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Ausstellung »Winterfreud und Winterleid« im Wannweiler Seniorenzentrum

»Winterfreud und Winterleid« gibt auf einem Quadratmeter Einblicke in das winterliche Leben vergangener Zeiten. Was die Macher von der Geschichtswerkstatt dazu alles zusammengetragen haben.

Frühe Wintervergnügen: Das Bild zeigt eine Gruppe acht- bis zehnjähriger Kinder beim Schlittenfahrer. Eine Mutter mit Schürze sc
Frühe Wintervergnügen: Das Bild zeigt eine Gruppe acht- bis zehnjähriger Kinder beim Schlittenfahrer. Eine Mutter mit Schürze schaut - mit kalten Händen, ansonsten aber sichtlich entspannt - nach dem Rechten. Das dritte Kind von links sitzt auf einem Schlittengaul, die anderen auf moderneren Rodelschlitten. Der Bub links hat Schittschuhe an. Beim Bergabfahren auf der vereisten Richard-Burkhard-Straße konnte er damit besser lenken. Foto: Sammlung Walter Ott
Frühe Wintervergnügen: Das Bild zeigt eine Gruppe acht- bis zehnjähriger Kinder beim Schlittenfahrer. Eine Mutter mit Schürze schaut - mit kalten Händen, ansonsten aber sichtlich entspannt - nach dem Rechten. Das dritte Kind von links sitzt auf einem Schlittengaul, die anderen auf moderneren Rodelschlitten. Der Bub links hat Schittschuhe an. Beim Bergabfahren auf der vereisten Richard-Burkhard-Straße konnte er damit besser lenken.
Foto: Sammlung Walter Ott

WANNWEIL.. Früher war ... nicht alles besser, es gab aber unzweifelhaft mehr Winter. Mehr Winter heißt: mehr Schnee. Was für Erwachsene oft eine Last war, war für Kinder oft eine große Lust. Der Winter stand für unbeschwertes Schlitten- und manchmal sogar Schifahren. Auf der anderen Seite war's zapfenkalt. Eisblumen an ungedämmten Glasscheiben waren vielleicht schön, die Kälte war aber fast unerträglich. Um beide Seiten des Winters dreht sich die neue Ausstellung des Geschichtsvereins Wannweil im Seniorenzentrum »Haus in der Dorfmitte«.

»Kalte Hände und Eisblumen«

»Winterfreud und Winterleid« ist die Ausstellung überschrieben, die die Geschichtswerkstatt unter Walter Ott und Hauke Petersen konzipiert hat. Zum fünften Mal haben sie auf kleinstem Raum - einer Euro-Palette - Exponate - ein Teil kommt vom Pliezhäuser Dorfmuseum »Ahnenhaus« - zusammengetragen und damit eine vergangene Zeit lebendig gemacht. Das kleine Podest ist Ausstellungsfläche und Treffpunkt in einem. Die Bewohnerinnen und Bewohner und natürlich auch Besucher kommen hier ins Gespräch. Beim Treffen mit dem GEA vor Ort stellt Walter Ott fest, dass ein paar Exponate umgestellt worden und an einer anderen Ecke des Raums zwei - ein Rodelschlitten und ein paar Kinderski aus Plastik - dazugekommen sind. Er lächelt. »Die Ausstellung lebt.«

Dieses Foto ist 1936 in Wannweil entstanden und zeigt einen »Fiedlesrutscher« mit Geländer.
Dieses Foto ist 1936 in Wannweil entstanden und zeigt einen »Fiedlesrutscher« mit Geländer. Foto: Sammlung Ott
Dieses Foto ist 1936 in Wannweil entstanden und zeigt einen »Fiedlesrutscher« mit Geländer.
Foto: Sammlung Ott

Drei verschiedene Schlitten sind im "Haus in der Dorfmitte" zu sehen. Der gröbste, einfachste ist der Fiedlesrutscher" - ein kleiner Holzschlitten auf breiten Kufen. Auf dem konnten Kinder durch den Schnee rutschen oder gezogen werden, aber auch Waren transportiert werden - beispielsweise, Brotlaibe ins Backhaus, erinnert sich der Ur-Wannweiler Walter Ott. Wesentlich eleganter der Schlittengaul, hier ein Exponat aus der Zeit um 1900. Walter Ott hat herausgefunden, dass er in der Region um Reutlingen besonders verbreitet war. Die Wagner im Dorf hatten mit ihrer Herstellung auch außerhalb der Landwirtschafts-Saison Arbeit. Beliebteste Rodelstrecke waren Degerschlachter und Kunsterdinger Straße. Mit Schwung ging es über die Hauptstraße rüber und dann ein Stückchen auf der anderen Seite wieder hoch.

