BAD URACH. Zehn Minuten, die entscheidend für die berufliche Zukunft können: So viel Zeit haben Schüler und Vertreter von Unternehmen pro Slott, um sich auf die Schnelle kennenzulernen und sich sozusagen zu beschnuppern. Beim Azubi-Speed-Dating ging’s in der Ermstalhalle nicht in die Tiefe, aber da läuft’s bei der Ausbildung wie beim Flirten: Es kann durchaus mehr daraus werden. Aus dem Gespräch ein Praktikum und später sogar eventuell eine Ausbildung.
Das Format ist bewusst niederschwellig, die Schüler soll vor allem auch die Angst vor einem Vorstellungsgespräch genommen werden: »Sie sind zum Teil sehr jung«, weiß die Bad Uracher Hauptamtsleiterin Vesna Trost »Sie üben hier die Gesprächssituation und können sich darauf vorbereiten.« Die Stadt ist mit vier Mitarbeitern vor Ort, die rund 30 Gespräche führen. Vor allem Interessierte für den Erzieherberuf und Mitarbeitende für die Verwaltung sind gesucht, wie die Stadtverwaltung auch, bringen viele Betriebe Auszubildende zum Speed-Dating als Gesprächspartner mit. Die Hemmschwelle sei so niedriger, das Eis breche schneller, hat Vesna Trost beobachtet. Das Konzept kommt an, die Gespräche laufen zufriedenstellend. Am Stand der Stadt Metzingen hat eine Mitarbeiterin beobachtet, dass die Schüler wieder interessierter sind und gezielter sowie informierter nachfragen als in den vergangenen Jahren.
877 Gespräche angemeldet
308 Schüler der Klassen acht aufwärts aus den weiterbildenden Schulen in Bad Urach, Dettingen und Metzingen haben sich angemeldet, das sind 100 weniger als vergangenes Jahr. Grund ist nicht Desinteresse, sondern eine Studienreise an der Schönbein-Realschule Metzingen. 877 Gespräche waren im Vorfeld angemeldet worden, 120 zusätzlich fanden spontan statt: Weil einerseits rund 30 junge Menschen ohne Anmeldung das Angebot genutzt haben. Viele hatten einfach auch Lust, mehr als die vereinbarten Gespräche zu führen – weil’s unerwartet viel Spaß gemacht hat, wie einige Jugendliche im Wartebereich bestätigen. Dort befindet sich auch der Stand der Agentur für Arbeit, deren Vertreterin hat eines im Lauf des Tages beobachtet: »Die Schüler gehen sehr zögerlich rein, sind angespannt und nach zehn Minuten kommen sie strahlend heraus.«
Flanieren ist beim Azubi-Speed-Dating ausdrücklich nicht möglich, alle Unbeteiligten verlassen während der Slotts die Halle – auch Eltern. Nach zehn Minuten ertönt ein Hupen, das Date ist beendet, die Infos sind dann so weit wie möglich ausgetauscht und die Schüler verlassen die Halle. Nach einer kurzen Unterbrechung hupt es wieder und die jungen Gesprächspartner fluten die Halle regelrecht. Die Orientierung fällt leicht, am Eingang hängt ein Übersichtsplan und jeder der 50 Betriebe hat sein Banner aufgestellt. Bernd Mall, Pressesprecher der Stadt Bad Urach, ist begeistert vom Branchenmix: »Das ist das, was unsere Region ausmacht. Alles, was in der Umgebung angesiedelt ist, findet sich hier auch wieder.«
Das Finanzamt sucht ebenso Auszubildende wie das Hauptzollamt Ulm oder Handwerksbetriebe vom Landschaftsgärtner über den Augenoptiker bis zum Metallbauer. Es sind Kleinstunternehmen vertreten, aber auch Global Player – Spitzenreiter mit über 70 Gesprächsanmeldungen ist ElringKlinger. Sehr gefragt sind auch die Gespräche mit Vertretern der BG Unfallklinik Tübingen, des Kreiskrankenhauses Reutlingen und der Bruderhaus-Diakonie. Ebenfalls unter den Top Ten befindet sich die Outlet-City sowie Lechler in Metzingen. Aber auch die Gastronomen und Mitarbeitenden der Banken haben viel zu reden, bei dem ein oder anderen Betrieb liegt jedoch nur eine Anmeldung vor: »Aber genau dieses eine Gespräch kann ein Volltreffer sein«, gibt Vesna Trost zu bedenken.
Die Städte Bad Urach und Metzingen sowie die Gemeinde Dettingen haben gemeinsam mit der Dialogagentur das nunmehr sechste Azubi-Speed-Dating organisiert. Die Zuschüsse vom Wirtschaftsministerium wurden zwischenzeitlich zwar gestrichen, die Veranstaltung findet jedoch weiter statt. Weil es den Kommunen laut Vesna Trost wichtig sei, die Betriebe bei der Suche nach Auszubildenden zu unterstützen. Das sei eine Möglichkeit der Wirtschaftsförderung, das Angebot werde auf beiden Seiten sehr gut angenommen: Reichte für das Azubi-Speed-Dating in der Anfangszeit die Mensa der Schönbein-Realschule aus, ist die Ermstalhalle inzwischen fast zu klein dafür. (GEA)