat mich Demut gelehrt«
»Gibt es auch Freisprüche, machen Sie auch mal gute Sachen?«, wollte eine Zuhörerin wissen. Das Publikum lachte. Sowohl als auch, schmunzelte Katja Rieger. Grundsätzlich sei ja alles, was ans Gericht kommt, von der Staatsanwaltschaft schon vorgefiltert. »Jemanden zu verurteilen, kann auch was Gutes sein«, sagte die Richterin. Am Gericht werde immer auch die Prävention mitgedacht, »eine Bestrafung kann durchaus auch positiv wirken«, so Rieger.
»Mein Beruf hat mich Demut gelehrt«, sagte Kamberi. »Ich bin dankbar, wenn ich mit meiner Familie zusammen sein kann – viele meiner Klienten haben nicht solch ein Glück.« Wenn sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das? »Wenn unsere Arbeit mehr in der Politik ankommen würde – schließlich ist unser Auftrag die Resozialisierung von Straftätern«, betonte Bajramse Kamberi. Und die Kirche könnte sich auch bei Straftätern mehr um soziale Kontakte bemühen, sagte Katja Rieger. Denn diese Kontakte seien wichtig. (GEA)