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Aichtalbrücke: Planung sorgt für Ärger

Ersatzneubau der Aichtalbrücke soll in 14 Monaten fertiggestellt sein. Baubeginn 2028

Voller Saal, aufgeheizte Stimmung - Der Brückenersatzneubau treibt die Aichtaler um.  FOTO: RUOF
Voller Saal, aufgeheizte Stimmung - Der Brückenersatzneubau treibt die Aichtaler um. FOTO: RUOF
Voller Saal, aufgeheizte Stimmung - Der Brückenersatzneubau treibt die Aichtaler um. FOTO: RUOF

AICHTAL. Eine vollbesetzte Festhalle in Aich zeugte vom riesigen Interesse, das die Bürger dem geplanten Ersatzneubau der Aichtalbrücke auf der Bundesstraße 312 entgegenbrachten. Mit fortschreitender Dauer der Versammlung wuchs die Empörung der Aichtaler gegenüber dem 17,8-Millionen-Euro-Projekt, bei dem eine vorprogrammierte Mindestleidenszeit von 14 Monaten gegeben sein wird, nachdem das alte Bauwerk aus dem Jahr 1960 gesprengt und bis das neue fertiggestellt sein wird. Im Kern geht es dabei um den Vorrang des Naturschutzes vor »Menschenschutz« und den bürokratischen Hemmnissen, die bei solchen Großprojekten für Verzögerungen sorgen.

Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz brachte es unter dem Beifall der Anwesenden mit seinem Grußwort auf den Punkt: "Wir haben alle noch die Bilder im Kopf als bei der jüngsten Sanierung 2011/2013 die Brücke halbseitig gesperrt war, und wir eine Leidensphase mit extremem Schleichverkehr durch den Ort durchlebten. Dass die Brücke am Ende ihrer Lebenszeit angelangt ist, ist auch bei den Aichtalern unbestritten. Der Gemeinderat, so Kurz, habe jedoch den Plan eines Ersatzneubaus einstimmig abgelehnt und sich für einen Parallelneubau entschieden. Seinem Amtsvorgänger Klaus Herzog habe der damalige Bauleiter diesen Parallelbau versprochen: "Darauf haben wir vertraut", betonte Kurz. Es gibt seinen Worten zufolge dafür keine Hindernisse, die nicht lösbar sind, angefangen bei den Ausgleichsflächen für die ausgewiesenen FFH-Mähwiesen.

Viele Brücken betroffen

Baudirektor Jürgen Hehr ging zunächst auf die Dringlichkeit der Brückenbaumaßnahmen in Baden-Württemberg im allgemeinen ein. Seit 2011 habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden, die Gefahr, die durch marode Brücken existiere sei erkannt worden. Allein im Bereich des Regierungspräsidiums Stuttgart betreffe dies 200 Brücken: »Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, und wir müssen schneller werden«, sagte Hehr.

Mit mehr Personal, mehr Geld und so genannten Ersatzneubauten soll der Sanierungsstau laut Hehr aufgelöst werden. Bei einem Ersatzneubau liege das Baurecht vor, das extrem lange Planfeststellungsverfahren entfalle. Zudem werde durch eine landesweit erstmalig angewendete Sammelausschreibung Zeit gewonnen.

Der zuständige Bauingenieur aus Berlin, Bastian Sweers, skizzierte die Situation der 253 Meter langen und 12,1 Meter breiten Aichtalbrücke B 312. Der Zustand der Spannbetonbrücke sei mittlerweile so schlecht, dass eine Sanierung nicht mehr möglich und der weitere Betrieb nur noch über ein Monitoring-Verfahren gewährleistet werden könne, das bei eventuell weiteren Schäden Alarm schlage.

Unter diesem Zeitdruck sowie den Natur- und Umweltschutzgesichtspunkten kommt seiner Meinung nach nur ein Ersatzneubau in Frage, der aber eine Vollsperrung der Bundesstraße vorsieht. Als Sweers die voraussichtliche Bauzeit von 14 Monaten nennt, ist das erste Mal ungläubiges Lachen bei den Aichtalern zu hören.

Laut Bastian Sweers befindet sich das Projekt in der Entwurfsplanung, derzeit würden Standsicherheitsnachweise durchgeführt, dann folge der Rückbau mit dem Einrichten der Baustelle und der Sprengung. Der Neubau werde dann in der Regel von einem neuen Unternehmen durchgeführt. Als Baubeginn sei der Sommer 2028 geplant.

Für die 14-monatige Bauzeit ist nach seinen Worten ein großräumiges Umfahrungskonzept vorgesehen, das zweigeteilt sei – für Lastwagen und Autos. Die Lkw-Route führt von Metzingen über Grafenberg und Nürtingen zur Autobahn 8 nach Stuttgart. Die Pkw-Strecke führt von Metzingen über Pliezhausen zur B 27.

In der Bürgerfragerunde wurde schnell klar, dass der Frust der Aichtaler ob der Planung groß war. Am meisten erboste die Betroffenen, dass die Alternativlösung eines Parallelbauwerks wegen der Gefährdung möglicher FFH-Wiesen nicht in Betracht gezogen worden ist: »Hier muss doch der Menschenschutz und nicht der Naturschutz im Vordergrund stehen«, betonte ein Bürger unter dem Beifall des ganzen Publikums.

Lange Bauzeit

Bei der Frage nach Ross und Reiter für den Brückenersatzneubau nannte Bastian Sweers das Bundesverkehrsministerium. Das Land habe nur die Auftragsverwaltung.

Als Gegenargumente eines Parallelneubaus nannte der Bauingenieur das langwierige Planfeststellungsverfahren, eine um fünf bis sieben Monate längere Bauzeit sowie Mehrkosten von 30 bis 40 Prozent. Zudem werde auch dann eine zeitweise Vollsperrung notwendig sein. Natürlich ist Naturschutz wichtig betonte Bürgermeister Kurz. Er beklagte aber, dass keinerlei Abwägung stattgefunden habe. Eine Lösung, die sowohl Natur als auch Infrastruktur berücksichtigt, sei gar nicht ernsthaft geprüft worden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den Parallelbau habe nicht einmal stattgefunden.

»Betroffen sind während des Neubaus 33.000 Fahrzeuge täglich, Pendler, Handwerker, Unternehmen und vor allem die Anwohner, die im Verkehr ersticken«, sagte ein Aichtaler. Schon jetzt seien die Ortsdurchfahrten voll, kollabiere bei den geringsten unfall- oder wetterbedingten Einflüssen der Verkehr. »Die Schleichwegfahrer fahren rücksichtslos, durch die Ortschaften, teilweise mit Straßen ohne Gehweg, wo Kinder zur Schule gehen« – da sind seine Meinung nach Unfälle vorprogrammiert.

Für Bürgermeister Kurz scheitern Infrastrukturprojekte dieser Dimension in Deutschland nicht an Technik oder Machbarkeit, sondern an Vorschriften, Blockaden und einer starren Ideologie, die jede vernünftige Lösung verhindert. Dass es anders geht, warf ein Aichtaler in die Debatte: »Das Planfeststellungsverfahren für das Flüssiggas-Terminal Rügen wurde durch die Aufnahme in ein Beschleunigungsgesetz umgangen, was Umweltprüfungen und Bedarfsfeststellungen entbehrlich machte. Es geht also nur darum, was politisch gewollt ist.« (GEA)