Davos-Schlitten löst den Schlittengaul ab

Daneben ein modernerer Davos-Schlitten, wie es ihn heute noch gibt. »Sobald der auf dem Markt war, war der Schlittengaul natürlich nicht mehr so beliebt«, weiß Walter Ott, »der neuere ist einfach besser gefahren, und die Kinder wollten nicht von Davoser Rodlern ausgelacht werden.«

Fassdauben als »Ski des kleinen Mannes«

Zum winterlichen Vergnügen gehörten natürlich auch Ski. Angefangen hat alles auf Fassdauben. »Der Ski des kleinen Mannes«, sagt Walter Ott. Daneben Latten, die schon an das erinnern, was heute unterwegs ist. Das Exponat im Wannweiler Seniorenzentrum hatte sogar schon eine Stahlkante. Aus Stahl auch die Schlittschuhe, die man sich unter die Stiefel schnallte. Weniger, um wie die Frau auf der Papp-Verpackung der Schlittschuhe elegante Pirouetten zu drehen, weiß der Mann von der Geschichtswerkstatt: »Damit konnte man den Schlitten besser lenken.«

Auf dem Bahnschlitten durchs Dorf

Auf den Straßen konnte man früher noch gut rodeln. Damals gab's nämlich keine schweren Schneepflüge mit Salzstreuern, sondern einfach nur hölzerne Bahnschlitten, die sechsspännig von Pferden gezogen wurden. Wenn der Fuhrmann gut gelaunt war, durften die Kinder mitfahren und genossen die Fahrt durchs verschneite Dorf, erinnern sich viele Bewohner des Seniorenzentrums.

Bettflasche als Hochzeitsgeschenk

Alte Wannweilerinnen und Wannweiler erinnern sich im Gespräch mit Walter Ott und Hauke Petersen aber auch gut an die unangenehmeren Seiten des Winters. In anderen Worten: an die Kälte. Früher waren nur die Küche und vielleicht das Wohnzimmer beheizt. Ein König, wer eine Bettflasche besaß. Wer sich's leisten konnte, hatte eine aus Kupfer, die länger warm bliebt - die konnte man immer wieder reparieren und bei guter Behandlung über Generationen vererben -, sonst eine aus Blech oder Gummi. »Wärmflaschen waren übrigens auch ein beliebtes Hochzeitsgeschenk«, weiß Walter Ott.

Wenn's den Lehrer auf die Nase legt

Der hat viele Erinnerungen an das verschneite Wannweil von früher. Nicht zuletzt an die Mahnung der Eltern, bei eisigen Temperaturen nicht mit der Zunge an Eisenmasten oder anderen Metallgegenständen zu gehen. Ein bisschen probiert haben es trotzdem alle, sagt er und grinst verschmitzt. Sein Mitstreiter Hauke Petersen, der ursprünglich aus Husum kommt, kann ähnliche schöne und humorige Winter-Erinnerungen beisteuern. Von zugefrorenen Wiesen, über die er auf Schlittschuhen gerutscht ist, zum Beispiel. »Das war paradiesisch.« Oder den Lehrer, der die von den Schülern geschaffene Schleifbahn abgetrippelt ist, um sie zu kontrollieren - und sich dann selber der Länge nach auf die Nase zu legen. Man kann sich das Lachen der Kinder noch heute vorstellen.

Wo Geschichtswerkstatt draufsteht, sind Walter Ott (links) und Hauke Petersen drin. Die beiden haben die Ausstellung im Senioren
Wo Geschichtswerkstatt draufsteht, sind Walter Ott (links) und Hauke Petersen drin. Die beiden haben die Ausstellung im Seniorenzentrum Haus in der Dorfmitte Wannweil gemacht. Walter Ott steht auf Ski aus Fassdauben, Hauke Petersen trägt einen Schlittengaul. Zwischen ihnen auf dem Boden ein »Fiedlesrutscher«. Foto: Andreas Fink
Wo Geschichtswerkstatt draufsteht, sind Walter Ott (links) und Hauke Petersen drin. Die beiden haben die Ausstellung im Seniorenzentrum Haus in der Dorfmitte Wannweil gemacht. Walter Ott steht auf Ski aus Fassdauben, Hauke Petersen trägt einen Schlittengaul. Zwischen ihnen auf dem Boden ein »Fiedlesrutscher«.
Foto: Andreas Fink