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Aktuell Mahnmal

An einer Stele der NS-Opfer gedenken

METZINGEN. Stille im Sitzungssaal. Der Metzinger Gemeinderat steht, die Stadtverwaltung, die Zuhörenden. Minutenlang. Sie gedenken Walter Herold, der im Alter von 96 Jahren am 1. Juli in New Hampshire verstorben ist. Mit behutsamen Worten würdigt Oberbürgermeister Dr. Ulrich Fiedler den früheren Metzinger, der, von den Nazis verfolgt, 1940 in die USA emigrierte.

Foto: Ruth Walter
Foto: Ruth Walter
Nie darf Herolds Lebensweg vergessen werden, nie dürfen es die anderen Opfer des Schreckensregimes. Dass sie die Erinnerung wachhalten und an die junge Generation weitergeben wollen, haben alle Rätinnen und Räte nichtöffentlich schon im Jahr 2015 entschieden. Angeregt dazu vom Arbeitskreis Stadtgeschichte, der bei der Stadtverwaltung den Antrag gestellt hatte, Albert Fischer angemessen zu würdigen, den von den Nazis jahrelang in den KZs auf dem Heuberg und dem Oberen Kuhberg in Ulm sowie in Buchenwald internierten ehemaligen Metzinger KPD-Gemeinderat und -Landtagsabgeordneten, der einige Monate auch zweiter Bürgermeister der Kelternstadt war.

»Stolperstele« am Friedhofportal?

Aber wie und wo gedenken? Darum ging es in öffentlicher Sitzung am Mittwoch. Zwei Möglichkeiten standen zur Wahl, auch kombiniert sind sie denkbar: einerseits Stolpersteine im Straßenpflaster, die an den ehemaligen Wohnhäusern der Verfolgten auf diese hinweisen könnten. Andererseits eine Stele, die etwa am Gefallenen-Ehrenmal auf dem Mühlwiesenfriedhof errichtet werden könnte. Sorgsam diskutierten die Bürgervertreter, nahmen sich Zeit dafür, loteten die Argumente aus, regten sich gegenseitig an.

Die FWV um ihren Fraktionschef Peter Rogosch, einen der AKS-Aktiven, machte sich für eine Stele oder Stelengruppe auf dem Mühlwiesenfriedhof stark. »Sie ist wesentlich individueller«, führte Rogosch ins Feld, »Stolpersteine gibt es landauf, landab.« Und: »An einer Stele könnten die NS-Opfer jährlich in die Gedenkfeier am Volkstrauertag einbezogen werden.« Susanne Bernauer (Grüne) hob dagegen die Vorteile der Stolpersteine hervor: »Sie sind sehr persönlich. Man läuft dort drüber, wo die Menschen gewohnt haben.«

»Wir sind für die Kombi-Lösung, können dadurch aller Opfer gedenken«, sprach Fraktionsvorsitzender Jürgen Fromhold für die SPD. Auch Dr. Ursula Wilgenbus (FDP), die die Wichtigkeit des Erinnerns an die NS-Verfolgten gerade in einem Europa mit neuem Fremdenhass betonte, plädierte für die Doppellösung. Die Stolpersteine sieht sie als »Nadelstiche. Und es ist ein einfacher, ganz effektiver Weg, die Würdigung der NS-Opfer darzustellen.« Die Steine lägen im öffentlichen Bereich, auf den Friedhof gehe nur die Metzinger Bevölkerung.

Aber eine neue Gedenkstele müsste ja gar nicht zwingend beim jetzigen Ehrenmal stehen. Für eine »Stolperstele am Friedhofseingang gegenüber von McDonald's« war Holger Weiblen (CDU), »sie soll symbolisieren, dass wir an die Jugend herangehen wollen«. Weiblen hatte das Feedback seiner Tochter zu den verschiedenen Gedenkmöglichkeiten eingeholt. Die Stadtverwaltung hatte die Verbindung zur nachwachsenden Generation eher über die Stolpersteine gesucht, an denen sich das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium und die Schönbein-Realschule mit Schulpatenschaften beteiligt hätten.

Bei einer Enthaltung sprach sich der Rat für die Errichtung einer Gedenkstele für die Opfer des NS-Terrors aus und lehnte die von der Verwaltung favorisierte Kombilösung mit deutlicher Mehrheit ab. Weiblen fand auch bei den Grünen und der SPD Befürworter der »Stolperstele«. Wo das Mahnmal wächst, wird noch festgelegt. Das Wie und Wo des Gedenkens ist ohnehin nicht das Zentralste. »Wichtig ist, dass wir die tiefe Überzeugung haben, gedenken zu wollen, und das im öffentlichen Raum tun«, betonte Ulrich Fiedler vor dem Beschluss. (pfi)