WANNWEIL. Der Saal im Gemeindehaus ist bis hinten lückenlos mit interessierten Bürgern gefüllt, allein in der ersten Reihe wurde die Platzwahl etwas gescheut. Die Bürgerinformation in Wannweil zum Starkregenrisikomanagement am Dienstagabend war ein Besuchermagnet, wenn auch thematisch ein trauriger. Bürgermeister Dr. Christian Majer räumte zur Begrüßung gleich ein, dass es für so eine Veranstaltung auch angenehmere Themen gebe – man kann sich das in dem Fall aber wohl wirklich nicht aussuchen.
Das was Bauingenieur und Fachmann Immo Gerber, Leiter des Ingenieur Team Rieber (itr GmbH), dann in seinem temporeichen Vortrag erläuterte, hatte es von den Fakten her in sich. Schwere Kost für Kopf und Bauch, verständlich in noch aufnehmbare Portionen eingeteilt. Und um einen Exkurs zum Hochwasserrisikomanagement ergänzt, der einige Querbezüge liefert. Was Starkregen für Auswirkungen auf Gebäude und bebaute Gemeindegebiete hat, ist enorm. Wasser findet einen Weg, hat in großer Menge viel Wucht, hohe Schadenskraft, ist gefährlich.
Die Gemeinde, so weiß Immo Gerber, habe schon einige Erfahrungen mit durch Wasser verursachten Schäden. Es gibt betroffene Straßenzüge, Baugebiete und Bewohner. Und es werde auch künftig Betroffene geben, die es zuvor noch nicht waren. Allein die beiden Ereignisse mit Hagel und Starkregen am 23. und 28. Juni im vergangenen Jahr stehen noch vielen vor Augen. Überschwemmte Straßen, Schäden an und in Häusern. Wie schnell so eine Gewitterzelle aufzieht, machte der Fachmann mit Wetterradarbildern samt zugehöriger Zeitschiene deutlich, auch am 23. Juni 2021 im Gebiet von Wannweil.
Dass dann solche Ereignisse noch gar nicht zu den ganz starken, dramatischen und zeitlich seltenen gehören, gar als eher harmlos einzustufen sind, macht alles noch schlimmer. Wenn Gullis durch Hagel, abgefallene Blätter oder anderen Dreck nichts mehr von oben aufnehmen können, wenn das Kanalsystem ohnehin mit den Wassermengen von seinen Kapazitäten nicht mehr klarkommen kann und nach oben sprudelnd kapituliert, ziehen kraftvolle Wasserströme über versiegelte Flächen und Grünzüge, laufen in alles, was tiefer liegt und keine wirksame Barriere hat, in kurzer Zeit rein. Sie können Fußgänger mit sich reißen oder auch Leute, die den Sog direkt an einem Gulli unterschätzen. Neben Bildern zeigen eingespielte Videos, wie das dann aussieht und abläuft. Teils Situationen ohne jegliches Gefahrenbewusstsein, mit Leichtsinn.
Gefahrenabwehr unmöglich
Das Hauptproblem bei Starkregen, im schlimmsten Fall größere Menge über längere Zeit, ist unter anderem die fehlende Vorwarnzeit, die nie wirklich reicht. Oft bleiben nur Minuten, eine Gefahrenabwehr durch Einsatzkräfte ist meist unmöglich. Wasser ist schnell, wird in volllaufenden Räumen rasch zur tödlichen Gefahr, auch über Strom.
Private Haushalte, so der Rat von Immo Gerber, sollten vorsorgen, etwa mit Rückstauklappen und Bauten am Haus. Lichtschächte können höher gesetzt und abgedichtet werden, es kann wirksame Schwellen vor Kellerabgängen und Tiefgaragen-Abfahrten geben, es gibt druckwasserdichte Türen und Tore, die natürlich ihren Preis haben. Bauten wie Häuser umgebende Schutzmauern sind aber nur dann erlaubt, wenn durch sie dann kein Dritter geschädigt oder schlechter als zuvor gestellt wird, der Nachbar dann auch oder noch mehr betroffen ist.
Die klare Ansage von Immo Gerber: Jeder müsse auch für den eigenen Schutz tätig werden. Dabei gilt es, das Notwendige und Sinnvolle im Einzelfall zu ermitteln. Die Feuerwehr kann und muss, je nach Situation, nicht stets helfen, hat neben prioritären Pflichtaufgaben, wie die Rettung von Leben, noch Kann-Aufgaben.
In Wasser, das mit Schmier- und Brennstoffen, aber auch mit Abwasser und Fäkalien und somit mit Bakterien verunreinigt ist, lauern Gefahren, die wohl mitunter unterschätzt werden. Immo Gerber verweist hier auf die Weilsche Krankheit, die zu Organversagen führen kann.
