PLIEZHAUSEN. Wenn Kunden in der Schönbuchhandlung in Pliezhausen nach Büchern über die Ortsgeschichte fragen, kann Birgit Schoblocher diesen Wunsch gerade nicht erfüllen. Denn es gibt keine Bücher über Pliezhausen. »Es gab mal zu einem Ortsjubiläum ein Buch. Aber das ist ausverkauft«, sagt die lokale Buchhändlerin und SPD-Gemeinderätin Schoblocher. Eine Chronik sei dies aber nicht gewesen. »Die Geschichte Pliezhausens ist wissenschaftlich nicht erforscht«, sagt sie. Darum hat sie sich dafür eingesetzt, dass genau das passiert und das Ergebnis als Buch veröffentlicht wird. »Kunden sagen mir, dass sie eine Chronik kaufen möchten, wenn sie Besuch von außerhalb bekommen.« Solch ein Buch wäre ein Kulturträger. »So würden die Informationen über die Geschichte nicht verschütt gehen«, sagt Schoblocher.
Doch in den Haushaltsberatungen Anfang Februar machte Pliezhausens Bürgermeister Christof Dold klar, dass die derzeit klamme Gemeinde kein Geld für eine Chronik habe. Dabei hätte er das gerne umgesetzt, sagt Dold am Dienstag dem GEA. »Wir haben aktuell ein Defizit von drei Millionen Euro im Haushalt. Wenn wir dann solch ein Projekt wie eine Chronik über drei bis vier Jahre angehen und dafür 33.000 bis 40.000 Euro zahlen müssten, würden wir uns damit unglaubwürdig machen.« Insgesamt würden die Forschung und der Druck 70.000 bis 80.000 Euro kosten. Der Betrag reduziere sich dann durch Verkaufserlöse, Gelder von Stiftungen und Spenden. Aber: »Wir müssten im Worst-Case erst mal 65.000 Euro ausgeben und würden dann die Verkaufserlöse zurück bekommen.«
Ahnenhaus zeigt Alltagskultur
Schoblocher hat Verständnis für die schwierige Haushaltssituation der Gemeinde. »Nun ist das Thema Chronik erstmal von der Agenda. Es gibt bei unserer angespannten Haushaltslage vorrangige Ausgaben.« Wer sich nun für die Ortsgeschichte interessiert, wird im Museum Ahnenhaus fündig. »Dort ist die Alltagskultur ausgestellt«, sagt Schoblocher. Eine Chronik würde aber die einzelnen Epochen aufarbeiten. »Da geht es dann zum Beispiel darum, was die Weimarer Republik für Pliezhausen bedeutet hat.«
Schoblocher hat wegen einer möglichen Chronik mit dem Metzinger Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier gesprochen. »Eine Broschüre mit Aufsätzen über Pliezhausen gab es 1992. Für eine Chronik müsste die Ortsgeschichte erst erarbeitet werden von der Vor- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart«, sagt Bidlingmaier. Außerdem müssten sich die drei Teilorte im Buch wiederfinden. »Die Geschichte war ja nicht deckungsgleich. Rübgarten hatte eine andere Ortsherrschaft und war in Adelsbesitz, während Pliezhausen zu Württemberg gehörte.« Um all das heraus zu arbeiten, müssten die Historiker Quellen suchen und diese auswerten.
Fundament für die Räte
An solch einer Chronik müsse ein Autorenteam arbeiten. Die Historiker sollten dann auch Interessierte einbinden, die sich teils vor Ort einzelnen Themen besser auskennen als Wissenschaftler von außen. Hinzu kommen Bilder, die eine wichtige Rolle spielten. »Die Leser wollen wissen, wie die Gebäude früher aussahen, über die sie im Text gelesen haben.« Für die Bürger sei es interessant, die Ortshistorie zu kennen. »Wer aber politisch gestalten möchte, sollte wissen, wie die Geschichte im Ort war. Das ist dann ein Fundament, auf das bei Entscheidungen aufgebaut werden kann«, sagt Bidlingmaier.
Rolf Bidlingmaier sagt zur Verschiebung zwar, dass es immer geschichtlich interessierte Menschen geben werde. »Aber wenn es um die NS-Zeit geht, wird man bald nur noch wenige Leute finden, die noch so rüstig sind, dass sie Auskunft geben können.« Und gerade was die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte betrifft, könnten Historiker jetzt noch Auskunft vom 83-jährigen Alt-Bürgermeister Otwin Brucker bekommen. (GEA)