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Amazon in Bad Urach-Hengen: Baugesuch ist schon da

Es wird immer wahrscheinlicher, dass Amazon ein Verteilungszentrum in Hengen hochzieht. Auch wenn der Kaufvertrag mit der Stadt Bad Urach noch nicht unterzeichnet ist: Der Internet-Riese hat schon vor einigen Wochen ein Baugesuch im Rathaus eingereicht. Der Ortschaftsrat hat dem Projekt schon mal grünes Licht gegeben. Die finale Entscheidung fällt in drei Wochen im Uracher Gemeinderat.

Die Haltung zu Amazon ist in Hengen geteilt. Das Bild zeigt das Plakat der ersten Stunde am Scheuerntor von Hermann Kiefer, der
Die Haltung zu Amazon ist in Hengen geteilt. Das Bild zeigt das Plakat der ersten Stunde am Scheuerntor von Hermann Kiefer, der den Protest ins Rollen gebracht hat. Jemand hat unter die kritische Frage mit Kreide »JA« geschrieben. Ein Maisscherz, sagt Kiefer. Foto: Andreas Fink
Die Haltung zu Amazon ist in Hengen geteilt. Das Bild zeigt das Plakat der ersten Stunde am Scheuerntor von Hermann Kiefer, der den Protest ins Rollen gebracht hat. Jemand hat unter die kritische Frage mit Kreide »JA« geschrieben. Ein Maisscherz, sagt Kiefer.
Foto: Andreas Fink

BAD URACH-HENGEN. Das Hengener Feuerwehrmagazin war mit rund fünfzig Besuchern rappelvoll, als der Ortschaftsrat am Montag über den Bebauungsplan »Rübteile II« diskutierte und abstimmte. Das Industriegebiet wird inzwischen nur noch mit dem Namen Amazon verbunden - soll hier doch ein großes Verteilzentrum des Online-Giganten hochgezogen werden. Platz hat's noch für weitere Gewerbetreibende, einen großen Teil wird aber der Internet-Gigant einnehmen, wenn der Bebauungsplan steht.

»Wir haben bis heute noch keinen Kaufvertrag mit Amazon abgeschlossen«

Die acht Mitglieder des Ortschaftsrats unter Ortsvorsteher Gerhard Stooß haben jetzt den Bebauungsplan bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen auf den Weg gebracht. Das Votum ist ein Empfehlungsbeschluss an den Uracher Gemeinderat, der in der Sitzung am 24. Juni die Satzung final beschließen soll. Es spricht vieles dafür, dass der Bebauungsplan auch diese Hürde schaffen wird - auch wenn es noch ein paar offene Fragen und auch deutlichen Gegenwind gibt.

»Wir haben bis heute noch keinen Kaufvertrag mit Amazon abgeschlossen«, sagte Bürgermeister Elmar Rebmann. Der Internet-Gigant hat indessen schon vor einigen Wochen im Rathaus ein Baugesuch eingereicht. Kein ungewöhnliches Verfahren in solchen Angelegenheiten. Entsprechend der Betriebsbeschreibung sollen in Hengen Pakete sortiert und im näheren und weiteren Umkreis ausgeliefert werden. Hengen liegt mitten in dem Dreieck, das die nächsten Amazon-Verteilzentren in Sindelfingen-Darmsheim, Meßkirch und Neu-Ulm bilden. Geplant ist, dass das Verteilzentrum an sechs Tagen in der Woche (von Montag bis Samstag) 24 Stunden am Tag betrieben wird. Feiertags- und Sonntagsarbeit ist nicht vorgesehen. Die maximale Anzahl der Beschäftigten, die sich während der Hochsaison - ohne Fahrer - gleichzeitig im Gebäude aufhalten, gibt Amazon Logistics abhängig vom Schichtmodell mit 293 Menschen an. Vorgesehen sind über 700 Stellplätze, davon rund 537 Parkplätze für Vans in einem vierstöckigen Parkhaus.

