METZINGEN. Die einen backen in ihrer Freizeit Kuchen und Torten zur Entspannung. Adrian Blessing und seine Frau Enrica sind leidenschaftliche Seifensieder. »Vor acht Jahren waren mein Mann und ich in Italien«, erzählt die Italienerin. »Dort lief gerade eine Dokuserie, in der gezeigt wurde, wie Seifen hergestellt werden.« Ihr Partner war sofort Feuer und Flamme. »Das probiere ich auch«, habe er gesagt. Zurück in Deutschland holte er sich die nötigen Zutaten - Fette, Öle und Lauge - in der Apotheke.
»Die Herstellung der ersten Seifen war richtig teuer«, erinnert sie sich. »Anstatt einer Form aus Silikon verwendete Adrian eine Tubberschüssel.« Doch das Experiment gelang. Bekannte lobten das eigenhändig hergestellte Produkt und schlugen dem Ehepaar vor, Naturseifen für den Weihnachtsmarkt zu produzieren. »Als wir damals als Kleinbetrieb anfingen, Seifen herzustellen, war der Markt noch relativ leer.« Inzwischen gäbe es viele Seifenhändler mit handgemachten Produkten auf Märkten.
»Wir wohnen mit den Seifen. Sie nehmen zwei Stockwerke in Beschlag«
Doch nicht nur dort verkaufen die Blessings ihre Seifen, sondern auch in ihrem Naturkosmetikladen »skin cosmetics« am Lindenplatz. Wegen der Konkurrenz soll dieser allerdings zum Jahreswechsel schließen. »Auf den Märkten werden wir weiter verkaufen. Auch die Einzelhändler, die unsere Produkte mittlerweile führen, wollen wir weiter beliefern und den Verkauf im Online-Shop fortführen«, sagt Enrica Blessing.
Wer das Einfamilienhaus mitten in einem Neuhausener Wohngebiet von außen sieht, würde nicht auf die Idee kommen, dass sich darin eine Seifensiederei befindet. »Wir wohnen mit den Seifen. Sie nehmen zwei Stockwerke in Beschlag.« In drei Kellerräumen läuft die Produktion, das zweite Stockwerk dient als Lager. Im Laufe der Jahre haben die beiden den Dreh herausbekommen, wie sie Zeit sparen können. »Anfangs war die Fertigung sehr aufwendig. Selbst die Kordeln und Etiketten für die Verpackung haben wir selbst hergestellt.«
Sie zeigt auf einen großen Heizkessel in der Ecke des Produktionsraums. »Darin kann in großen Mengen Olivenöl, Kokos- und Palmfett erhitzt werden. Früher mussten wir das in einem Topf machen.« Nebenan im Vorratsraum stehen die Fässer mit den Ölen und Fetten. »Das Olivenöl beziehe ich in großen Mengen aus Italien.« Gegenüber in einem Regal stapeln sich Bleche mit Seifenmasse. Sie sehen aus wie Kuchen, sind rot-weiß oder weiß-gelb meliert und duften verführerisch nach Orange und Honig.
Wer auf die Idee käme, hineinzubeißen, würde sich allerdings die Zähne ausbeißen, denn die Sorte »Depil Docia« ist mit Steinen dekoriert. »Die Idee dazu kam uns spontan beim Angeln am Neckar, wo wir die Stein-Deko auch sammeln - sie kommt super bei den Kunden an.« Die 33-Jährige und ihr Mann denken sich die Rezepturen und Dekoration der Seifen selbst aus.
»Wir probieren so lange, bis die Mischung stimmt.« Auch eine selbst hergestellte Bademilch mit Sheabutter gehört zur chemiefreien Produktpalette. Lemongrasseife sei der »Bestseller«. Deshalb müsse sie wieder für Nachschub sorgen. »Weil die Öle und Fette nach ein paar Tagen im Heizkessel dickflüssiger geworden sind, müssen sie erst einmal mit einem Riesenmixer durchgemengt werden«, erklärt die Wahl-Metzingerin.
»Wie beim Marmor-kuchen backen rühre ich zwei Massen an«
Adrian Blessing arbeitet hauptberuflich nicht in der Kosmetikindustrie - das Sieden ist sein Hobby geblieben. »Er macht das zur Entspannung.« Weil die Seifen so viele Abnehmer fanden, hat der 40-Jährige die Produktion seiner Frau übertragen. Sie verkauft die Naturseifen und -kosmetika auch am Lindenplatz.
»Mit der Seifensiederei im eigenen Haus kann ich mir die Zeit gut einteilen«, sagt Enrica Blessing. Die beiden haben eine vierjährige Tochter.
Die Seifensiederin zieht sich einen weißen Schutzmantel über, setzt eine Schutzbrille auf, nimmt eine Schüssel und rührt darin Laugen-Mikropearls mit Wasser an. »Die Brille muss ich zur Sicherheit aufsetzen.«
»Jedes Stück muss gemeldet werden. Doch viele produzieren illegal«
"Achtung, giftig!" steht auf dem Kanister mit Natronlauge. "Die Lauge wird in einem Wasserbad erhitzt. Mit einer Waage wiegt Enrica Blessing Flüssigkeit aus dem Heizkessel ab. Dann tröpfelt sie mit einer Spritze etwas Deckweiß in den Becher mit den ätherischen Ölen. "Wie beim Marmorkuchen backen, rühre ich nun aus den Zutaten zwei Massen an - eine mit Deckweiß, eine ohne." In einer länglichen Form mischt sie die beiden Seifenmassen dann und zieht die Marmorierung mit dem Stiel eines Esslöffels.
Zuletzt kommen die Silikonförmchen zum Trocknen ins Regal. Die Seife wird dann mit einer Schneidemaschine »wie Brot« geschnitten und verpackt. In halbtrockenem Zustand erhalten die Seifen obendrauf noch i-Tüpfelchen wie Kaffeebohnen, Muscheln oder getrocknete Früchte. Die Lemongrasseife besticht allein durch ihren Duft und die Marmorierung. »Jedes Stück muss beim Bundesamt für Verbraucherschutz gemeldet und zuvor geprüft werden. Doch viele Hersteller produzieren illegal in der Küche, ohne Gewerbeschein«, weiß die Seifensiederin. Nicht so die Blessings, »auch wenn das teuer ist«. (GEA)