BAD URACH. Wenn dieser Ahorn irgendwo im Wald umgefallen wäre, wäre es einfach nur der Lauf der Dinge gewesen, und kein Hahn hätte danach gekräht. In diesem Fall war alles anders. Revierförster Reinhard Metzger war schon lange aufgefallen, dass dieses stattliche Exemplar mitten in den Tuffterrassen des Uracher Wasserfalls sich arg zur Seite geneigt hatte und von Jahr zu Jahr weniger Feinreisig trug. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er krank war. Krank bedeutet: Gefahr im Verzug. Der Baum könnte jederzeit umfallen. An einem Ort, zu dem jedes Jahr Zigtausende pilgern – dem touristischen Hotspot schlechthin. Die Folgen sind für den Forstbeamten, der für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortung trägt, klar: Der Baum muss weg, möglichst schnell.
Nun ist es nicht so, dass der erfahrene Förster einfach seine Motorsäge auspacken und den Baum zusammen mit einer Rotte Forstwirte fällen könnte. Das ist an dieser Stelle wesentlich komplizierter. Der Grund: Der Wasserfall liegt im Naturschutzgebiet Rutschen, dem FFH (Flora-Fauna-Habitat)-Gebiet »Uracher Talspinne« und dem Vogelschutzgebiet »Mittlere Schwäbische Alb«. Bei so hochkarätigen Naturschutzgebieten ist der sonst im Wald so allmächtige Förster plötzlich ganz klein – er muss erst lange und komplizierte Gespräche mit der Naturschutzverwaltung im Regierungspräsidium Tü-bingen führen.

Erfahrung und Technik
Reinhard Metzger, der das Revier Baldeck des staatlichen Forstamts (forstBW) unter sich hat und Paul Mann, der stellvertretende Forstbezirksleiter, waren gestern endlich so weit. Sie hatten die Erlaubnis des Regierungspräsidiums, zwei einsturzgefährdete Riesen zu fällen. Erledigt hat die nicht ganz ungefährliche Arbeit eine erfahrene Rotte von Forstwirten: Anton Raach, der Capo, an seiner Seite Christoph Knupfer und Nils Aicher. Der hatte eine 15 Kilo schwere Riesen-Motorsäge mit einem 73er-Schwert und einer Leistung von 125 Kubik dabei. »Ein echtes Fichtenmoped«, sagt Metzger und grinst. Die Forstwirte bringen neben viel Erfahrung alles mit, was die Technik hergibt. Zum Beispiel Fällkeile, die von einem Akkuschrauber angetrieben bis zu 25 Tonnen wegdrücken.
Die war nötig, um die fast 30 Meter hohe Buche zu fällen. Weil die Äste Richtung Licht wachsen, hing sie Richtung Weg. Ein zäher Kampf von Mensch und Maschine gegen einen 120 Jahre alten Baum. Ein lautes, langes Krachen, wenn er endlich fällt. Er bleibt vor Ort liegen, die Biomasse bleibt wie gewünscht im Wald. Neuer Lebensraum. Der Ahorn unterm Wasserfall fällt dagegen in allerkürzester Zeit. Kaum hat Nils Aicher den Fallkerb gesetzt und begonnen, ihn von der anderen Seite umzusägen, knickt er weg. Vom Holz innen war nicht mehr viel übrig. Die Braunfäule hat ihm jegliche Standsicherheit genommen. Er wäre wohl ganz bald von selber umgefallen. (GEA)