»Natürlich kommt eine Menge mehr an Verkehr, aber die Leistungsfähigkeit der Straßen ist keineswegs erreicht«

Im Auftrag der Stadt Bad Urach hat die Planungsgruppe SSW (Ludwigsburg) ein Gutachten zum Verkehr gemacht, das das Logistik- und Verteilungszentrum im Hengener Industriegebiet mit sich bringen wird. Verkehrsplaner Andreas Weber, mit dem die Stadt schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet, hat die allgemeine Verkehrszunahme bis ins Jahr 2040 eingerechnet und ist dabei von einer »Vollbelegung« der Industriegebiete Rübteile I und II ausgegangen - also durchgehend von Maximalwerten. Im Blick vor allem die morgendliche (6.45 bis 7.45 Uhr) und die abendliche Spitzen (16.45 bis 17.45 Uhr). Im Fokus vor allem die Kreuzungen, die von der L 245 (Hengen-Seeburg/Münsingen) ins Industriegebiet führt und die, die auf die B28 (Bad Urach-Römerstein/Ulm) führt.

Verkehrsplaner Andreas Weber geht von rund 5.600 zusätzlichen Fahrten pro Werktag in und von den beiden Industriegebieten aus. Im Vergleich zum Ist-Zustand eine knappe Vervierfachung, wobei im Ist-Zustand hier recht wenig los ist. »Es gibt in der Kernstadt Straßen, die deutlich mehr belastet sind«, sagte der Bürgermeister. Sein Fazit: »Natürlich kommt eine Menge mehr an Verkehr, aber die Leistungsfähigkeit der Straßen ist keineswegs erreicht.« Den Anteil des Schwerverkehrs über 3,5 Tonnen beziffert Weber auf rund 220 Lastern pro Werktag - der größte Teil wird also aus Autos und Kleintransportern bestehen. Unterm Strich stellt der Verkehrsplaner den zwei betroffenen Kreuzungen immer noch gute Noten aus: Sie seien immer noch leistungsfähig genug, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen. Weil auch die B28 zwischen Bad Urach und Römerstein und weiter Ulm von betroffen ist, könne man auf diesem Abschnitt über eine Temporeduzierung auf 70 Kilometer in der Stunde nachdenken.

»Wenn wir nichts machen, sind wir weg vom Fenster«

Zwischenfazit: Der Hengener Ortschaftsrat steht mehrheitlich hinter dem Amazon-Verteilzentrum. Sein Votum ist der Empfehlungsbeschluss für den Uracher Gemeinderat, der am 24. Juni wohl die Satzung des Baugesuchs beschließen wird. Auch in diesem Gremium wird es sicher Gegenwind geben, wie in der Sitzung des Technischen Ausschusses am Dienstag klar wurde. Armin Schidel hielt eine leidenschaftliche Rede gegen den Bebauungsplan Rübteile II im Allgemeinen und gegen Amazon im Speziellen.

Seit Jahren schon stimmt der SPD/AB-Rat gegen Bebauungspläne, die mit der Versiegelung von landwirtschaftlicher Fläche verbunden ist - in Hengen rund acht Hektar - also gegen alle. Dann Amazon: Das Unternehmen zahle vor allem nur in Luxemburg Steuern, schaffe prekäre Arbeitsplätze, habe eine negative Klimabilanz und mache den Einzelhandel kaputt. Der Uracher Kantor machte keinen Hehl an seinen Zweifeln am Verkehrsgutachten und an dem des Landratsamts zur Wasser-Thematik.

»Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die genau diese Arbeitsplätze brauchen und suchen«

Was Bürgermeister Elmar Rebmann sichtlich auf die Palme brachte, der mit einer nicht weniger leidenschaftlichen Rede dagegen hielt. Wenn man der Schidel'schen Logik folge, "müssen wir gar nichts mehr tun, dann können wir uns zurücklehnen und noch verwalten - dann bewegt sich in unserer Stadt gar nichts mehr". Ganz viele Nachbargemeinden schafften Flächen für Betriebe, die Stadt Bad Urach, die ganz lange nur wenig ausgewiesen habe, gerade mal acht Hektar - nicht nur für Amazon, sondern auch für andere Gewerbetreibende. »Wenn wir nichts machen, sind wir weg vom Fenster«, so Rebmann.

Am meisten echauffierte er sich über Schidels offen geäußerte Zweifel an den Gutachten. »Ich finde den Begriff 'merkwürdig' in Zusammenhang mit Fachleuten, mit denen wir schon seit Jahren zusammenarbeiten und deren Prognosen immer gestimmt haben, schon sehr merkwürdig - das ist schwere Kost für mich, wenn man sie so in Misskredit bringt.« Zur Steuerpolitik von Amazon kann und will Rebmann nichts sagen, zu den Arbeitsplätzen aber: »Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die genau diese Arbeitsplätze brauchen und suchen.« (GEA)