Trotz der ungeschönten Wahrheiten und traurigen Zusammenhänge bekam der Referent freundlichen Applaus. In den drei Stunden, die die Veranstaltung lief, blieb dann viel Zeit für Fragen und Anregungen. »Es gibt keine blöden Fragen nur blöde Antworten«, ermunterte der Bürgermeister die Gelegenheit zu nutzen.
Und das wurde dann pausenlos getan. Ein Mann erinnerte an das erste von ihm erlebte Ereignis dieser Art 1966 und daran, dass sich seither zu wenig getan hat. Eine Frau, die am Firstbach wohnt, berichtet von einem Hang, der am Ufer wegbricht. Bürgermeister Christian Majer sieht hier eine eigenständige Problematik und versichert: »Wir sind da aktiv dran.«
Eine Frau, deren Haus unmittelbar oben an den Feldern hin zu Degerschlacht steht, berichtet von Wasser, das über die Felder und Ackerflächen hin zum Haus strömt. Der Fachmann Immo Gerber erklärt, dass eine Drainage allein schon von ihrer potenziellen Wasseraufnahmefähigkeit keine Lösung ist. »Eine Drainage schafft keinen Starkregen.« Eine definierter, unproblematischerer Abfluss scheint hier durch die Modellierung des Geländes nicht leicht zu sein. Für den Bereich von Ackerflächen ist die Gemeinde obendrein nicht zuständig. Wenn die Felder abgeerntet sind, so berichtet die Anwohnerin, schießt das Wasser darüber.
Idee zu einer Flussputzede
Angemahnt wird aus der versammelten Bürgerschaft auch die Notwendigkeit des regelmäßigen Säuberns der Körbe in Gullis. Eine Firma führt die Reinigung wohl vor der Hauptphase der starken Niederschläge durch. Stehen hier und da Fahrzeuge auf den Deckeln, geht das aber nicht. Auch der Bauhof wird tätig, Hinweise zu nötigen Reinigungen könnten jederzeit gegeben werden, versichert Carsten Göhner, Leiter vom Ortsbauamt.
Was auch immer als Schutz nötig ist, kaum etwas lässt sich umgehend schaffen. Vom Handlungskonzept bis zur Umsetzung vergehen zwei bis drei Jahre »im Schokoladenfall«, ist da zu hören. Und das ein Sportplatz und ein Supermarktparkplatz als Überflutungsfläche genügen, scheint fraglich, über mögliche Weitere wird wohl nachzudenken sein, auch im Rahmen der Überarbeitung und Anpassung des Hochwasserschutzes.
Ein jüngerer Mann weist auf alte Pappeln am Flussufer hin, sieht in diesen ein Risiko, wenn sie bei einem Hochwasser umfallen und zu sperrigem Treibgut werden. »Sie gehören weg«, meint er. Ein Wohngebiet im Bereich des Sportplatzes und dessen Verlegung, so antwortet der Bürgermeister, sei Stand jetzt nicht geplant. In Hochrisikozonen nahe von Fließgewässern wird das Bauen über Vorgaben aufwendiger, teurer und fraglicher.
Eine Frau setzt sich mehrfach für eine regelmäßige »Flussputzede« ein, um Schotter und aufstauenden Unrat aus der Echaz zu beseitigen. Ein Mann berichtet von seinem Haus in der Marienstraße. »Ihr Gebäude ist kein Rückhaltebecken«, stellt Immo Gerber klar, ein Abdichten sei erlaubt. Ein Gebäude sei in der Betrachtung seiner Wirkung für die Umgebung ein Klotz und kein Hohlraum.
Ein Mann meldet sich aus dem und fürs Neubaugebiet im Fallenbach zu Wort, der bisher knapp nicht betroffen war. Da sich dies durch Schutzbauten von Nachbarn, je nach Geländeverlauf, auch ändern könnte, sei eine gute Abstimmung nötig. Die Nachbarn würden eng zusammenstehen, seien um Lösungen für mehrere Grundstücke bemüht. Alles müsse aber so gemacht werden, dass es auch rechtlich abgesichert sei. Der jüngere Mann, der angibt 250 000 Euro allein in den Hochwasserschutz für sein Haus zu investieren, hat den Eindruck: »Es wird nur gebremst.« Was habe sich seit 1966 denn alles getan? Auch andere Dinge werden angesprochen. Hüllen für Sandsäcke gibt es im Baumarkt. Viele Lösungen für den Wasserschutz sind individuell. (GEA)