BAD URACH. Ein »Schlechtmensch« soll's richten. Schlechtmensch? So hat Philipp Scheffbuch sein Geschäft für fair gehandelte Kleidung in Bioqualität am Stuttgarter Neckartor genannt. Schlechtmensch in Anlehnung das Unwort des Jahres 2015 »Gutschmensch«. Auf seinem Blog setzt sich der 53-Jährige mit beißender Ironie mit dem Geschäftsgebaren von Lebensmitteldiscountern und Fast-Fashion-Shops auseinander. Wenn die behaupten, gut zu sein, will er sich lieber schlecht nennen, schreibt er. Womit Scheffbuch gleich mehrere Qualitäten zeigt, die ihn in den Augen der Uracher Verwaltung und des Gemeinderats dazu befähigen, die Innenstadt auf einen besseren Weg zu bringen - sie nicht weiter ausbluten zu lassen: Er weiß, wie Einzelhandel geht, und er kann kommunizieren.
»Ich hätte den Job nicht überall gemacht«
Philipp Scheffbuch ist der neue Wirtschaftsförderer von Bad Urach. Seit dem 1. Februar ist er in der Stadt unterwegs, Bürgermeister Elmar Rebmann hat den 53-Jährigen jetzt vorgestellt. Seine Erfahrung als Geschäftsmann ist nicht das Einzige, was die Uracher bewogen hat, ihn als Wirtschaftsförderer in die Stadt zu holen. In Esslingen aufgewachsen, hat Scheffbuch nach dem Zivildienst VWL studiert, danach bei der IHK Region Stuttgart als Existenzgründerberater gearbeitet. Nach einem »kleinen Ausflug in ein großes Unternehmen im Einzelhandel« entdeckte er sein Herz für den Journalismus und volontierte nach einem Journalismusstudium bei der Stuttgarter Zeitung, wo er später als Wirtschaftsredakteur arbeitete. Nach einem guten Jahrzehnt dann der Schritt in die Selbstständigkeit: der »Schlechtmensch« am Stuttgarter Neckartor. Ein Laden, der großen Wert auf existenzsichernde Löhne und den Verzicht auf Kinderarbeit legt und auch schon mal mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten (von 8 bis 12 und von 20 bis 24 Uhr) auf sich aufmerksam gemacht hat.
Wie zieht einen von der Landeshauptstadt in eine schwäbische Kleinstadt? "Ich bin eher zufällig auf die Stellenausschreibung auf der Homepage der Stadt gestoßen", sagt Scheffbuch, dessen Partnerin in der Region lebt. »Bad Urach ist ein Ziel, das Emotionen weckt«, sagt der 53-Jährige. »Ich hätte den Job nicht überall gemacht«, betont er.
»Bad Urach ist ein Ziel, das Emotionen weckt«
»Er ist in der Stadt schon präsent«, sagt sein Chef, Bürgermeister Elmar Rebmann, »er ist schon in diversen Netzwerken drin.« Der Uracher Verwaltungs-Chef zeigt sich froh, endlich einen Mann für die Stelle gefunden zu haben, über die im Gemeinderat schon fast zwei Jahre geredet wird. Zwei Anläufe hat's gebraucht, um endlich den Mann zu finden, dessen Stelle vorerst auf zwei Jahre befristet ist. Im ersten Vierteljahr hat Philipp Scheffbuch schon viele Unternehmen besucht, in zahlreichen Geschäften klingelgeputzt und seine Visitenkarte abgegeben. Ob's im Blumenladen ist, im Maklerbüro oder im versteckten Getränkemarkt: »Ich habe tolle Persönlichkeiten kennengelernt«, sagt er. »Menschen, die das mit Herzblut machen und nicht nur, damit etwas reinkommt.« Er habe ganz oft »dieses Funkeln in den Augen« beobachtet.
Dass es in Bad Urach aber auch etliche Leerstände gibt, ist ihm nicht entgangen. Auch weiß Philipp Scheffbuch um das Problem, dass die Zukunft von inhabergeführten Geschäften altershalber oft ungewiss ist. Als Unternehmer wisse er um die grundsätzlichen Sorgen der Ladenbesitzer. Darüber zu lamentieren, oder gar die Probleme wegdiskutieren, bringe aber rein gar nichts: »Das ist vergossene Milch - es ist so, wie es ist.« Schon deshalb, weil Leerstände kein spezifisch Uracher Problem seien. »Die negative Grundstimmung wird immer an die Stadt adressiert, das ist aber nicht ganz fair.« Immerhin: »Hier gibt's kein leeres Kaufhaus mitten in der Stadt.«
»Wir haben hier mehr als ein halbvolles Glas«
Es gelte, nach vorne blicken. »Ich will hier das Licht anmachen, das ist total wichtig«, sagt er. Sein Fazit nach zwölf Wochen: »Wir haben hier mehr als ein halbvolles Glas.« Scheffbuch sieht viele gute Gründe, optimistisch in die Zukunft der Stadt zu blicken. Da ist nicht nur der »supergute Branchenmix«, sondern überhaupt die »hervorragende Ausgangslage«. Den Uracher Wasserfall, das Thermalbad, die ebenso malerische wie geschichtsträchtige Innenstadt, das Haus auf der Alb und den Schäferlauf natürlich. Lauter Frequenzbringer. Und dann wäre da noch die Gartenschau im Jahr 2027 - »ein riesengroße Chance«.
»Urach als Marke, als Attraktion: Das macht den Ort einzigartig«, sagt Scheffbuch. »Meine Botschaft an die Gewerbetreibenden: Brust raus und stolz darauf sein.« Die Gespräche mit ihnen schildert Scheffbuch ebenso positiv wie die mit den Vertretern von »Bad Urach aktiv«. »Niemand hat mir die kalte Schulter gezeigt«, sagt er. »Und ich habe erfahren, dass es oft nur Kleinigkeiten sind, die stören, wie das Halteverbot vor der Postagentur.« Gesprochen hat er auch mit ein paar Vermietern. »Die haben teilweise einen großen Investitionsstau«, hat er erfahren.
»Als Erstes brauchen wir Optimismus«, sagt Philipp Scheffbuch, »wir haben ja gute Daten.« Und gute Aussichten, wie er hervorhebt: Im Winter werden ein paar Attraktionen für die Innenstadt geschaffen. Details will er noch keine nennen, weil sie noch nicht vom Gemeinderat beschlossen sind. Im Sommer wird's wieder einen Stadtstrand geben. Jetzt schon freut sich der Wirtschaftsförderer, dass sich in der Wilhelmstraße was bewegt: der zweite syrische Laden und der Metzger, der am 2. Mai dort aufmacht, wo die Scheiders 2023 den Schlüssel mangels Nachfolger rumgedreht haben. (GEA)